Morgen Abend wird wieder der begehrteste Filmpreis der Welt verliehen. Als Intendant der Faust-Festspiele hat auch Daniel Leistner mit Schauspielern zu tun. Wir haben ihn deshalb um eine Einschätzung gebeten, wer in Los Angeles abräumen wird.
Eine schauspielerisch gute Leistung ist für den Intendanten der Kronacher Faust-Festspiele, Daniel Leistner, eine, bei der der Darsteller seine Rolle "so glaubhaft mit Leben füllt, dass der Zuschauer mitfühlen kann". Dazu noch ein gewisser Funken - fertig ist das Geheimrezept.
Allerdings ist das noch lange nicht das, bei dem auch ein Oscar herausspringt. Da hat Daniel Leistner ganz andere Beobachtungen gemacht: "Man sollte dafür einen Außenseiter, Kranken oder in irgendeiner Form einen Menschen mit Handicap spielen beziehungsweise viel zu- oder abnehmen." Und auch noch ganz wichtig: Man muss sich, nach Leistners Erkenntnissen, als Schauspieler gut promoten, um Chancen auf einen Oscar zu haben. "Man kann nicht nur eine gute Schauspielleistung abliefern und abwarten. Immerhin setzt sich die Jury aus über 7000 Personen zusammen. Die alle müssen einen wahrnehmen." Auch bekämen seiner Meinung nach nicht immer die Besten den Oscar. "Das ist Politik, immerhin steckt die Filmindustrie mit in der Jury." So ärgert Leistner beispielsweise, dass Leonardo DiCaprio, den er "für einen ganz großen Schauspieler" mit dem "göttlichen Funken" hält, noch nie den Oscar bekommen hat, oder damals der Musicalfilm "Chicago" den allerersten "Herr der Ringe"-Film geschlagen hat, obwohl letzterer doch nach Meinung Leistners das Kino verändert hat. "Seitdem nehme ich das Ganze nicht mehr so ernst", gesteht er. Doch reinschauen wird er bei der Übertragung der Verleihung wohl trotzdem.
Sehr gute Auswahl Denn bei der diesjährigen Oscar-Verleihung sieht der Intendant vor allem in der Kategorie "Bester Schauspieler" eine sehr gute Auswahl. "Das ist heuer nicht uninteressant", freut sich Leistner auf einen spannenden Oscarabend. "Alle fünf nominierten Männer sind richtig gut, haben den gewissen Funken".
Bei den Nominierten für die beste Hauptdarstellerin fällt Leistner die Entscheidung, wer die Trophäe erhalten wird, nicht ganz so schwer. "Richtig klasse", findet er Reese Witherspoon, die für ihre Rolle in "Wild - der große Trip" nominiert ist. "Die kann alles, ist ein kleiner lustiger Knopf", findet Leistner. Und dadurch, dass sie in dem Film ungeschminkt spielen muss, erfülle sie eines der anfangs genannten Oscar-Kriterien. "Aber sie hat schon einen Oscar", weiß der Intendant und tippt daher auf Julianne Moore als Preisträgerin. "Sie macht richtig gute Sachen, war aber bisher immer relativ unscheinbar. Sie war schon viermal nominiert und mit ihrer Rolle als Alzheimerkranke in ,Still Alice‘ passt sie in das typische Oscar-Gewinnerschema."
"Birdman" ist bester Film Bester Film ist für Leistner "Birdman", er glaubt aber daran, dass den Oscar in dieser Kategorie der Film "Boyhood" erhält, "weil er ein filmisches Experiment sei. "Der Regisseur hat ihn über zwölf Jahre hinweg gedreht, hat einen Jugendlichen altern lassen. Und trotzdem ist es ein Spielfilm und keine Langzeitdokumentation. So etwas gab es noch nie, das ist eine Sensation." Und genau aus diesem Grund schätzt Leistner, dass auch der Regisseur des Films einen Oscar abräumen wird.
Doch Leistner weiß, dass die Oscarvergaben einen doch überraschen können. Deshalb sagt er zu seinen Einschätzungen: "Einen Kasten Bier würde ich nicht drauf wetten."
Das denkt Leistner über die fünf Nominierten Hauptdarsteller Leistner tippt beziehungsweise hofft, dass der Oscar in dieser Kategorie an Michael Keaton für dessen Rolle in "Birdman" geht. Nicht nur weil Leistner Batman-Fan ist, den Keaton 1989 und 1992 verkörperte. Vielmehr weil Keaton in "Birdman" sozusagen sich selbst spielt: einen alternden Schauspieler, der nicht mehr im Geschäft ist, weil er - wie Keaton im realen Leben "Batman 3" abgelehnt hat - "Birdman 4" nicht mehr dreht. "25 Jahre war er von der Bildfläche verschwunden und jetzt kommt Michael Keaton mit einem sensationellen Film, einer Komödie, zurück und legt eine super Leistung hin. Mein Favorit", sagt Leistner.
Weitere Anwärter Doch Leistner fällt diese Entscheidung nicht leicht, sieht er die fünf Nominierten für den besten Hauptdarsteller doch gleichwertig.
Steve Carell Von ihm ist Leistner normalerweise nicht so begeistert, aber den Rollenwechsel vom eigentlichen Komiker zum kranken Millionär in "Foxcatcher" findet er gelungen.
Bradley Cooper Er erfüllt in "American Sniper" laut Leistner eigentlich alle Voraussetzungen für einen Oscar. Er spielt den Scharfschützen Chris Kyle, der mit über 160 Tötungen laut US-Verteidigungsministerium der erfolgreichste amerikanische Scharfschütze ist. Ein Film nach einer wahren Begebenheit, tragisch und noch dazu stirbt Kyle am Ende. "Da ist alles an Tragik erfüllt", meint Leistner. Er glaubt aber letztlich nicht, dass Cooper den Oscar erhält, immerhin sei er noch jung und habe noch genügend Chancen auf die Auszeichnung, weil er gut spiele.
Benedict Cumberbatch "Der Typ ist richtig gut", findet Leistner. Er spielt im Historienthriller "The Imitation Game" den Mathematiker Alan Turing, dem es gelang, den Enigma-Code zu knacken. Noch dazu ist Turing homosexuell und steht dadurch in einem Konflikt. Aber: "Er wird noch hunderte mögliche Oscarfilme drehen", meint Leistner.
Eddie Redmayne Auch seine Rolle in dem Film "The Theory of Everything" als Astrophysiker Stephen Hawking erfüllt alle Oscar-Kriterien, meint Leistner: Redmayne spielt ein nervenkrankes Genie, das sich mit der Liebe zu seiner Frau beschäftigt. Doch Leistner meint: "Redmayne ist im Kommen, kann den Oscar noch oft gewinnen."