Halil Tasdelen kam mit neun Jahren aus der Türkei nach Deutschland. Er engagiert sich nicht nur in der Politik, sondern hält auch Vorträge über den Islam. Nicht, weil er jemanden bekehren, sondern weil er aufklären will. Am Freitagabend ist er um 19 Uhr im Gasthaus Desera in Friesen.
Halil Tasdelen ist ein zufriedener Mann. Doch es gibt Momente, da hat er eine richtige Wut im Bauch. Nämlich dann, wenn Menschen anders begegnet wird, nur weil sie anders sind. Dann, wenn Vorurteile herrschen, ohne dass man genau über ein Thema oder den Menschen Bescheid weiß. Und deshalb hält Tasdelen, der als Migrantenkind nach Bayreuth gekommen ist und mittlerweile dort für die SPD im Stadtrat sitzt, Vorträge. Den nächsten am Freitagabend in Friesen. Wir haben vorab mit ihm über sein Leben als Migrant, Politiker und Moslem gesprochen.
Wann sind Sie denn nach Deutschland gekommen?Das war im Februar 1983, da war ich neuneinhalb.
Und wie kam es dazu, dass Ihre Familie aus der Türkei nach Deutschland ging?Mein Vater ist 1973 schon zum Arbeiten nach Deutschland gegangen, zunächst für einen Monat.
Daraus wurde ein Jahr, dann vier, fünf und so weiter.Wir kannten unseren Papa nur aus dem Urlaub in der Türkei. Dann hat meine Mutter ihm die Pistole auf die Brust gesetzt und er hat daraufhin entschieden, uns mittels der Familienzusammenführung nachzuholen. Nur mein ältester Bruder durfte nicht mit, musste bei Verwandten in Anatolien bleiben. Für den so genannten Familiennachzug war er mit 16 Jahren schon zu alt.
Das heißt, Ihr älterer Bruder lebt nach wie vor in der Türkei?Ja, er war ein einziges Mal in Deutschland - illegal -, als er auf der Durchreise nach Belgien war. 1999 haben wir einen Antrag gestellt, dass er ein Urlaubsvisum bekommt, weil wir ein Familienfest hatten. Wir haben sogar angeboten, 50 000 Euro zu hinterlassen, um zu versichern, dass er nicht dauerhaft in Deutschland bleibt. Aber er hat nicht einmal ein Urlaubsvisum bekommen.
Wir haben damals viel geweint, mein Bruder war für uns jüngere Geschwister Bruder, Vater - ja alles zugleich. Unser Vater lebte ja in Deutschland, mein Bruder hatte also seine Rolle mitübernommen.
Und vor diesem Hintergrund geht mir die Hutschnur auf, wenn die Deutschen meinen, anderen die Menschenrechte klar machen zu müssen.
Wie ist denn heute Ihr Verhältnis zu Ihrem Bruder?Überragend. Wenn wir im Urlaub sind, ist ein Besuch bei ihm immer Pflicht. Unser Verhältnis hat zum Glück nie gelitten. Vielmehr hatten wir eine verdammte Sehnsucht. Damals gab es ja weder Whatsapp noch Facebook, worüber man sich heutzutage ständig austauschen kann.
Was bezeichnen Sie denn als Ihre Heimat? Deutschland oder die Türkei?Für die Türken bin ich Deutscher und für die Deutschen bin ich Ausländer.
Aber Bayreuth ist für mich meine Heimat, ich liebe Bayreuth und arbeite hier auch viel im Ehrenamt. Mittlerweile sind die Tasdelens aus Bayreuth nicht mehr wegzudenken.
Sie sind ja auch in der Politik...Ja, das hat damit angefangen, dass ich 2006 in meiner Firma angesprochen worden bin. Mein Abteilungsleiter hat mir damals gleich einen Aufnahmeantrag für die CSU hingelegt, dann bin ich also in die CSU eingetreten.
Aber sitzen Sie nicht für die SPD im Stadtrat?Doch, ich bin aus der CSU ausgetreten, als es um den Beitritt der Türkei in die EU ging und Angela Merkele damals geäußert hat, die Türkei gehöre nicht dazu. Durch meine Vorträge habe ich Max Oerthel von der SPD kennengelernt und bin 2008 in die SPD eingetreten.
Und sofort bin ich ich von Platz 16 auf Platz 8 vorgewählt worden, heuer auch wieder von Platz 8 auf Platz 2.
Sie halten relativ viele Vorträge über Ihre Geschichte und den Islam. Warum?Wo ich gebraucht werde, halte ich Vorträge, weil ich finde, dass wir den Menschen mit Integrationshintergrund etwas bieten müssen. Mir haben damals Vorbilder gefehlt.
In Friesen sprechen Sie morgen über das Thema Salafismus. Warum nehmen Sie sich diesen Themas an?Weil mir mein Glauben am Herzen liegt, es aber in der Gesellschaft Vorbehalte gibt.
Inwiefern?Moslem wird in einem Atemzug mit Terror und Extremisten genannt. Dabei hat Terror keinen Namen und keine Religion. Kämpfen hat mit keiner Religion etwas zu tun.
In meinen Vorträgen will ich aufzeigen, dass der Islam keine Gefahr darstellt und diese Religion auch zu Deutschland gehört - immerhin leben etwa vier Millionen Muslime in Deutschland.
Und wie ist die Resonanz darauf?Ich will die Leute nicht
bekehren, sondern
aufklären. Deshalb rege ich immer zum Diskutieren an. Die Besucher dürfen alles fragen. Einmal kam hinterher eine ältere Dame des Katholischen Frauenbundes auf mich zu und sagte: "Ihr seid ja eigentlich nicht viel anders als wir." Und genau das ist es. Auch wenn man etwas anderes glaubt, ist man nichts anderes, wir sind alle Kinder der Gesellschaft.
Was ist der Islam für Sie?Der Islam ist eine Religion der Toleranz.
Meine Mutter hat mir nie erzählt, dass die Christen schlecht sind, eben weil der Islam eine tolerante Religion ist.
Und was ist für Sie Salafismus?Salafisten sind diejenigen, die sich dazu bekennen, dass sie ihre Gebete verrichten, sich aber von Gewalttaten distanzieren. Nicht alle Salafisten sind Extremisten und nicht alle Extremisten sind Salafisten.
Sie sind viel ehrenamtlich tätig, nicht zuletzt auch bei ihren Vorträgen. Dass Sie so viel Zeit für andere investieren und so tolerant und hilfsbereit sind, hängt das mit Ihrer eigenen Geschichte zusammen, damit dass Sie von Ihrem Bruder getrennt aufwachsen mussten?Dass mein Bruder damals nicht mitkommen konnte, hat mich klar geprägt und prägt mich immer noch.
Aber vielleicht ist der Grund dafür, dass ich so agil bin, eher der, dass ich hoffe, dass der ein oder andere auch einen solchen Weg einschlägt, sich auch für andere einsetzt.
Ich hasse es, wenn man anderen Menschen anders begegnet, nur weil sie vielleicht anders sind. Es geht doch um ein Für- und Miteinander. Und dabei darf ein Kopftuch doch kein Hindernis sein.
... wie T. beschrieben wird ....!
Und ".. der Islam ist eine Religion der Toleranz ...." - schreibt T. Mir fehlt bei T. im Interview manchmal die Toleranz auf eine andere Meinung!
Und das mit dem Visum ....? 1999 gab es noch keinen Euro! Ob da alles Papst?
In der letzten Antwort auch noch " .... ich hasse es ....."!
Eine Religion und Hass??????