Hilfloser Helfer: Thomas kann nichts mehr schmecken - weil ihm zwei Männer das Gesicht zertrümmerten
Autor: Teresa Hirschberg
Kronach, Samstag, 16. November 2019
Thomas Schneider wollte nur helfen. Doch dann landete er mit geprellten Rippen und einer zertrümmerten Nase im Krankenhaus. Mit den Folgen seiner Zivilcourage hat der 52-Jährige noch immer zu kämpfen - bei jedem Atemzug.
Das heiße Blut im Gesicht. Thomas* spürt es noch heute. Wie er zusammengekrümmt auf dem kalten Asphalt liegt, die Hände schützend über dem Kopf. Und wie die Schläge auf ihn niederprasseln. Thomas kann es nicht vergessen. Und trotzdem ist er zurückgekehrt. Nervös sieht er hinüber zu der Stelle, an der sich alles abgespielt hat. Sein Blick bleibt einen Moment lang hängen. Herzklopfen. "Mein Körper schlägt Alarm", sagt er leise. Dann wendet er sich wieder ab.
Versuchter Totschlag. Ein krasses Wort. Thomas hätte am 11. Mai 2018 auch sterben können, nichts anderes bedeutet die Juristenfloskel. Es ist das erste Mal, dass er seitdem wieder am Marienplatz ist. Zurück an dem Ort, an dem er doch nur helfen wollte. Eineinhalb Jahre ist es her, dass der 52-Jährige mit seiner Freundin abends nach Kronach fuhr. Er auf dem Motorrad, sie im Auto hinterher. Eine kleine Belohnung nach einem anstrengenden Arbeitstag sollte es werden. "Und weil ich doch so gerne Eis esse", verrät Thomas und muss lächeln.
Ihr Hund stromert an dem Abend über den Platz, während die beiden auf einer der Bänke an der Stadtmauer sitzen. Aus der Ferne beobachten sie, wie Jugendliche in Richtung Eisdiele schlendern. Pärchen verabschieden sich, Kumpels klatschen einander ab. "Sie waren fröhlich, haben total gute Laune versprüht", erinnert sich Thomas. Es ist ein schöner Frühlingsabend.
Etwas stimmt nicht
Plötzlich kommen zwei junge Männer aus einer Seitenstraße. Im Stechschritt marschieren sie auf die Gruppe zu. Auf einmal wird es laut auf dem Marienplatz. Die gerade noch so friedliche Gruppe bricht auseinander, Mädchen kreischen, schreien um Hilfe. Zwei "Backenklatscher" schallen über den Platz. "Da wusste ich, dass etwas nicht stimmt." Thomas wirft sein Eis auf den Boden und rennt los. Als er bei der Gruppe ankommt, packt er einen der Angreifer am Kragen. "Wie er mich angestarrt hat, den Blick werde ich nie vergessen." Den anderen versucht er, mit dem Ellenbogen abzuwehren. Doch der drischt unnachgiebig auf ihn ein. Fäuste treffen Thomas am Hinterkopf. Er geht zu Boden.
Thomas kann heute kein Eis mehr schmecken. Die Tritte ins Gesicht haben seine Nase zertrümmert, ihm seinen Geschmacks- und Geruchssinn geraubt. In einer aufwendigen Operation musste seine Nase komplett rekonstruiert werden. Mit jedem Atemzug wird er an die Tat erinnert. Wirklich genießen könne er Essen nicht mehr. Ob Rinderfilet oder Nudeln mit Ketchup, für Thomas schmeckt alles gleich. Nach dem Angriff litt er lange Zeit an Kopfschmerzen, bekam nur schlecht Luft und konnte nachts kaum schlafen. Seine Psychologin diagnostizierte zudem eine posttraumatische Belastungsstörung.