In Kronach sind im vergangenen Jahr fünf Hunde zu Therapiebegleitern ausgebildet worden. Die tierischen Helfer müssen verspielt, verfressen, geduldig und lieb sein. Für Golden-Retriever-Dame Lupita ist das kein Problem.
Lupita stupst mit ihrer kalten Schnauze an die Öffnung des Schlauchs, aber es kommt einfach kein Leckerli raus. Die Golden-Retriever-Dame mit dem goldbraunen Fell und dem roten Halstuch muss sich noch etwas gedulden bis Kunigunda Hecke den Happen aus dem Schlauch bugsiert. Dafür muss sich die 86-Jährige ziemlich anstrengen. Sie will aber unbedingt, dass Lupita den Hundekeks bekommt.
Dabei geht es in erster Linie gar nicht um Lupitas Futteraufnahme. Die Hündin begleitet ihr Herrchen Manfred Burdich bei einer Therapiestunde, Kunigunda Hecke ist die Patientin.
Der Keks aus dem Schlauch
"Du bist eine Liebe", lobt Hecke die Hündin. Der Schlauch ist mit zwei blauen Bändern zu einem Ring gebunden. In eine der beiden Öffnungen hat Manfred Burdich kleine Hundekekse geworfen, die am anderen Ende herausfallen sollen.
Dafür muss Kunigunda Hecke den Schlauch im Kreis drehen.
Lupita spitzt die Ohren, als sie die Leckerlis im Schlauch fallen hört - und endlich rollen die kleinen Happen heraus. Lupita kaut, Kunigunda Hecke lächelt, und Manfred Burdich ist zufrieden. Die Übung ist beendet.
"Hunde verbrauchen in zehn Minuten Therapie genauso viele Kalorien wie bei einer Stunde Spazierengehen", weiß Burdich, der den Beruf des Krankenpflegers gelernt hat. Auch wenn Lupita Spaß bei der Arbeit hat, braucht sie anschließend einen erholsamen Spaziergang oder ein wenig Schlaf.
Mehr als eine Therapiestunde am Tag will Burdich seiner siebenjährigen Hündin nicht abverlangen. Maximal fünf Patienten besucht das Gespann in der Woche.
Lupita ist im Kreis Kronach nicht der einzige Therapiebegleithund. Fünf Artgenossen und deren Besitzer wurden im vergangenen Jahr von Burdich und seinem Team ausgebildet.
Bei den Therapiebegleithunden unterscheidet man zwei Formen. Bei der tiergestützten Therapie begleiten die Hunde ihre Herrchen oder Frauchen bei deren Arbeit als Ärzte, Sozialpädagogen oder Physiotherapeuten. Haben die Besitzer einen anderen Beruf, der nichts mit Therapie zu tun hat, können die Hunde eine Besuchshundeausbildung absolvieren.
Direkt in Kronach ausgebildet
Ein halbes Jahr dauerte die berufsbegleitende Ausbildung beim Therapiehundezentrum der Kronacher Arbeitsgemeinschaft Mantrailing. Der Europäische Dachverband für tiergestützte Therapie hat die Ausbildung der Kronacher zertifiziert.
Während der Schulung übte Burdich mit den Hunden und Besitzern verschiedene Situationen. Therapiestunden der Begleithunde-Anwärter filmte er mit, um sie später mit den Teilnehmern anzuschauen.
Die Vierbeiner müssen typische Gegenstände kennenlernen. Ein Begleithund hilft wenig, wenn er Angst vor Rollatoren, Krücken oder einem Rollstuhl hat. "Stress müssen die Hunde abhaben können", erklärt Burdich die Vorgehensweise. Zuvor müssen sich die Hunde einer Wesensuntersuchung unterziehen. Ein aggressiver Hund hat in der Therapiestunde natürlich nichts zu suchen.
Besitzer werden geschult
Zusätzlich zu den Praxisstunden, werden die menschlichen Teilnehmer in der Theorie geschult. Themen wie Hygiene in Krankenhäusern, Erste Hilfe am Hund, Gesprächsführung oder spezielle Krankheitsbilder stehen auf dem Plan. Die Referenten kommen aus den eigenen Reihen der Arbeitsgemeinschaft. Darauf ist Burdich stolz.
Manche Menschen scheuten die Therapie, hätten vielleicht auch keine Lust, vermutet Burdich.
Wenn aber zu Beginn der Stunde ein Hund hineinspaziere, verhielten sich diese Menschen oft anders. Sie machten die Übungen mit, die sie sonst verweigert hätten. "Der Mensch merkt gar nicht, dass er therapiert wird. Der Hund ist die Motivation." Manfred Burdich bekommt viel positive Rückmeldung auf die Arbeit der Hunde und Therapeuten. Dieses Jahr möchte er weitere sechs Hunde ausbilden. Sein Wunsch ist es, ein Netzwerk aufzubauen.
Kreativität ist gefragt
Die Therapiestunden kann Burdich nur selten von Anfang bis Ende durchplanen. Manchmal wechselt er spontan die vorgesehene Übung, weil sie nicht zur Person passt oder diese dazu nicht in der Lage ist. "Ich will ja nicht immer die gleichen Übungen mit den Menschen machen. Das langweilt sie doch sonst", sagt er. Mit seinen Kollegen tauscht er sich dann aus.
Von Kunigunda Hecke wusste er nicht besonders viel.
Die Pfleger aus der Einrichtung "Leben am Rosenberg" haben ihm Bescheid gegeben, dass "es ihr gut tun würde". Die Feinmotorik solle ein wenig geschult werden.
Die nächste Übung: Das Apfelstückchen ist glitschig. Es rutscht immer wieder aus der Pinzette. Lupita muss sich noch ein paar Sekunden gedulden. Ohne zu zwinkern, starrt sie deshalb Kunigunda Hecke an.
Die 86-Jährige kneift die Frucht fest mit der Pinzette und balanciert das Apfelstückchen auf Lupita zu. Die Hündin reißt ihre braunen Kulleraugen weit auf und folgt mit ihrem Blick der Pinzette. "Jetzt aber!", sagt Kunigunda Hecke und lächelt, der Apfel fällt in Lupitas Maul.