In Bayern soll ein Leitfaden für Nachbarschaftshilfe entwickelt werden. Der Bamberger Wissenschaftler Edmund Görtler erhebt die Daten und vergleicht Vereine aus ganz Deutschland. Die Kronacher Seniorengemeinschaft beeindruckt ihn.
Nachbarschaftshilfe hat seine Tücken. Die Helfenden sind nicht versichert, wenn sie auf einen Stuhl steigen, um Gardinen aufzuhängen oder beim Einkaufen stürzen. Die Senioren, die die Hilfe annehmen, haben oft ein schlechtes Gewissen und fühlen sich in der Pflicht. Von Vorteil ist es daher, wenn sich die Menschen in Genossenschaften oder Vereinen organisieren, damit die Hilfe versichert und die Kosten geregelt sind. Dies ist bei der Kronacher Seniorengemeinschaft der Fall, in der sich über 290 Mitglieder im Alltag helfen.
Hilfe, um helfen zu können
Doch bis es soweit war, musste Vorsitzende Bianca Fischer-Kilian viel Schreibkram erledigen. Genau diese Bürokratie schreckt viele ab. Damit das leichter und vor allem schneller gelingt, hat das Bayerische Sozialministerium Sozialwissenschaftlerin Doris Rosenkranz von der Ohm-Hochschule Nürnberg den Auftrag gegeben, einen Leitfaden für die Hilfe an Senioren entwickeln.
Die Kronacher Seniorengemeinschaft hat diesen steinigen Weg bereits gemeistert und ist damit ein Vorbild für andere. Dieser Meinung ist Edmund Görtler von der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, der die Daten für den Leitfaden erhebt. 63 Vereine und Genossenschaften in ganz Deutschland nimmt er seit Juli 2012 unter die Lupe. Die Kronacher Seniorengemeinschaft hat er im Internet gefunden. "Nicht viele sind verlinkt", erklärt Görtler. Der Kronacher Vorsitzenden Bianca Fischer-Kilian ist die Öffentlichkeitsarbeit sehr wichtig.
Regelmäßiger Austausch
Im April soll der Leitfaden erscheinen. "Ich führe mit den Vorsitzenden intensive Gespräche", sagt Görtler. Er fragt nach der Gründung, der Rechtsform, den Leistungen, wer Mitglied sein darf, welche Zielrichtungen verfolgt werden und welche Probleme auftreten.
Görtler möchte sich auch ein Bild von den Mitgliedern machen. Daher besuchte er eine Versammlung der Kronacher Seniorengemeinschaft, die einmal im Monat stattfindet. Die mittlerweile 290 Mitglieder aus 16 Gemeinden treffen sich zum Kaffeetrinken und um neue Anfragen zu besprechen. Zudem bekommen sie praktische Tipps. Diesmal erfuhren sie, wie wichtig es ist, dass jeder vorsorglich eine Krankenhaus-Tasche packt.
Gesellschaftlich wertvoll
Fischer-Kilian möchte, dass sich die neuen Mitglieder schnell wohl fühlen und auch die anderen Mitglieder in ihrem Handeln bestärkt werden. "Es ist wichtig, dass der Kontakt zwischen den Mitgliedern gehalten wird", sagt Görtler. Veranstaltungen dieser Größenordnung sind nicht selbstverständlich. Görtler spricht von jährlichen Versammlungen mit 50 Mitgliedern. Das Kronacher Modell lobt er. "Man spürt die Zufriedenheit der Mitglieder", sagt Görtler über seine Beobachtungen und hofft, dass sich der Verein auch noch halten kann, wenn die Fördergelder wegfallen. In der Stadt ist die Seniorengemeinschaft mit 190 Mitgliedern groß aufgestellt. Im Landkreis dagegen sind es erst 100, es werden noch dringend Mitglieder gesucht.
Oft beobachtet Görtler in den Vereinen, dass es zwar genügend Helfer gibt, aber sich nur wenige trauen, nach Hilfe zu fragen. Dadurch stellt sich bei den potenziellen Helfern oft Frust ein. "Man muss versuchen, die Hemmschwelle zu senken. Die Menschen müssen wissen, dass sie in guten Händen sind."
In Kronach sieht er dieses Potenzial. "Die Kronacher sind sehr gut organisiert. So etwas findet man nicht überall."
So funktioniert die Hilfe bei der Kronacher Seniorengemeinschaft:
Verein:
Die Seniorengemeinschaft besteht seit November 2010 und ist ein eingetragener, gemeinnütziger Verein. Mittlerweile hat die Gemeinschaft 290 Mitglieder.
Organisation:
Die Mitglieder melden sich bei der Vorsitzenden und Gründerin Bianca Fischer-Kilian, wenn sie anderen Menschen helfen wollen oder selbst Hilfe benötigen.
Mitgliedschaft:
Die Mitglieder zahlen einen jährlichen Geldbetrag. Dadurch sind sie bei ihren Tätigkeiten im Verein versichert.
Angebot:
Die Mitglieder helfen beim Einkaufen oder bei technischen Problemen, bei der Wohnungs- und Hausreinigung, erledigen den Winterdienst oder Gartenarbeit. Außerdem bieten sie Fahrdienste an zum Arzt, der Kirche oder auch zu Konzerten. Die Mitglieder leisten auch Gesellschaft, etwa beim Kartenspielen.
Kosten:
Pro erhaltener Arbeitsstunde zahlen die Mitglieder acht Euro an den Verein. Sechs Euro gehen dabei an den Helfenden. Dieser kann sich das Geld auszahlen lassen oder als Guthaben ansparen. Der Helfende kann es bargeldlos gegen Hilfe von Mitgliedern eintauschen.
Kontakt:
Weitere Informationen zur Seniorengemeinschaft gibt es bei Bianca Fischer-Kilian unter 09261/9100115, E-Mail: info@seniorengemeinschaft-kronach.de, Internet:
www.seniorengemeinschaft-kronach.de.