Glockenläuten gegen Rechts - Verfahren eingestellt

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Der Kronacher Regionaldekan Thomas Teuchgräber hatte wegen der Glocken ganz oben im Turm der katholischen Stadtpfarrkirche St. Johannes der Täufer von der NPD eine Anzeige bekommen, denn er hat bis zum Ende einer Versammlung der Rechten auf dem Marienplatz geläutet und geläutet - und einfach nicht mehr aufgehört. Foto: Sonja Adam
Der Kronacher Regionaldekan Thomas Teuchgräber hatte wegen der Glocken ganz oben im Turm der katholischen Stadtpfarrkirche St. Johannes der Täufer von der NPD eine Anzeige bekommen, denn er hat bis zum Ende einer Versammlung der Rechten auf dem Marienplatz geläutet und geläutet - und einfach nicht mehr aufgehört.  Foto: Sonja Adam

Weil der Kronacher Stadtpfarrer während einer Kundgebung der NPD die Glocken der Stadtpfarrkirche St. Johannes geläutet hat, erhielt er eine Anzeige. Doch die Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren eingestellt.

Kann das Läuten von Glocken eine Straftat sein? Nein. Dies hat Regionaldekan Thomas Teuchgräber jetzt von der Staatsanwaltschaft Coburg schwarz auf weiß. Die Strafanzeige gegen den Kronacher Pfarrer, weil er im Juli 2013 während einer NPD-Kundgebung auf dem Marienplatz die Glocken der Stadtpfarrkirche St. Johannes der Täufer geläutet hat, hat für den Regionaldekan kein Nachspiel. Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt.
Für die Kronacher ist es ein vertrauter Klang, wenn die Glocken der ehrwürdigen Stadtpfarrkirche St. Johannes der Täufer morgens um 6 Uhr, mittags um 12 Uhr und abends um 18 Uhr zum traditionellen Angelusgebet läuten. Die Glocken schlagen die volle Stunde. Und die Glocken erklingen auch, wenn Gottesdienste gefeiert werden.

"Die Glocken läuten auch eine Viertelstunde vor den Gottesdiensten.
Die Glocken erklingen in Kronach auch zum Friedensgruß vor der Kommunion", erklärt Regionaldekan Thomas Teuchgräber. Und nicht nur bei diesen Gelegenheiten: Die Glocken der St.-Johannes-der-Täufer-Stadtpfarrkirche geben, zum Beispiel auch bei Beisetzungen auf dem Friedhof das letzte Geleit. So ist es bewährte Tradition.

Doch am 19. Juli in diesem Jahr war alles anders. Die Glocken erschallten nachmittags, weil der Pfarrer Absolventen der Realschule 1 mit einem feierlichen Gottesdienst verabschiedet hatte. Aber nicht nur. Auch während die NPD etwa zeitgleich auf dem Marienplatz eine Kundgebung abhielt, erschallten die Glocken von der Stadtpfarrkirche. Und sie hörten nicht mehr auf: Fast eine dreiviertel Stunde lang beschallte der Pfarrer aus dem Hintergrund die Versammlung.

"Ich war mir meiner Sache sicher. Das war keine Straftat und keine Ordnungswidrigkeit", sagt Teuchgräber. "Ich darf natürlich läuten, wenn ich zum Gebet aufrufen möchte. Und das wollte ich. Ich wollte ein Zeichen setzen und ich wollte die Menschen, die die Glocken hörten, zum Nachdenken bewegen", sagt Regionaldekan Thomas Teuchgräber.

Strafanzeige gestellt

"Dem Pfaffen wird das Läuten schon noch vergehen, wenn der Muezzin von seinem Kirchturm ruft", sollen die NPD-Redner kein bisschen amüsiert über dieses Zeichen gepoltert haben. "Ich gebe ehrlich zu, mein Glockenläuten war ein Protest, aber keiner, der zu irgendeinem Zeitpunkt die Sicherheit gefährdet hat. Wenn ich ein Störer bin, dann höchstens ein Hintergrundstörer", sagt Thomas Teuchgräber und betont, dass das Geräusch, das die Glocken verursacht haben, keinesfalls so laut war, dass man auf dem Marienplatz kein Wort mehr verstanden hätte. Es war eben nur da. Nicht mehr, nicht weniger. Aufgeregt hat das Läuten die NPDler offensichtlich trotzdem.

Nach der Aktion stellte die NPD Bayern Strafanzeige gegen den Kronacher Pfarrer. Der Vorwurf: absichtliche schwerwiegende Störung einer Versammlung. Auch von den Autofahrern, die die Veranstaltung mit Hupen quittiert haben, haben sich die Vertreter der rechten Szene die Autonummern aufgeschrieben und diese angezeigt. "Aber ich lasse mich durch so etwas nicht einschüchtern", sagt der Regionaldekan.

Von der Polizei vernommen

Im September wurde Thomas Teuchgräber von der Polizei vernommen. Und offen hat der Regionaldekan erläutert, dass er selbst die Glocken geläutet hat. Aber der Pfarrer hat auch erklärt, welche Bedeutung das Glockenläuten hat und was er damit ausdrücken wollte.

"Wenn ich zum Gebet einladen möchte, damit sich die Leute besinnen, dann darf ich das", sagt Teuchgräber. "Ich habe diese Aktion am Sonntag nach der NPD-Kundgebung auch in meiner Predigt in der Kirche erklärt. Und ich habe nur positive Rückmeldungen bekommen, sogar Beifall nach der Predigt", sagt Teuchgräber. "Da wurde mir bewusst, dass sich sehr viele Leute gefreut haben, dass ich Rückgrat gezeigt habe. Ich habe das wegen meines Gewissens gemacht", erklärt Teuchgräber sein kurzfristig überlegtes Handeln. Und offen fügt er hinzu, dass er bei solch einer Aktion, die in letzter Minute angemeldet wurde, so dass Gegenbewegungen keine Chance mehr hätten, sich eine Gegenveranstaltung genehmigen zu lassen, wieder so handeln würde. "Ich habe den NPD-Leuten ja immer ein offenes Gespräch angeboten und dieses Angebot steht nach wie vor, aber das wurde nie angenommen", sagt Teuchgräber.

"Einige Tage nach dem Läuten habe ich zwei anonyme Pamphlete bekommen", zeigt Teuchgräber die Schreiben. Das eine ist ein anonymer kopierter Brief, geschrieben mit einer alten Schreibmaschine, mit einem Bild aus der NS-Zeit, wo Mitglieder des rechten Regimes Kirchenvertretern die Hand schütteln. Der oder die Verfasser machten ihn darauf aufmerksam, dass sie auch Christen seien. "Aber unser christlicher Glaube ist gastfreundschaftlich. Man kann nicht sagen, dass die Ausländer verschwinden sollen. Das ist nicht mit unserem Glauben vereinbar", betont der Pfarrer. Bei dem anderen Schreiben handelt es sich um eine bedruckte Fotokarte "An den Kronacher und alle kirchlichen Glockenläuter und gegen rechts Streiter und Buntfreunde", die ein Bibelzitat für sich in Anspruch nimmt. Doch auch diese Mitteilung schockt den Kronacher Pfarrer nicht und ändert, wie er bestätigt, schon gar nicht seine Haltung.