Kronach: Die Flüchtlinge können kommen

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140 "Betten" stehen in der Dreifachturnhalle schon für die Flüchtlinge bereit. Fotos: Lea Schreiber
140 "Betten" stehen in der Dreifachturnhalle schon für die Flüchtlinge bereit. Fotos: Lea Schreiber
Der Belegungsplan der Dreifachturnhalle ist zur Schulzeit voll.
Der Belegungsplan der Dreifachturnhalle ist zur Schulzeit voll.
 
Schon am Wochenende halfen BRK und Schüler bei den Vorbereitungen.
Schon am Wochenende halfen BRK und Schüler bei den Vorbereitungen.
 

In der Dreifachturnhalle am Schulzentrum ist alles für die Ankunft der Asylsuchenden in der kommenden Woche vorbereitet. Ob mit Schulbeginn die Halle wieder für den Unterricht genutzt werden kann, ist noch nicht klar.

Lehrer Christoph Först zeigt einen kunterbunten Plan, der nicht eine einzige Lücke aufweist. Es ist der Belegungsplan der Dreifachturnhalle zu Schulzeiten. Allein durch den Sportunterricht von Gymnasium, Realschule, Mittelschule und Pestalozzi-Schule ist die Halle montags bis freitags von der ersten bis zur zehnten Schulstunde voll besetzt, danach beziehungsweise am Wochenende trainieren dort auch Vereine oder es finden Veranstaltungen statt.

Jetzt fliegen dort allerdings keine Bälle. Vielmehr stehen dort Betten. Oder besser: Gerüste mit zum Teil nur dazwischen gespannten Laken. 140 solcher "Betten" stehen da und warten auf die Flüchtlinge, die im Laufe der kommenden Woche ankommen werden. Die Dreifachturnhalle am Schulzentrum wird Notfallunterkunft für Flüchtlinge.

"Flüchtlinge sind auch Chance"
Gemeinsam mit den Schulleitern der dort ansässigen Schulen, Hausmeistern, einigen Lehrern, Kreiskämmerer Günter Daum, Landratsamtssprecher Bernd Graf und der neuen Leiterin der Abteilung für Sicherheit und Ordnung, Belinda Quenzer, macht sich Landrat Oswald Marr (SPD) dort am Donnerstagmittag ein Bild von der Lage. Bereits am Wochenende hatten Schüler und Helfer vom BRK die Dreifachturnhalle auf die Ankunft der Flüchtlinge vorbereitet, Betten, Tische und Bänke aufgestellt.

"Die Notfallunterkunft ist etwas anderes als die dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen", erklärt Marr. Die Notfallunterkunft sei wie die zentrale Aufnahmestelle in Zirndorf. Hier kommen Flüchtlinge an, deren Daten erst abgeglichen, die untersucht werden müssen und für die erst danach das Asylverfahren eingeleitet werden kann. "Bei den zehn Flüchtlingen, die wir pro Woche dezentral unterbringen müssen, ist das alles nicht nötig, da läuft das Asylverfahren schon."

Die Regierung habe in ihrem Notfallplan vorgesehen, dass der Landkreis Kronach für bis zu 300 Flüchtlinge Räume vorhalten muss - und das ab spätestens 10. August. 140 Betten stehen schon in der Turnhalle, 30 sollen am Freitag noch aufgestellt werden, 100 seien noch kurzfristig abrufbar, wie Belinda Quenzer erläutert. Im Bereich der Dreifachturnhalle ist der Schlafraum, daneben gibt es in der Zweifachturnhalle einen Aufenthaltsraum mit Bierbänken und -tischen. Die Verpflegung erfolgt in der Mensa, die bestehenden sanitären Einrichtungen können ebenfalls genutzt werden. Auch einen Sicherheitsdienst wird es rund um die Uhr geben.

Der Landrat weiß um die Problematik, die die Schulleiter vor Ort ansprechen, ausgerechnet eine Schulturnhalle als Notunterkunft für Flüchtlinge heranzuziehen: "Wir greifen sehr ungern hier ein, weil die Halle mitten im Schulzentrum liegt und sie für den Unterricht benötigt wird", sagt er. Ein Notfallplan erfordere aber nun einmal Lösungen, die "in unser tägliches Leben eingreifen". Bewusst habe man den Ferienzeitraum gewählt, um zum einen den Unterricht nicht zu stören und zum anderen Zeit zu haben, um zu schauen, wie das Ganze läuft.
Von sechs bis acht Wochen ist derzeit die Rede, dass die Dreifachturnhalle als Notunterkunft gebraucht werde. Danach soll die Aufnahme abgeschlossen sein und die Flüchtlinge sollen dezentral untergebracht werden. "Wir bemühen uns, dass wir die Halle zu Schulbeginn wieder für den Unterricht nutzen können, aber versprechen können wir das nicht", sagt Marr. Falls das nicht klappt, sei der Sportunterricht zunächst ja noch im Freien möglich, außerdem gebe es auch noch Sporthallen an der Maximilian-von-Welsch-Realschule, am Kaspar-Zeuß-Gymnasium, an der Berufsschule und bei der Turnerschaft. Inwieweit es dort freie Kapazitäten gibt oder man etwas verschieben kann, muss allerdings noch geklärt werden.

