Der Bauunternehmer Alois Dechant aus Weismain möchte in Kronach eine große Anlage zur Unterbringung von Flüchtlingen schaffen. Die Politik sieht zwar Handlungsbedarf, das vorliegende Konzept weckt aber Zweifel.
Zwei Häuser mit insgesamt 160 Plätzen für Flüchtlinge schweben Bauunternehmer Alois Dechant in der Kronacher Industriestraße gegenüber dem Aldi-Markt vor. Das ist die "verkürzte" Version eines Entwurfs (siehe Grafik), der eine Erweiterbarkeit auf vier Gebäude mit Platz für maximal 500 Menschen vorsieht. Dechant will an diesem Vorhaben festhalten - auch wenn es mittlerweile hinterfragt wird.
"Alle sind der Sache gegenüber positiv eingestellt", ist er überzeugt, "bis auf Jürgen Baumgärtner". Gerne hätte er selbst mit dem Landtagsabgeordneten gesprochen, vergleichbare Projekte in Weismain gezeigt, doch bis jetzt habe der CSU-Politiker auf die Terminanfragen nicht geantwortet.
Skepsis wächst
Inzwischen verfolgen jedoch auch die Kronacher Stadträte die Entwicklung mit einer gewissen Skepsis.
Für CSU-Fraktionssprecher Jonas Geissler steht "außer Frage, dass wir etwas tun müssen". Wenn es allerdings um ein Konzept für eventuell mehrere Hundert Flüchtlinge in der Industriestraße geht, winkt er ab: "Von der Dimension her ist das deutlich zu groß."
Der Standort weit abseits der Wohngebiete ist aus seiner Sicht der nächste Haken. "Wir würden quasi einen neuen Stadtteil in der Stadt Kronach schaffen." Mit den Supermärkten vor der Haustür bräuchte keiner, der dort untergebracht ist, einen Schritt in die Innenstadt zu setzen. So funktioniert Integration aus Geisslers Sicht nicht. Vielmehr drohe die Gefahr einer Ghettobildung. "Wenn man Integration möchte, dann sollte man die Leute auch in die Mitte der Bevölkerung bringen", meint er und nennt als gutes Beispiel die Unterbringung im Spital. Aus städtischer Sicht wäre das Verbauen von Industrieflächen ebenfalls problematisch.
Und wenn die Flüchtlingskrise vorbei sei, werde es schwer, eine Nachnutzung zu finden.
SPD-Fraktionssprecher Sven Schuster stellen sich grundsätzliche Fragen, ob ein solches Bauvorhaben ins Konzept einer dezentralen Unterbringung im Landkreis passt, ob es notwendig ist und falls ja, ob der Kreis so etwas nicht selbst in die Hand nehmen könnte. Wie Geissler hält er den Standort in einem Gewerbegebiet für ungünstig: "Ob wir uns da nicht etwas verbauen?" Zwar sei die SPD nicht grundsätzlich gegen das Projekt, aber es müsse erst mit Zahlen und Fakten unterfüttert werden.
Integration ja - aber richtig
Die Standortfrage ist auch für Martina Zwosta (Frauenliste) und Peter Witton (Grüne) der Knackpunkt. "Integration gerne, aber dann muss ich die Leute nicht ins Industriegebiet stecken", betont Zwosta.
"Da wären sie erst recht isoliert." Witton sieht zwar einen Vorteil für die ehrenamtliche Betreuung der Flüchtlinge bei einer zentralen Unterbringung, aber auch er fordert eine "sehr genaue Überprüfung." Man müsse gut beobachten, wo solche Gebäude angesiedelt werden sollen und wie es mit einer sinnvollen Nachnutzung aussieht. Zudem hält er eine Größenordnung von mehr als 150 Personen bei einer solchen Unterkunft für schwierig. "Man muss sich genau überlegen, ob Kleingruppen für die Integration nicht besser sind."
Die Freien Wähler im Stadtrat wollen noch keine Position beziehen. Erst müssten klare Stellungnahmen des Kreises und der Bezirksregierung vorliegen.
"Wir brauchen eine konkrete Aussage, sonst reden wir über ungelegte Eier", sagt Fraktionssprecher Michael Zwingmann.
Doch was meint eigentlich der von Dechant angegriffene Baumgärtner? Er erklärt, vorerst eine Umsetzung des Konzepts verhindert zu haben. Aus guten Gründen, wie er feststellt. Und auf den letzten Drücker. "Es war fast schon entschieden", erklärt er, dass sich vor seiner Intervention wenig Widerstand geregt habe.
Bequemer, aber falscher Weg
Doch warum ist er so vehement gegen Dechants Pläne? Er nennt die gleichen Gründe wie die Stadtratsmitglieder: unklare Zahlen, wie viele Unterkünfte am Ende wirklich entstehen würden, verbaute Gewerbeflächen, keine Perspektive für eine Nachnutzung und schlechte Voraussetzungen für die Integration. "Viele machen das, weil es der bequemste Weg ist.
Ich glaube aber, dass es der falsche Weg ist", bringt er seine Meinung zu großen Sammelunterkünften auf den Punkt. Er beantwortet auch gleich die Frage von Martina Zwosta nach dem Motiv für Dechants Engagement. "Er will den Leuten das Gefühl geben, dass er es aus tiefer Barmherzigkeit tut", stellt Baumgärtner fest. Dabei steckten natürlich unternehmerische Ziele dahinter.
Der Abgeordnete fürchtet mögliche Folgen eines solchen Projekts: "Eine Wohnbebauung gibt's da nicht, aber für Asylbewerber soll das Industriegebiet gut und billig sein. Wollen wir soziale Brennpunkte schaffen?!"
Die Integration beginne vor Ort, mahnt er eine Lösung mit Perspektive an. Einen Vorschlag hierfür bringe die CSU nun ein. Sie will an dezentralen Unterkünften festhalten, schlägt aber die Schaffung von vier Sammelunterkünften im Kreisgebiet vor. Keine davon soll mehr als 50 Personen aufnehmen. Nun ist Baumgärtner gespannt, wie die Bürgermeister darauf reagieren. Mit ihnen soll es am 11. Januar ein Gespräch geben. Später werde er auch einen Termin für Dechant finden - obwohl dieser ihn keinesfalls von seinem Konzept überzeugen werde.