Der langjährige Bundestagsabgeordnete Hans Michelbach äußert sich über den Bundesverkehrswegplan, die ICE-Strecke, Nebeneinkünfte und seine Pläne.
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Hans Michelbach hat sich bereit erklärt, bei der Bundestagswahl 2017 nochmals zu kandidieren. Die CSU-Verbände Coburg Stadt und Kronach haben sich bereits für ihn ausgesprochen. Für uns ein Grund zu einem Interview.
Herr Michelbach, Sie sind 67 Jahre - ein Alter in dem viele an die Rente denken. Sie wollen jedoch nochmals in den Bundestag. Warum?
Michelbach: Wir haben die schwierigste politische Herausforderung seit Jahrzehnten. Da braucht es Erfahrung, Netzwerke und langjährige Verbindungen. Als stellvertretender Landesgruppenvorsitzender habe ich eine einflussreiche Position und ich bin in den wichtigsten Ausschüssen vertreten. Politik ist für mich kein Job, sondern eine Lebensaufgabe.
Ich vertrete gerne die Menschen in unserem Wahlkreis und brenne darauf, hier in den kommenden Jahren noch einige wichtige Weichenstellungen auf den Weg bringen zu können, wie beispielsweise den Ausbau der Infrastruktur auf Straße, Schiene und Datenautobahn oder die Industrialisierung 4.0. Der demographische Wandel, die Wettbewerbsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandorts und die Sicherung der Arbeitsplätze sind für unsere Region existentiell.
Was ist das Schöne an der Politik, was sind die Schattenseiten?
Es erfüllt mich, dass ich etwas für die Menschen, für die Betriebe und für das Gemeinwohl bewegen kann. Es gibt in Staat und Gesellschaft wie auch für die Region viel zu tun. Es geht um Investitionen vor Ort, um den Erhalt der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, um die Sicherung der Sozialsysteme. Die Schattenseiten der Politik erfährt am ehesten meine Familie.
Umso mehr freut es mich, dass ich seit 41 Jahren mit meiner wundervollen Frau verheiratet bin.
Wie viele Stunden arbeiten Sie durchschnittlich pro Woche?
Der Arbeitsanfall in einer Sitzungswoche in Berlin ist enorm und kann schon mal bei 70 Wochenstunden liegen. Im Wahlkreis und am Wochenende ist der Terminkalender dann mit Büroarbeit und der Beantwortung von Bürgeranfragen, Besuch von Betrieben, Jubiläen, Vereinen prall gefüllt. Immerhin nehme ich neben Berlin pro Jahr rund 200 Termine in meinem Wahlkreis wahr. Der Kontakt mit den Menschen vor Ort ist für mich wichtig.
Viele Bürger haben die Meldungen über ihre Nebeneinkünfte vernommen ...
... die Menschen wollen einen völlig unabhängigen Politiker, der mit beiden Beinen im Leben steht und auch beruflich bereits etwas erreicht hat.
Sie wollen keine Polit-Karrieristen, die vom Politik-Studium heraus über geförderte Stellen sofort im Parlament landen. Ich war früher im Unternehmen meiner Eltern involviert. Ich habe jetzt als Abgeordneter keine Nebeneinkünfte, sondern bin nach wie vor mit meiner Familie Inhaber von Unternehmen, die teilweise meine Eltern gegründet haben. Das operative Geschäft übe ich nicht aus. Hierfür gibt es Geschäftsführer. Die Unternehmenserträge fließen zurück in die Unternehmen, damit der Kapitalstock auf einer gesunden Basis verbleibt und die Arbeitsplätze gesichert sind.
Gehen wir in die Bundespolitik? Was ist der ganz aktuelle Stand zur Reform der Erbschaftssteuer, wie ist Ihre Position und hat dies auch Auswirkungen auf Ihren Stimmkreis?
Ja natürlich. Unser Wirtschaftsstandort hat eine sehr starke Abhängigkeit von erfolgreichen Familienunternehmen.
