Kronach ist nicht nur Cranach

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Lisa Stöhr muss derzeit noch in ihrem Wohnzimmer malen. Sie sucht nach einem eigenen Atelier mit großen Räumen. Fotos: Vanessa Schneider
Lisa Stöhr muss derzeit noch in ihrem Wohnzimmer malen. Sie sucht nach einem eigenen Atelier mit großen Räumen.  Fotos: Vanessa Schneider
Im Museum auf der Kronacher Festung ist seit neuestem auf das Bild "Diana und Aktäon". Der Jäger Aktäon überrascht die Göttin der Jagd und ihre Nymphen beim Baden. Diana errötet und bespritzt ihn mit Quellwasser. Aktäon verwandelt sich in einen Hirschen und wird von den eigenen Jagdhunden zerrissen (Quelle: Hatje Cantz: Cranach).
Im Museum auf der Kronacher Festung ist seit neuestem auf das Bild "Diana und Aktäon". Der Jäger Aktäon überrascht die Göttin der Jagd und ihre Nymphen beim Baden. Diana errötet und bespritzt ihn mit Quellwasser. Aktäon verwandelt sich in einen Hirschen und wird von den eigenen Jagdhunden zerrissen (Quelle: Hatje Cantz: Cranach).
 
Lisa Stöhr schätzt Cranachs Kunst: Die Gesichter seien nicht nur Abbildungen, sondern zeigten den Charakter der Menschen, sagt sie.
Lisa Stöhr schätzt Cranachs Kunst: Die Gesichter seien nicht nur Abbildungen, sondern zeigten den Charakter der Menschen, sagt sie.
 
Eva Schreiber-Dümlein
Eva Schreiber-Dümlein
 

Die Stadt ist für seinen mittelalterlichen Maler berühmt. Die Werke der Künstlerin Lisa Stöhr sind Cranachs Arbeiten gar nicht so unähnlich. Ein Spagat zwischen Renaissance und moderner Kunst.

Auf dem Sofa in Lisa Stöhrs Wohnzimmer steht ein meterhoher Keilrahmen. Die 41-Jährige ist in der Hocke daneben. Sie nimmt den Pinsel mit blauer Farbe in die Hand. Auf der Leinwand verlaufen die grünen Kleckse in blaue, orangefarbene Flächen stechen hervor.

Lisa Stöhr ist Künstlerin. "Am liebsten lege ich mehrere Bilder nebeneinander, wenn ich male", erklärt die Kronacherin. Die Gemälde brauchen viel Platz. Der Tisch und der Fußboden werden kurzerhand umfunktioniert und dienen als Atelier-Ersatz. Derzeit sucht Stöhr geeignete Räume für ihre Arbeit - natürlich in Kronach, der Cranach-Stadt.

Zäune gehörten zum Geschäft

Lucas Cranach hatte vor über 500 Jahren kein Atelier, es war eine ganze Werkstatt mit 20 bis 40 Mitarbeitern, erzählt Museumspädagogin Eva Schreiber-Dümlein.
Ihr Wissen über Cranach hat sie sich im Lauf der Jahre angelesen. Sie gibt Führungen durch das Museum in der Festung.

Im Mittelalter war die Malerei ein Handwerk. Lucas Cranach lernte in Kronach die Kunst von seinem Vater. Er nahm Auftragsarbeiten jeglicher malerischer Art an - vom Porträt bis hin zum Anstreichen von Zaunlatten.
Statt einer Handwerksausbildung studierte Stöhr Grundschullehramt in Nürnberg und entschied sich dann für ein Kunststudium. Dies sei nicht nötig, um malen zu können. "An der Akademie lernt man aber die Leute kennen", begründet sie ihre Entscheidung. Es war der Zugang zur Kunstszene. Ihr Studium führte sie nach Porto in Portugal, Berlin und Dresden.

Satire in Cranachs Bildern

Lucas Cranach ging auch auf Reisen. "Das war im Mittelalter üblich für Künstler", weiß Schreiber-Dümlein. In Wien malte er überwiegend Porträts von Kunden aus dem Universitätsmilieu. "Innovativ, expressiv und bewegt", beschreibt Schreiber-Dümlein den Malstil von Cranach in Wien. Stöhr findet Cranachs Bilder originell. "Gerade die Porträts haben so etwas Klares, Menschliches. Der Charakter der Leute kommt zum Ausdruck." Mit seinen Bildern erzählt Cranach Geschichten. Satire.

Wenn Stöhr zu Kohle, Stift oder Pinsel greift, hat sie Situationen, Geschichten und Szenen im Kopf. Diese Ideen mischen sich mit dem Abstrakten. Die Farbkleckse entwickeln sich weiter. "Ich plane nicht von Anfang bis Ende durch." Manchmal sind Figuren zu erkennen, ein andermal lassen die Formen oder die Intensität der Farben Gefühle entstehen. "Das soll aber jeder für sich erkennen", erklärt Stöhr. Manchmal verrät sie mit den Titeln ihrer Werke etwas über deren Geschichte. "Ich habe einfach Lust etwas zu erzählen und etwas zu entwickeln."
Heutzutage kann man als Künstler kaum von seinen Werken leben - das war bei Cranach anders. Doch er hatte dabei auch viel Glück: Der Fürst Friedrich der Weise aus Wittenberg und holte den Künstler zu sich an den Hof. Cranach erledigte Aufträge und war ein reicher Mann. Er malte dabei mit seinem Team im Akkord. Über 5000 Werke sollen in seiner Werkstatt entstanden sein. Er gilt daher als "schnellster Maler der Welt".

Malen was andere wollen

Malen, was andere wollen: Lisa Stöhr kann sich das für sich nicht vorstellen. Sie will mit ihrer Kunst unabhängig sein. "Bei Aufträgen sind einem immer Grenzen gesetzt."

Stöhr ist der Meinung, dass sowohl sie als auch Cranach Konflikten ausgesetzt sind. "Auf der einen Seite hat der Kunstmarkt bestimmte Anforderungen, auf der anderen Seite hat man immer den Anspruch, mit der eigenen Kunst bei sich selbst zu bleiben." Bei Cranach war der Konflikt ein anderer. Der Maler war mit Martin Luther befreundet und unterstützte ihn. Cranach hatte sowohl katholische als auch protestantische Auftraggeber. Manches seiner Bilder wirkt auf den ersten Blick typisch katholisch, dabei verstecken sich darin protestantische Aussagen, weiß Eva Schreiber-Dümlein.

Der Ausdruck der Farben ist beiden Künstlern wichtig. Cranach benutzte 25 verschiedene Pigmente und malte häufig auf gleichen Formaten. Farben und Materialien waren damals sehr teuer. Das ist heute ähnlich. Stöhr malt oft auf Papier, Cranach malte auf Holztafeln. Auch wenn 500 Jahre zwischen ihnen liegen, verbindet Lucas Cranach und Lisa Stöhr nicht nur die Stadt Kronach miteinander.