Doch Marr betont bei allem Trubel vor allem eines: "Das sind keine Kriminellen, sondern normale Flüchtlinge, die auch eine Bereicherung für unsere Region sein können."

Er erwartet die Hilfe von den Bürgermeistern des Landkreises. Das hat Landrat Oswald Marr bei der Bürgermeister-Dienstbesprechung am Donnerstag unmissverständlich klar gemacht. Und die haben ihm in der Sitzung, die nichtöffentlich stattfand, auch ihre Unterstützung bei der Flüchtlingssituation zugesagt, erklärt Marr am Nachmittag gegenüber unserer Zeitung.

Die Hilfe, die er sich vorstellt, sieht konkret so aus, dass die Bürgermeister der 18 Kommunen im Kreis Adressen, Gebäude oder bebaubare Flächen in ihren Gemeinden und Städten nennen, die für die Unterbringung von Flüchtlingen in Frage kommen.

"Wir sind uns einig, dass es eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge auf den gesamten Landkreis geben soll, so dass keine Kommune überbelastet wird", berichtete Marr aus der Sitzung.

Vorwiegend geht es bei der Unterbringung von Flüchtlingen in den Gemeinden und Städten um die dezentrale Unterbringung, nicht um Notfallunterkünfte, wie nun am Schulzentrum. Dafür würden freie Wohnungen, Häuser und andere Gebäude oder aber eben auch bebaubare Flächen gesucht. Unbegleitete Jugendliche würden hingegen lediglich in der Kreisstadt selbst untergebracht.

Ob weitere Hallen für die Unterbringung benötigt werden - die Nordwaldhalle in Nordhalben war jüngst im Gespräch - ist noch unklar. Marr wollte keine konkreten Orte für die Unterbringung nennen. Er bat aber um Verständnis, dass in solchen Situationen eben Vereinstätigkeiten eingeschränkt werden müssten.

Einschränkung Das Landratsamt bittet um Verständnis, dass die mit der Flüchtlingsthematik beschäftigten Abteilungen stark eingespannt sind und Termine deshalb nur eingeschränkt möglich sind.

Hilfe Wer ehrenamtlich helfen will, kann sich an das Landratsamt wenden.



Kommentar von unserem Redaktionsmitglied Corinna Igler

Das Basketballtraining fällt aus, die Gymnastikstunde muss abgesagt werden. Für jemanden, der sich sportlich fit halten oder einfach nur unter Leute kommen will, der es gewohnt ist, an diesem einen festen Tag in der Woche zum Training zu gehen, mag es schlimm sein, wenn das plötzlich ausfällt. Und noch schlimmer, wenn man nicht weiß, für wie lange das sein wird.
Wenn das allerdings das einzige Problem der vielen Flüchtlinge wäre, wären sie wahrscheinlich sehr glücklich.
Versetzen wir uns doch nur mal in die Situation der Menschen, die im Laufe der nächsten Woche in Kronach am Schulzentrum ankommen werden: Zu dem Zeitpunkt haben sie eine tausende Kilometer lange Reise, vermutlich voller Angst und Ungewissheit, was sie erwarten wird, hinter sich.
Eine Situation, die wir uns gar nicht vorstellen können. Die wir nicht nachempfinden können, weil wir sie, wenn überhaupt, nur aus Erzählungen unserer Großeltern kennen.
Noch weniger können wir uns hineinversetzen in das, was diese Menschen vor dieser "Reise" erlebt haben. Immerhin sind sie wohl nicht geflohen, weil sie hier vielleicht einen besser bezahlten Job vorfinden oder Steuern sparen. Sie sind geflohen, weil in ihrer Heimat Krieg und Zerstörung herrscht. Sie sind geflüchtet vor Vergewaltigung oder Mord.
Und sicher hatten sie bei ihrer Flucht nicht nur Angst vor einer ungewissen Zukunft, sondern auch die Hoffnung auf Frieden und ein besseres Leben, ein menschenwürdigeres Leben. Und das hat doch jeder verdient - egal welcher Nation!
Wir sollten diesen Menschen also auch menschenwürdig begegnen. Was da allerdings teilweise im Internet und insbesondere in sozialen Netzwerken derzeit stattfindet, ist alles andere als menschenwürdig.
Solidarität, Respekt, Verständnis, Hilfe und Unterstützung sind nicht nur Schlagwörter, die wir aufgrund der deutschen Geschichte an den Tag legen sollten. Nein, es sind Begriffe, die selbstverständlich in unserem täglichen Leben sein sollten und die vor allem eins sollten: gelebt werden!
Und das lässt sich auch am Schulzentrum machen - auch wenn die Notunterkunft für Flüchtlinge vielleicht noch zu Beginn des neuen Schuljahres besteht und der Sportunterricht deshalb nicht stattfinden kann. Sicherlich ist das für die Schulen eine schwierige Situation. Die Kapazitäten in den umliegenden Sporthallen sind erschöpft. Wo soll also noch Sportunterricht abgehalten werden? Wie kann er ersetzt werden? Für diese Situation braucht es Verständnis, von allen Seiten: Schülern, Lehrern, Eltern.
Und dann kann diese Situation auch eine Chance sein. Eine Chance für Integration.