Sie sichern Wohlstand und Arbeitsplätze in der Region. Deshalb ist eine funktionierende Generationenbrücke notwendig. Ich hatte gemeinsam mit den SPD-Kollegen einen tragfähigen Kompromiss beschlossen, der jetzt durch die rot-grün regierten Bundesländer in den Vermittlungsausschuss zurückgesetzt wurde. Die Unternehmen benötigen dringend Planungssicherheit und der Erhalt der Arbeitsplätze sollte belohnt werden.
Die vom Verfassungsgericht bestätigte Verschonungsregel bei der Sicherung der Arbeitsplätze dient auch dem Gemeinwohl. Wird der Betrieb aber innerhalb von wenigen Jahren verkauft, fällt die Steuer natürlich an.
Stichwort: Bundesverkehrswegeplan.
Sind Sie denn mit dem bisher Erreichten zufrieden?
Ich halte das bisherige Ergebnis aus regionaler Sicht für ausbaufähig, aber dennoch ist zu bemerken, dass die darin festgelegte Größenordnung für die Region bisher einmalig ist. Immerhin sind mehr als 200 Millionen Euro in der 1. Dringlichkeit bei der B 85, B 173, B 4 und B 303 in der Region fest eingeplant. Das ist ein großer Erfolg, der nicht kleingeredet werden sollte.
Sicherlich wünsche ich mir bei der Ortsdurchfahrt Küps und der Ortsumgehung Pressig eine schnellere Umsetzung. Ich bin zuversichtlich, dass wir diese Maßnahmen, ähnlich wie bei der Ortsumgehung Zeyern, aus Bedarfsmitteln des Bundes - diese werden den Ländern außerhalb des BVWP zur Verfügung gestellt - finanzieren können.
Ich werde mich auf jeden Fall dafür stark machen.
Wie schaut es denn mit den Schienenverkehr aus, beispielsweise der ICE-Strecke Berlin-München?
Die Bahn hat auch nach ihrer Privatisierung eine Verantwortung für eine bessere Verkehrsanbindung im peripheren Raum. Leider gibt es eine Rosinenpickerei. Aktueller Sachstand ist, dass die Bahn den Systemhalt in Lichtenfels mit der Eröffnung der Neubaustrecke 2017 komplett wegfallen lässt und der Ersatz mit dem ICE-Halt in Coburg mit drei Zugpaaren ungenügend ist. Hinzutreten soll ein Systemhalt mit einer RE-Verbindung Richtung Nürnberg, welche vom Freistaat Bayern aus Bedarfsmitteln des Bundes finanziert wird. Leider weigert sich die thüringische rot-grüne Landesregierung, auch eine RE-Verbindung nach Erfurt zu finanzieren, so dass man - auch wenn man mit dem Zug Richtung Norden will - nun erst nach Bamberg zurückfahren muss.
Ich kämpfe dafür, dass Kronach und Lichtenfels in Zukunft IC-Halte zum Beispiel auf der Strecke Stuttgart-Nürnberg-Leipzig erhält. Die Bahn darf sich nicht nur auf die Metropolen ausrichten, deshalb werbe ich für ein neues Fernverkehrssicherungsgesetz, das auch die Mittel- und Oberzentren wieder stärker berücksichtigt.
Wie bewerten Sie die Energiewende? Ist diese zu meistern?
Das ist für Deutschland mit dem Ausstieg aus der Kernenergie eine Herkulesaufgabe. Die erneuerbaren Energien müssen nicht nur ausgebaut werden, sondern auch einen Beitrag zu einer sicheren Stromversorgung leisten. Es geht für unsere regionalen Wirtschaftsstandorte insbesondere auch um einen wettbewerbsfähigen Strompreis.
Ich kämpfe deshalb dafür, dass die EEG-Umlage und das Netzentgelt nicht weiter ansteigen, denn das könnte zu großen Arbeitsplatzverlusten führen.
Wie ist das mit der Versorgungssicherheit in den nächsten Jahren?
