Ein Leben in Stein gemeißelt

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Heinrich Schreiber in seinem Element Foto: Mariell Dörrschmidt
Heinrich Schreiber in seinem Element Foto: Mariell Dörrschmidt

Zum 80. Wiegenfest kann Bildhauer Heinrich Schreiber auf eine erfolgreiche Schaffenszeit voller einzigartiger Kunstwerke zurückblicken. Auch noch heute ist er täglich in seiner Werkstatt vor Ort, um seiner Arbeit und Leidenschaft nachzugehen.

In Großvaters Fußstapfen ist Heinrich Schreiber zum Bildhauer der Stadt geworden. Seine zahlreichen Arbeiten zeigen den einzigartigen Stil und die Vorliebe zum Kronacher Sandstein. Von Altären, Statuen und Brunnen bis zu Martern erarbeitete er in all den Jahrzehnten ein großes Repertoire an ausgezeichneten Werken. "Steinalt" ist Heinrich Schreiber deshalb aber noch lange nicht. Im Gegenteil: Mit seinen 80 Jahren, kann sich der Bildhauer und Steinmetz glücklich schätzen, wenn er jeden Morgen sein Atelier aufschließt und sich mit großer Freude an die Arbeit macht. Es scheint fast so, als stünde dort die Zeit still.

In einem Raum, in dem er Erinnerungen, Arbeiten und Ideen sammelt und aufarbeitet. Wie ein riesengroßes Mosaik fügen sich Skizzen, Modelle, Bilder und Arbeiten zu seiner ganz persönlichen Lebensgeschichte zusammen. Es ist seine langjährige Erfahrung, sein Gespür für Ästhetik und Zeichensprache und seine Leidenschaft die ihn jeden Tag aufs Neue inspiriert und antreibt.

"Alles begann mit den Vasen meines Großvaters", erzählt Heinrich Schreiber und erinnert sich an die Zeit zurück, die nicht nur sein Interesse wecken, sondern auch sein Leben im Kunsthandwerk bestimmen sollte.

"Mein Opa war so ein staubiger Bursche. Er hatte keinen Betrieb, war bei Steinbruchbesitzern oder Baumeistern angestellt, die gerade Aufträge im Sandstein hatten. Wir Enkel hatten oft die Aufgabe, dem Großvater das Essen zu bringen, je nachdem wo er gerade angestellt war." Und so konnte er die Arbeiten wachsen sehen, wie aus rohen Steinquadern Treppenstufen, Türgewänder, Fensterstöcke, Gartenpfosten oder Grabsteine wurden. Sogar schwänzte er einmal die Schule, weil er nicht verpassen wollte, wie eine Kugel gearbeitet wird: "Ich beobachtete die Sache ganz genau und wusste seitdem wie eine Kugel gearbeitet wird. Später habe ich oft Kugeln gemacht und in unserer Sommerakademie einigen dieses Wissen weiter gegeben: ein exakter Würfel und eine Viertelkreisscheibe."

Es ist ein Beruf mit dem er aufgewachsen ist: "Unsere Knabenschule wurde damals im Krieg von einer Bombe getroffen. Das ganze Treppenhaus, Ziegeldach, Fenster, Masswerke und Steinrippen- alles Schutt", entsinnt sich Schreiber daran, wie Maurer und Steinmetze, darunter auch sein Großvater, in mühsamer Arbeit das Gebäude wieder herrichteten.

Doch vor allem Opas Steinvasen haben es dem jungen Heinrich Schreiber angetan. Immer wenn sein Großvater an einer solchen Vase arbeitete, hatte er selbst die Gelegenheit, sehr nahe dabei zu sein. Dann konnte er mit Steinschroppen spielen, ein Steinstück am anderen schleifen, sodass ein Fisch, Frosch oder auch ein Gesicht daraus entstand: "Er hat sie zuhause für sich oder als Geschenk für Verwandte gearbeitet und ich habe ihm zugeschaut", freut sich Heinrich Schreiber noch heute über die schönen Momente mit seinem Großvater, die Anlass für seine Steinmetzausbildung und Steinbildhauerausbildung waren: "Nach der Schule kam ich mit 14 Jahren nach Staffelstein in die Lehre bei Meister Georg Pöhner. Steinmetze werden zu allen Zeiten gebraucht - für Kirchen und Dome, Burgen, Schlösser, Häuser, Menschen, Grabsteine, Kriegerdenkmäler und vieles mehr.

