Noch bis Ende Mai sind in Nordhalben Fotos zu sehen, die vor über hundert Jahren aufgenommen wurden.
Leicht verschmitzt lächelt die junge Frau in die Kamera. Angestrengt wirkt sie nicht. Dabei hätte sie allen Grund dazu: Daumen und Zeiggefinger der rechten Hand müssen eine gepflückte Blume, die linke Hand einen Rüschen besetzten Sonnenschirm halten. Und der Strohhut soll ja auch noch irgendwie ruhig auf der Hochsteck-Frisur verweilen - unter der sich wohl derselbe Satz immer und immer wieder wiederholen dürfte: "Bloß nicht bewegen!" Der leicht eingedreht neben neben ihr stehenden gleichaltrigen Frau ergeht es wohl nicht viel anders.
Rund eine Viertelsekunde müssen sie stillhalten, ehe das Bild belichtet ist. Was in Zeiten schneller Smartphone-Schnappschüsse wenig spektakulär klingt, ist für die beiden Frauen eine Herausforderung. Immerhin befinden sie sich nicht im
Nordhalben der Gegenwart, sondern des gerade begonnenen 20. Jahrhunderts. "Das ist eines meiner Lieblingsbilder, es ist ein fotografisches Meisterwerk. Allein was Motivaufbau und Gestaltung angeht", schwärmt Otmar Adler. Rund 200 solcher Bilder, die Menschen aus Nordhalben oder Gebäude der Frankenwald-Gemeinde zwischen 1900 und 1930 zeigen, stellt der 77-Jährige zusammen mit der Bürgerinitiative "NohA" im Nordhalbener "Alten Schulhaus" aus.
"Habe mich wie ein Archäologe gefühlt"
Was dort noch bis Ende des Monats zu bestaunen ist, wäre der Nachwelt beinahe verloren gegangen - wenn bei dem Amateur-Fotografen vor 38 Jahren bei dem Wort "Krempel" nicht die Alarmglocken geschrillt hätten.
1978 unterhielt er sich mit Andreas Köstner, der aus einer alten Nordhalbener Familie stammte und von Foto-Glasplatten seines Onkels Johann erzählte, die in seiner Scheune lagern. "Diesen ,Krempel' wollte er entsorgen. Damals gab es keinen, der sich für so etwas interessierte", erinnert sich Adler. Bei dem Gründer der Fertighausfirma "Adlerhaus" sah das anders aus. Seit er mit 13 Jahren erstmals mit einer Kamera um den Hals durch die Gegend lief, packte ihn für die Techlologie eine Begeisterung, die ihn bis heute nicht mehr losließ. "Als ich die Platten sah, habe ich mich wie ein Archäologe gefühlt, der auf den Schatz einer Königin gestoßen ist", sagt Adler.
Fast 400 Platten unterschiedlichster Größe lagerten in der Scheune, rund die Hälfte war noch nutzbar. "Zum Teil waren die stark verwittert", erzählt er. Nachdem seine Frau Heidi alle gereinigt hatte, entwickelten beide in der heimischen Dunkelkammer die Aufnahmen aus schon damals historischer Zeit. Die erste kleine Ausstellung folgte ein Jahr später anlässlich der erstmaligen urkundlichen Erwähnung von Nordhalben vor 825 Jahren. "Damals kamen 90-Jährige Zeitzeugen vorbei, dank denen wir einige Personen auf den Bildern identifizieren konnten. "Die haben Tage in den Räumen verbracht, um den Jüngeren von der damaligen Zeit zu erzählen", erinnert sich Adler. Nun, da die älteren Besucher der letzten Ausstellung alle gestorben seien, sei es, als "ob man ein Pharaonengrab öffnet".
Dass Omar Adler nun in gleich zwei Räumen die Bilder längst vergangener Zeiten späteren Generationen zugänglich macht, hat nicht nur damit zu tun, dass er als Rentner jetzt die nötige Zeit hat: "Es sind viele Hundert Stunden dafür draufgegangen, aber das ist egal. Schließlich ist es mein Hobby." Entscheidend sei auch gewesen, dass dank der Digitalfotografie die Bilder noch einmal bearbeitet werden können. "Ich habe sie daher digitalisiert und Flecken oder Risse entfernt", sagt er.
Details zu entdecken
Wer nun durch die Ausstellungsräume laufe, fühle sich gleich in eine andere Zeit versetzt. Denn fast noch wichtiger als die Menschen auf den Bildern sei auch der Hintergrund, der einiges über die Zeit verrate. Etwa ein Schuppen, vor dem das Bild aufgenommen wurde. Doch auch Details gibt es zu entdecken. "Viele haben auf den Bildern zum Beispiel keine Schuhe an. Man ist damals im Sommer Barfuß gelaufen. Das war einfach so", erzählt Adler. "So ein junger Mensch weiß doch gar nicht mehr, wie die Situation war." An den kommenden beiden Wochenenden gewährt die Ausstellung noch einen Einblick.
Gesichter Nordhalbens
Ausstellung Noch an diesem sowie dem kommenden Wochende kann die historische Fotoausstellung "Gesichter Nordhalbens" zwischen 14 und 17 Uhr im "Alten Schulhaus" besucht werden. Der Eintritt beträgt vier Euro.
Fotograf Nach Informationen von Otmar Adler wuchs der Fotograf Johann Köstner in Nordhalben auf und lebte einige Zeit in Amerika, ehe er um 1905 zurückkehrte. Aus den USA brachte Köstner, der hauptberuflich beim Amtsgericht arbeitete, eine so genannte Balgen-Kamera mit. Adler vermutet, dass es in Nordhalben die einzige Kamera in Privatbesitz war. Damit fotografierte Köstner im Nebenberuf Feiern wie Hochzeiten oder Kommunionen.
Fotoplatten Bis Zelluloid erfunden wurde, war Glas für die ersten Fotografen das Trägermaterial der Wahl.
Fernsehen Am morgigen Sonntag berichtet der Bayerische Rundfunk um 17.45 Uhr in der "Frankenschau" über die Ausstellung.