Kasachstan statt Ballermann: Darum wählt ein Kronacher ungewohnliche Reiseziele

4 Min
Markus Oesterleins Pinnwand zeigt viele für einen 28-Jährigen überraschende Reiseziele. Fotos: privat
Markus Oesterleins Pinnwand zeigt viele für einen 28-Jährigen überraschende Reiseziele. Fotos: privat
Die Junge Union Kronach besuchte unter anderem das Transitzentrum Vinojug an der Grenze zu Idomeni (Griechenland). Oesterlein erhofft sich von solchen Reisen wichtige Eindrücke für Beruf und Politik. Foto: privat
Die Junge Union Kronach besuchte unter anderem das Transitzentrum Vinojug an der Grenze zu Idomeni (Griechenland). Oesterlein erhofft sich von solchen Reisen wichtige Eindrücke für Beruf und Politik. Foto: privat
 
Markus Oesterlein (r.) mit dem damals amtierenden mazedonischen Außenminister Nikola Poposki. Foto: privat
Markus Oesterlein (r.) mit dem damals amtierenden mazedonischen Außenminister Nikola Poposki. Foto: privat
 

Der Kommunalpolitiker und Beamte Markus Oesterlein ist weit weg vom Klischee des deutschen Pauschaltouristen. Mit seinen besonderen Reisezielen hat er inzwischen viele Gleichgesinnte angesteckt.

Eine Weltkarte ziert die Wand in Markus Oesterleins Büro. 23 rote Fähnchen stecken darin. Reiseziele. Doch wo andere ihre Marker auf den Kanaren, an der Adria oder in der Karibik platzieren würden, sind seine Nadeln über Afrika, Skandinavien, Osteuropa und den Fernen Osten verteilt. Warum er diese Ziele gewählt hat und wie das mit seinen politischen Ämtern und seinen Interessen zusammenhängt, erklärt Oesterlein im Interview.

