Im Namen des Volkes: Schöffe Michael Wunder

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Als Schöffe hat Michael Wunder das Strafgesetzbuch fest im Blick. Einige Jahre war er auch Schöffe am Kronacher Amtsgericht. Foto: Jan Koch
Als Schöffe hat Michael Wunder das Strafgesetzbuch fest im Blick. Einige Jahre war er auch Schöffe am Kronacher Amtsgericht. Foto: Jan Koch
Anklage gegen Jerry J: Michael Wunders (ganz rechts) größter Fall am Coburger Landgericht. Archivfoto: Michael Gründel
Anklage gegen Jerry J: Michael Wunders (ganz rechts) größter Fall am Coburger Landgericht.  Archivfoto: Michael Gründel
 

Michael Wunder aus Nordhalben ist Industriemeister - und Richter. Genauer gesagt: Laienrichter. Seit 20 Jahren ist er daran beteiligt, wenn Urteile im Namen des Volkes gesprochen werden. Ein Ehrenamt, das ihm manchmal schwer fällt.

Wenn Michael Wunder aus Nordhalben sich zum Coburger Landgericht aufmacht, wirft er sich erst einmal in Schale. Hemd, Krawatte und Sakko sind Standard. Nicht, dass der 48-Jährige das sonst nie tragen würde, aber zu seinen Terminen im Gericht muss er sich schick machen. So zumindest interpretiert er den Passus im Leitfaden für Schöffen. Die Würde des Gerichts müsse sich auch in der Kleidung wiederfinden, heißt es darin. Für Angeklagte gilt das gleichermaßen wie für Schöffen, die ehrenamtlichen Laienrichter. Michael Wunder übernimmt dieses Ehrenamt seit knapp 20 Jahren - zuerst in Kronach und seit 2001, mit einer Unterbrechung, am Coburger Landgericht.


In der bayerischen Verfassung heißt es: "An der Rechtspflege sollen Männer und Frauen aus dem Volke mitwirken." Um das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz zu erhalten. Deshalb kommen Schöffen bei den Strafkammern und Jugendkammern der Landgerichte sowie bei den Schöffengerichten und Jugendschöffengerichten der Amtsgerichte zum Einsatz. In der Regel stehen zwei Schöffen einem Berufsrichter zur Seite.

Rund acht Termine im Jahr

"Mich hat das schon immer interessiert", sagt Michael Wunder. Schon in jungen Jahren. "Mein Onkel war Anwalt und ich war im Nordhalbener Gemeinderat Jugendbeauftragter." Deswegen bewarb er sich und "die Gemeinde Nordhalben hat mich dankenswerterweise vorgeschlagen." In seinen ersten vier Jahren am Kronacher Amtsgericht war er schnell mit der juristischen Fachsprache konfrontiert: StPO, BtMG, JGG - bis er sich zurechtfand, hat es ein wenig gedauert, schließlich ist der Industriemeister kein Jurist. Die Berufsrichter hätten ihm aber alles erklärt und sich auch Zeit genommen, wenn er noch Fragen hatte.

Rund acht bis neun Mal wird er pro Jahr als Schöffe eingesetzt. "Manchmal machen wir am Tag zwei oder drei kleinere Verhandlungen." Der Ablauf sei immer der gleiche: "Auf der Einladung steht bewusst wenig, weil sich die Laienrichter während der Verhandlung ihr eigenes Bild machen sollen", erklärt Wunder. Durch eine Hintertür kommen Schöffen und Berufsrichter in das Beratungszimmer. Aus einem einfachen Grund: "Wir dürfen mit den Angeklagten nicht in Kontakt kommen. Das könnte uns ein gewiefter Verteidiger vorhalten und damit den Prozess sprengen." Im Beratungszimmer unterhalten sich die Schöffen dann mit dem Berufsrichter. "Er gibt uns einige Informationen, schließlich kennt er die Akten des Falls von A bis Z. Das könnten wir Schöffen gar nicht leisten." Erst in der Verhandlung erfahre er dann, "was Sache ist".

Als Schöffe dürfe er Fragen stellen, sagt Michael Wunder, "aber das mache ich eher selten". "Unsere Hauptaufgabe ist die Urteilsfestlegung". Hier könnten die beiden Schöffen den Berufsrichter gar überstimmen - zumindest in der Kleinen Strafkammer. Laut Wunder kommt das aber so gut wie nie vor. "Die Richter sitzen nicht auf dem hohen Ross. Man bespricht sich gemeinsam und die Schöffen werden gehört. Dass es zu einer Kampfabstimmung kommt, ist selten." Der Richter klärt die Schöffen über das Strafmaß auf - alles geschehe miteinander. Ohnehin sei der Spielraum beim Urteil "eher gering". "Da geht es manchmal um ein oder zwei Monate Freiheitsstrafe hin oder her, weil das Gesetzbuch vieles vorschreibt." Schwieriger ist es, zu entscheiden, ob bei jungen Angeklagten Jugendstrafrecht oder Erwachsenenstrafrecht angewandt werden soll.

Elfeinhalb Jahre für Jerry J.

Im Prinzip gehe es nicht darum, "die Leute ins Gefängnis zu schicken, sondern sie wieder auf geordnete Bahnen zu bringen". Manchmal gehe es aber nicht anders. Wie im Frühjahr 2012: Michael Wunder hat mitentschieden, dass Jerry J., der die 16-jährige Linda getötet hatte, wegen Totschlags für elfeinhalb Jahre ins Gefängnis muss. "Wir hatten sogar einen Vor-Ort-Termin in der Wohnung, in der es passiert ist. Es war schon ein außergewöhnlicher Prozess."

Die öffentliche Aufmerksamkeit, weinende Angehörige im Sitzungssaal, der Fall sei schwierig gewesen. Noch belastender sei für ihn, "wenn Kinder sexuell missbraucht wurden". Solche Prozesse sind nicht in der Mehrzahl. "Mit Abstand am meisten" habe er es mit gefährlicher Körperverletzung zu tun, dicht gefolgt von Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Routine komme dennoch nicht auf: "Leicht zu fällen sind Urteile nie", betont Michael Wunder und natürlich beschäftige ihn das Gehörte. "Aber sobald ich das Gebäude verlasse, versuche ich, das Erlebte abzuschütteln", sagt er. Dann "ist der Fall für mich abgeschlossen".

Schöffe zu sein, sei ein "schwieriger Job", der aber spannend sei und ihm Spaß bereite, "weil man den Leuten meist helfen kann". Das hofft Michael Wunder zumindest. Deswegen werde er sich nochmal bewerben. Sollte er erneut gewählt werden, wird er noch bis 2018 dabei helfen, dass Urteile im Namen des Volkes gesprochen werden können. "Dann ist aber Ende." Nach 25 Jahren.

Noch bis zum 18. März können sich Interessierte, die gerne Schöffen werden wollen, bei ihrer Gemeinde melden. Die Kronach können sich hierinformieren.