Kaugummiautomaten: Wer wird hier denn am Rad drehen?

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Für 20 Cent sind Süßigkeiten aus dem Automaten auszulösen. Foto: Marian Hamacher
Für 20 Cent sind Süßigkeiten aus dem Automaten auszulösen. Foto: Marian Hamacher
An dem Kaugummiautomaten in der Kronacher Andreas-Limmer-Straße gehen die Passante lieber vorbei, als dass sie stehen bleiben. Foto: Marian Hamacher
An dem Kaugummiautomaten in der Kronacher Andreas-Limmer-Straße gehen die Passante lieber vorbei, als dass sie stehen bleiben. Foto: Marian Hamacher
 
Foto: Marian Hamacher
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Kaugummiautomaten gehören seit Jahrzehnten zum Ortsbild und mit den nostalgisch anmutenden Kästen wird tatsächlich noch Umsatz erzielt.

Die zehnjährige Anna schüttelt den Kopf und meint: "Nö, da habe ich noch nie Geld rein geworfen." Ihre Geschwister Thea und Moritz stimmen dem zu. Keiner von den dreien hat jemals 20 Cent in Kaugummiautomaten gesteckt.

Bei vielen Besuchern der Facebook-Seite des Fränkischen Tags sieht dies offenbar anders aus. Schon wenige Minuten nachdem unsere Redaktion digital nach Standorten im Kreis Kronach fragte, hagelte es auch schon die ersten Hinweise. Grundtenor: nahezu überall. Nicht nur in Kronach, auch in Theisenort, Grössau, Wilhelmsthal, Weißenbrunn, Mitwitz, Schneckenlohe, Schwürbitz, Lettenreuth, Stockheim, Küps, Vogtendorf, Johanistal, Zeyern, Au, Friesen, Friedersdorf oder Wötzelsdorf sichteten unsere Leser die nostalgisch anmutenden Kästen. Es trudelten mehr Standorte ein, als sich an dieser Stelle abdrucken ließen.


Sinnfreier Inhalt

Doch bei bloßen Ortsangaben blieb es nicht. Allein das ebenfalls veröffentlichte Foto eines in die Jahre gekommenen Automaten schien auszureichen, tief in der geistigen Erinnerungskiste zu wühlen. "Ich fand die als Kind super", schrieb Nutzerin Bettina. "Die Automaten mit Spielsachen waren toll!"

Für zehn Pfennige ließ sich zu D-Mark-Zeiten das Plastikkreuz drehen, das eine klebrige Kugel zu Tage förderte. Schön waren die Dinger eigentlich nie. Die Automaten sind häufig verschmiert, viele von ihnen haben Brandspuren und machen einen ziemlich tristen Eindruck. Obwohl innen entweder bunte Kaugummis oder billige Spielsachen, die häufig viel zu schnell kaputt gehen beziehungsweise relativ sinnfrei sind, auf Käufer warten. Vor allem an Schulwegen, bei Kindergärten und Bushaltestellen gibt es sie noch.


Gut bekannte Zielgruppe

Dass die zum Teil verrosteten Kästen Passanten dazu bewegen, stehenzubleiben und eine der goldenen Cent-Münzen einzuwerfen, ist allerdings nur schwer vorstellbar. Der Automat in der Kronacher Andreas-Limmer-Straße etwa, scheint mit ähnlich großer Missachtung gestraft zu werden wie eine Sonnenbank im Hochsommer. Dennoch dürfte der silberne Drehknauf in den vergangenen Monaten einige Male benutzt worden sein. Denn von den in einer Plastikkugel umhüllten Spielzeugen lagern nur noch eine Handvoll hinter der milchigen Plexiglasscheibe.

Die Automatenaufsteller kommen ihrer Hauptkundschaft - den Kindern - gern ein bisschen entgegen. Sie kennen ihre Zielgruppe schon seit Jahrzehnten (siehe auch unten links auf dieser Seite). Aber die Alterung unserer Gesellschaft sorgt in der Aufsteller-Branche für Sorgenfalten. Weniger Kinder bedeuten nämlich geringere Umsätze. Im Fachjargon der Branche auch "Drehzahlen" genannt. Am besten liefen nach wie vor Kaugummis, meint ein Aufsteller, der nicht genannt werden möchte. Entscheidend sei in seinem Geschäft nicht so sehr die Gewinnspanne beim Verkauf eines Produkts, sondern vor allem die Drehzahl. Also, wie viele Kinder ihr Geld in den Automaten stecken.

"Wenn Sie ein Produkt mit viel Gewinn haben, das sich nur wenig verkauft, nutzt das nichts", meint der Geschäftsmann am Telefon. Um die Drehzahl am Münzrad hoch zu halten, werden daher neue Trends aufgegriffen - wie etwa beliebte Kinderfilme, deren Figuren dann kurze Zeit später in den Automaten liegen. Aber es gibt auch Klassiker: Etwa Flummis, Stinkbomben und supersaure Süßigkeiten.


