Unsere Praktikantin Franziska Knobloch hat den drei Müller-Männern an einem ihrer stressigsten Tage über die Schultern geblickt: beim Kindertag auf dem Freischießen. Dabei hat sie nicht nur erfahren, wie man Eis und Mandeln macht.
Nach dem Kinderfestumzug habe ich mich von der Menge in das Bermuda-Dreieck spülen lassen. Leute mit und ohne Kinderwagen, in Trachten oder zivil wursteln aneinander vorbei, Jugendliche wirbeln im Break-Dance um den grünen Gremlin. Aus den Lautsprechern plärrt Helene Fischer ihr "Atemlos" über das Gemenge. Bis zum ersten Refrain halte ich durch, dann flüchte ich in Richtung Ausgang.
Der Strom an Festbesuchern wird schwächer, reißt aber nicht ab. Und er sorgt dafür, dass die Angestellten im Nürnberger Eispalast pausenlos zu tun haben: gebrannte Mandeln in Papiertüten schaufeln, Eis in Waffeln türmen, Zuckerwatte aufwickeln, Lebkuchenherzen aus dem Träubel schneiden. Die Luft ist erfüllt von Stimmengewirr, Blasmusik und dem warmen Geruch von frisch karamellisiertem Zucker.
Unter den zehn uniformierten Angestellten fällt Hilda Müller auf.
Denn statt im weißen Polohemd und orangener Schürze hinter der Theke zu stehen, sitzt sie in schwarzen Hosen und geblümtem Oberteil auf einem Stuhl und sieht dem Personal zu. "Seit 1952 habe ich jedes Schützenfest hier verbracht", erklärt die 78-Jährige stolz. Ihr Blick ruht auf dem endlos rotierenden Bronzetopf der Mandelmaschine.
Der damalige Geschäftsinhaber Ludwig Müller suchte nach Helferinnen. Ihre Freundin sagte zu, auch in ihrem Namen. Davon sei sie nicht begeistert gewesen, erinnert sich Hilda Müller, kam aber trotzdem mit. "Als der Chef mich sah, sagte er: ‚So ein hübsches Mädchen, das muss vorne an die Theke‘", schmunzelt sie. Auch sein Sohn, der ebenfalls Ludwig hieß, fand sie hübsch - acht Jahre später heiratete er sie. Vater und Sohn hießen von da an nicht mehr nur gleich, sondern hatten auch beide Ehefrauen aus Johannisthal.
Heute ist Hilda Müller Seniorchefin, ihr Mann ist bereits verstorben. Die Söhne Ludwig und Andreas haben das Geschäft vor 15 Jahren übernommen.
Hilda Müller sitzt gerne hier, zwischen Zucker-, Mandel- und Erdnusssäcken und der Theke. Nicht, um den anderen auf die Finger zu schauen, sondern um das Treiben zu beobachten: "Die machen schon ihr Zeug, da brauch' ich gar nix sagen."
Auch Andreas Müller bestätigt, dass seine Leute ein eingespieltes Team seien. "Eigentlich hat niemand eine feste Aufgabe. Alle verkaufen, packen ab, halten die Theke sauber. Nur die Herstellung ist Chefsache", lacht der 42-Jährige und gießt eine Kelle Wasser über die Mandeln. Es zischt, der typisch betörende Geruch steigt auf. "Aber wenns hart auf hart kommt, packen auch die Chefs mit an und verkaufen", fügt er hinzu.
Chefs probieren selbst
Während Andreas seine goldbraunen Köstlichkeiten vor den Augen der Freischießen-Besucher herstellt, rührt Ludwig die Rohmasse für das Eis in der Küche im hinteren Teil des Eispalastes an. Hier erinnert gar nichts an den Rummel-Trubel vor dem grellbunten Verkaufsstand - die schlichte, helle Küche mit Spülmaschine, sterilem Blechtisch und Zutatentöpfen könnte auch in einer Firmenkantine stehen. Die Eismaschine überbrummt die Blasmusik. Ludwig mixt Eimer um Eimer der kühlen Köstlichkeit. "Die genaue Mischung ist natürlich Familiengeheimnis", zwinkert er. Was vor 40 Jahren noch im Kessel mit Thermometer abgekocht werden musste, gießt der 46-Jährige in die italienische Eismaschine - diese pasteurisiert und kühlt die Masse automatisch und spuckt die kühle Köstlichkeit aus.
Jeden Tag Eis und gebrannte Mandeln herstellen, riechen, abpacken und sehen. Für zehn Tage Schützenfest ist das ja ganz schön, aber ständig? Schmeckt das denn noch? Ja, beteuert Andreas.
"Die meisten können sich das nicht vorstellen, aber wir probieren auch noch selber - sieht man ja", lacht er und tätschelt seinen Bauch.
Franziska Knobloch