Der 28-jährige Kronacher ist Stadtrat und Vorsitzender der Jungen Union (JU) im Landkreis Kronach. Beruflich ist er örtlicher Leiter der Ankereinrichtung Oberfranken in Bamberg. Alle drei Aufgaben bringen ihn - unabhängig von seinem persönlichen Interesse - mit anderen Kulturen in Kontakt. Dazu passt es, dass er zunächst alleine und seit rund fünf Jahren auch über von ihm organisierte Bildungsreisen der JU Urlaubsziele sucht, die abseits des Massentourismus liegen. Herr Oesterlein, wie kam es dazu, statt nach Italien oder Spanien lieber nach Kasachstan und Kirgistan zu fliegen? Markus Oesterlein: Im Jahr 2014 waren Austauschstudenten an der Hochschule für den öffentlichen Dienst in Hof. Da habe ich erste Kontakte in diese Länder geknüpft. Dort wollte man mehr über das deutsche Verwaltungswesen erfahren. Ich fand es gut, mal dort hinzufliegen, zumal ich eh ein Faible für Osteuropa habe. Wegen der Sprachbarriere bat ich die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) um Unterstützung. Die wurde mir gerne gewährt. Schon aufgrund meines Profils als Verwaltungsbeamter und Stadtrat galt ich für die Menschen dort als interessanter Ansprechpartner. Inwieweit konnten Sie auf dieser Reise im Jahr 2015 neue Kontakte knüpfen? Die Tage waren voller Termine. Zunächst war ich in Georgien. In Kasachstan habe ich dann den Direktor des Instituts für Public Policy der Nur Otan Partei, Sayasat Nurbek, getroffen. In Kirgistan kam ich mit einheimischen HSS-Stipendiaten und einem Staatssekretär zusammen. Letzterer hat mich zur kommunalen Gebietsreform befragt. Er wollte wissen, wie sie ablief und was wir daraus gelernt haben. Für jemanden, der 1990 geboren ist, war das gar nicht so einfach zu beantworten, aber ich konnte dann schon Stellung beziehen. Sie waren aber nicht nur im Osten Europas unterwegs? Nein, in der Folge ging es dann auf den Balkan. Ich war 2016 und 2017 in Mazedonien, Bosnien und im Kosovo. Unterstützt wurde ich dabei von der Konrad-Adenauer-Stiftung. Ich wollte meinen Schwerpunkt bewusst dorthin verlagern, weil die Migrationsdiskussion damals vermehrt in den Blickpunkt rückte. Wir waren mit etwa 25 bis 30 Teilnehmern der JU dort und haben uns unter anderem das Transitzentrum Vinojug an der Grenze zu Idomeni angesehen. Die Flüchtlinge im Zentrum wussten nicht, wer wir sind oder welche Funktion wir haben. Deshalb haben sie gefragt, ob wir ihnen im Einzelfall helfen können. Diese Hoffnung mussten wir zerstreuen. Gab es besonders positive Erlebnisse? Ja. Völlig überraschend hat sich der mazedonische Außenminister persönlich Zeit für uns genommen. Das war ein Wow-Erlebnis. Welche Eindrücke nahmen sie vom Balkan mit in Ihr berufliches und politisches Leben? Migration war damals ein zweiteiliges Schwerpunktthema. Gerade akademisch ausgebildete Jugendliche sahen dort keine Zukunft für sich. Daher kam es zum "Brain-Train", sie suchten also andernorts nach Perspektiven. Zugleich waren diese Staaten Durchgangsländer für die Flüchtlinge. Interessant war zu sehen, wie die Beratung vor Ort funktioniert hat, wie den Leuten der legale Weg erklärt wurde, um nach Deutschland zu kommen. Wie objektiv schätzen Sie Ihre Eindrücke von den Ländern ein? Für uns ist bei solchen Reisen wichtig, nicht nur mit staatlichen Stellen zusammenzusitzen. Wir wollen keine geschönte Wahrheit. Wir wollen ein Bild aus der Sicht der Regierung und der oft kritischen NGO (Nichtregierungsorganisationen). Wir verschaffen uns aber auch selbst einen Eindruck vom Alltagsleben. Wir sahen zum Beispiel, wie die Leute dort mit 300 bis 400 Euro im Durchschnitt auskommen müssen - und das Preisniveau ist in den Geschäften wider Erwarten selten niedriger als bei uns. Wohin ging es nach dem Balkan? 2018 habe ich wegen des Landtagswahlkampfs mal pausiert. Heuer ging es schon nach Marokko. Das war nicht so einfach, weil ich in der Schule Latein und kein Französisch hatte. Und die wenigsten Menschen dort sprechen Englisch. In der Hauptstadt Rabat trafen wir auf Vermittlung der dortigen Hanns-Seidel-Stiftung mit dem Vorsitzenden der Jugendregierung zusammen. Das ist ein beratendes Gremium. Auch dabei war die kommunale Selbstverwaltung ein Schwerpunkt, da sich das Land nach einer Verfassungsänderung gerade von seiner sehr zentralistischen Ausrichtung abwendet. Die Diskussion war sehr spannend und wurde sehr offen geführt. Aber auch dort ist es ein Problem, dass die klugen Köpfe abwandern. Es gibt eine hohe Jugendarbeitslosigkeit bei Akademikern, aber viele denken, sie müssen studieren. Wie finanzieren Sie solche Reisen? Das läuft komplett auf privater Basis. Die Stiftungen helfen bei der Terminkoordination oder wenn es bei einer Besprechung mal ein Essen gibt. Flug und Unterkunft tragen wir selbst. Da viele Schüler und Studenten dabei sind, achten wir aber auf günstige Konditionen. Für den Balkan lag meine Schmerzgrenze beispielsweise bei 250 Euro. Also keine Luxus-Aufenthalte? Nein. In Marrakesch haben sie beispielsweise groß geschaut, als ich sagte, dass sich ein Hotel wegen drei Stunden Aufenthalt nicht lohnt. Ich meinte nur, ob wir nicht so lange im Flughafen schlafen könnten. Das waren die Leute von so einer Delegation nicht gewohnt. Da fragt man sich, warum nicht doch lieber ins Sterne-Hotel und an den Strand? Wenn ich wegfahre, will ich was erleben, was entdecken und in eine andere Welt eintauchen. Ich möchte mir ein Bild von Ländern machen, von denen man oft nichts oder nur Negatives hört. Von solchen Reisen nehme ich unglaublich viel mit - privat wie beruflich. Oft erkennt man auch, wie viel Glück wir haben, in der EU zu leben und mit einem deutschen Pass frei reisen zu können. Die Fragen stellte Marco Meißner