Hohe Umsätze möglich

Lohnt sich denn das Geschäft mit den Kaugummiautomaten? Laut Einschätzung des Verbandes der Automaten-Fachaufsteller (Vafa) sei hier kein eindeutiges Ja oder Nein möglich. Es gebe durchaus noch Standorte, an denen hohe Umsätze bis zu 700 Euro im Jahr möglich seien. Andere Plätze würden nur 20 Euro abwerfen. Allerdings kommen Aufsteller mit ein paar Hundert Automaten nicht über die Runden. Um genügend Umsatz zu machen, braucht es schon mindestens 2000 solcher Apparaturen. Die Menge macht's also.

Die Behältnisse, in denen sich das Angebot befindet, werden übrigens im Schnitt alle drei Monate ausgetauscht. Insgesamt hat der Inhalt eines Automaten den Wert von 30 Euro. Verändert hat sich in der Branche in all den Jahren wenig. Mit einer Ausnahme: Die Einführung des Euro sorgte dafür, dass alle Kaugummiautomaten mehr oder weniger über Nacht auf die neuen Münzen umgestellt wurden.


"Wir verkaufen auch Freude"

Für die jungen Kunden hatte das teure Konsequenzen: Was früher zehn oder 20 Pfennige wert war, kostet seitdem das Doppelte. "Das Geschäft rentiert sich", meint der Aufsteller, der über 3000 Automaten in Süddeutschland betreibt. Hin und wieder würden sogar Kinder bei ihm anrufen und nach neuen Spielfiguren fragen: "Für Jungen und Mädchen ist es was Besonderes, wenn sie sich zum ersten Mal alleine etwas am Automaten holen. Wir verkaufen auch ein wenig Freude."

Wenig Freude bereitet aber das mutwillige Zerstören der Automaten. Am schlimmsten sei Silvester. Es soll sogar Aufsteller geben, die im Dezember die Geräte ab- und im Januar wieder aufhängen. Ein Standardautomat kostet übrigens rund 120 Euro. Und am Geschäft mit bunten Kaugummis und Spielsachen verdient sogar der Staat ein wenig mit. Kommunen regeln nämlich über eine Sondernutzungsgebührensatzung das Aufstellen der Kaugummiautomaten - für einen viertel Quadratmeter Fläche werden demnach in Bamberg fünf Euro pro Jahr an Gebühren fällig.


Zahlen gehen zurück

Offizielle Zahlen, wieviele Automaten in Kronach und Umgebung derzeit noch montiert sind, gibt es nicht. "Nach unseren Informationen sind sie jedoch deutlich zurückgegangen", sagt Bernd Graf. Der Pressesprecher des Kronacher Landratsamts kann sich aber noch gut daran erinnern, wie er in seiner Kindheit aufgeregt mit dem Taschengeld in der Hand auf dem Weg zu einem der Automaten war. "Früher war es noch etwas Besonderes, sich eine Süßigkeit zu kaufen. Mittlerweile ist damit ja alles übersättigt", erzählt der Pressesprecher.

Wie steht's aber um die Haltbarkeit der Waren in den Kästen? Die Antwort des Aufstellers: "So ein Kaugummi ist so gut wie unverwüstlich. Er wird nur mit der Zeit ein bisschen blass." Na, wer's mag...

Der Automat mit süßem Inhalt

Mechanik Kaugummiautomaten kamen in der Nachkriegszeit nach Deutschland. Sie sind rein mechanische Konstruktionen. Es wird eine Münze eingeworfen, welche beim Bedienen des Drehgriffs einen Mechanismus auslöst, der die Münze in den Sammelbehälter fallen lässt und die Ware, die sich meist in einem Plexiglasbehälter über dem Automaten befindet, freigibt und ins Ausgabefach fallen lässt.

Leuchtend
Die Automaten wurden mit der Zeit in ganz Deutschland an Hauswände gehängt und prägen bis heute so das Ortsbild mit. Es handelt sich dabei meist um Automatenbatterien, die im Prinzip zwei bis vier Automaten in einem Metallrahmen vereinigen, der in leuchtenden Farben lackiert ist. Jeder Einzelautomat hat ein Guckfenster, das den kleinen Kunden einen Blick auf den Inhalt ermöglicht.

Aufruf Auch in Ihrem Wohnort hängen noch Automaten? Dann schicken Sie uns ein Foto an redaktion.kronach@infranken.de. Alle eingesendeten Bilder werden auf unserem Online-Portal kronach.inFranken.de veröffentlicht. pg