Neben dem verstärkten Ausbau der erneuerbaren Energien muss auch in Energieeffizienz, hocheffiziente konventionelle Kraftwerke und Speichertechnologien investiert werden. Aber: Ohne Stromtrassen, die Windkraftstrom aus dem Norden zu uns transportieren, wird es nicht gehen.
Wie bewerten Sie die Abschaltung von Kernkraftwerken, wenn doch gleichzeitig in Europa, wie beispielsweise in der Türkei, neue gebaut werden?
Ich sehe den Zubau von KKW um uns herum durchaus mit Sorge. Wir müssen alles daran setzen, dass Sicherheitsstandards auf allerhöchstem Niveau eingehalten werden.
Dass die Türkei in einem Erdbebengebiet ein KKW baut und bis 2030 drei KKW am Netz haben will, erfüllt mich bei der Entwicklung in der Türkei mit Sorge. Ohnehin müssten die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei von der EU gestoppt werden.
Wie bewerten Sie das schwierige Thema Atommüllentsorgung?
Hier gilt Sorgfalt vor Schnelligkeit. Die Suche nach einem geeigneten Standort wird jetzt erstmals in einem breiten gesellschaftlichen Konsens angegangen.
Das Gesetz sieht vor, dass vor dem Start des eigentlichen Standortauswahlverfahrens eine unabhängige 33-köpfige Kommission tätig wird, an der neben Mitgliedern des Bundestags und Bundesrats auch Wissenschaftler, Vertreter aus Umweltverbänden, Religionsgemeinschaften, Wirtschaft und Gewerkschaften mitwirken.
Diese wird in den kommenden Monaten einen Bericht vorlegen, in dem sie die für das Standortauswahlverfahren relevanten Grundsatzfragen bewertet.
Anderes Thema: Flüchtlinge ... Wie bewerten Sie den Kurs Ihrer Chefin?
Mir geht es um die Sache und ich möchte Lösungen erreichen. Es steht für mich außer Frage, dass die Integrations- und Aufnahmekraft auch eines so starken Landes wie Deutschland begrenzt ist. Das weiß auch die Kanzlerin und ich habe das in persönlichen Gesprächen mehrfach dargelegt. Man kann doch nicht von einem deutschen Urlauber verlangen, dass er am Flughafen seinen Pass vorlegt und gleichzeitig anderen eine Einreise ohne jedweden Identitätsnachweis gestatten. Die Bewältigung der Herausforderung mit Flüchtlingen wird schwierig werden.
Integration gelingt zuerst über die Sprache, aber es müssen auch unsere Werte vermittelt beziehungsweise diese auch von Flüchtlingen angenommen werden, wie beispielsweise die Stellung der Frau in der Gesellschaft.
Zurück zum Bürger. Es heißt, Politiker können sich nicht in einen normalen Bürger mit einem monatlichen Familien-Nettoeinkommen von 2000 Euro hineinversetzen.
Wieso nicht? Ich lebe nicht auf einer Insel, sondern stehe täglich mit Bürgern in Kontakt. Diese schildern mir ihre Sorgen und Nöte. Diese Erfahrungen sind auch wichtig für meine Arbeit.
Warum wird bei Besuchen von Politikern den Bürgern so selten das Wort gestattet?
Ich werbe für mehr Mitwirkungsgestaltung in der Politik.
Ich gebe Ihnen Recht, die Diskussion sollte im Vordergrund stehen und unsere Demokratie sollte neue Impulse bekommen.
Bleibt bei Ihrem Arbeitspensum eigentlich noch Zeit für ein Hobby?
Ich fahre gerne Ski, ich wandere gerne. Zumindest einmal im Jahr nehme ich mir dafür ein paar Tage. Dann trifft sich die ganze Familie.
Die Zeiten sind unruhig, die Welt voller Krisen, die Armut in der Welt steigt. Lohnt sich denn da noch Familie?
Ja, denn Kinder sind das Schönste auf der Welt. Und ich freue mich sehr, dass jetzt meine Tochter Nachwuchs bekommt.
Die Fragen stellte
Veronika Schadeck