In meiner Lehrzeit waren es noch die Gefallenen des Krieges. Tausende von Buchstaben haben wir Lehrlinge in Stein geklopft. "Einmal kam zu Heinrich Schreibers Lehrzeit ein Mann in die Staffelsteiner Werkstatt und teilte ihm mit, dass ein Bildstock umgefahren wurde und er sich darum kümmern solle. Dass Schreiber nur ein Lehrbub zu dieser Zeit war, wollte der Auftraggeber nicht akzeptieren: "Es ist die Aufgabe der Jugend, das Erbe der Vorfahren zu erhalten", zitiert er Pater Martin Kuhn und beschreibt somit Bedeutung und Stellenwert seines Berufes. Während er jeden Tag mit dem Zug nach Staffelstein fuhr, hatte er zu Hause eine kleine Werkstatt im alten Waschhaus, wo er modellieren, zeichnen und mit Gips rumprobieren konnte: "Ich habe schon immer gerne gezeichnet und modelliert", erzählt Schreiber über seinen Weg zur Akademie der bildenden Künste in München, die er von 1955 bis 1960 besuchte: "Freunde oder Begleiter in der Jugend, mein Freund Willi, die Kaplane Norbert Przybillok und Walter Brandmüller, so auch meine Freundin Hedwig waren der Meinung, ich müsse an die Kunstakademie. Nachdem ich mich beworben habe, wurde ich zu einer drei tägigen Prüfung eingeladen." Kopfmodellierung, Aktzeichnen, Erstellen eines Modells für einen Wandbrunnen sowie ein Gespräch mit Professor Josef Henselmann führten den jungen Heinrich in einen neuen Lebensabschnitt: "Der Professor hat gerne Leute genommen, die vom Handwerk kamen." Und so begab es sich, dass er in die Schar der Bildhauer und Kunststudierenden aufgenommen wurde. Diese Zeit prägte den Künstler wohl so maßgeblich, dass er bis heute erfolgreich in der Bildhauerkunst tätig ist: "Das ist nicht selbstverständlich. Nur etwa vier Prozent können von eigener Kunst leben", gesteht der Bildhauer und erinnert sich freudig an seinen Professor, der seinen Schülern damals verkündete, dass ihm noch keiner verhungert sei. Und der Erfolg sei sicherlich auch darin begründet, dass sich Heinrich Schreiber vor keiner Arbeit scheut: "Die einfachen Dinge gehören auch gut gemacht", weiß der Experte, der sich mit dieser löblichen Einstellung von Treppen, Fensterbänken und Türumrahmungen zu wahren Kunstwerken und Denkmälern hocharbeitete, die weit über die Grenzen des Landkreises berühmt sind. Seine künstlerische Handschrift lässt sich vor allem in Kirchen wieder finden, die er mit Altären, Heiligenfiguren oder anderen Auftragsarbeiten bereicherte. Dabei achtet der Kenner auch stets darauf, dass sich die Formen in das vorhandene Bauwerk gut integrieren lassen und auch im Kontext zum Glauben stehen. So war ein besonderer Anlass beispielsweise die Kirche in Schwürbitz, die von seinem Großvater begonnen und von ihm selbst weiterentwickelt wurde. Neben seinem erfolgreichen Berufsleben als Künstler, Ehrenbürger und langjähriger Mitarbeiter der Pfarrei ist Heinrich Schreiber auch privat in seinem Leben reich beschenkt worden. Mit seiner Frau Hedwig hat er vier Kinder, die in engem Kontakt zu ihm stehen und das künstlerische Gespür des Vaters erbten. Sohn Johannes beschäftigt sich mit Glaskunst, Tochter Mechthild ist Lehrerin für Handarbeit und Tochter Eva Museumspädagogin. Sein zweiter Sohn tritt sogar direkt in die Fußstapfen des Vater: "Mein Sohn Tobias ist genau wie ich Bildhauer geworden", freut sich Schreiber und fügt hinzu: "Es ist schön, wenn jemand weiter macht und ich das Wissen, die handwerkliche Tradition und das Werkzeug weitergeben kann."

Wenn Heinrich Schreiber nicht gerade in seinem Atelier in Kronach oder seiner Werkstatt im Dobersgrund ist, dann fährt er zusammen mit seiner Frau Freunde besuchen oder besichtigt gemeinsam mit ihr frühere sowie geplante Auftragsorte: "Ich bin selbst nie Auto gefahren, dafür hat meine Frau den Führerschein. Wir sind immer zu zweit unterwegs." Morgen wird Schreiber seinen 80. Geburtstag ab 17 Uhr in der alten Markthalle des Historischen Rathauses feiern. Anstelle von Geschenken freut sich Heinrich Schreiber über eine Spende für ein Buchprojekt, das er in Zusammenarbeit mit dem Verein "1000 Jahre Kronach" verwirklichen möchte.