Ein Grundstück ohne Zufahrt: Warum das jahrzehntelang niemanden störte - bis jetzt

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Um ihr Haus zu erreichen, muss Susanne Fischer die Spitze des Grundstücks eines Nachbarn überqueren - doch dafür hat sie keine Erlaubnis. Foto: Sandra Hackenberg
Um ihr Haus zu erreichen, muss Susanne Fischer die Spitze des Grundstücks eines Nachbarn überqueren - doch dafür hat sie keine Erlaubnis. Foto: Sandra Hackenberg
Mitten auf den Zufahrtsweg zum Haus von Susanne Fischer wurde ein Busch gepflanzt. Sie vermutet eine Blockade der Nachbarn. Foto: Sandra Hackenberg
Mitten auf den Zufahrtsweg zum Haus von Susanne Fischer wurde ein Busch gepflanzt. Sie vermutet eine Blockade der Nachbarn. Foto: Sandra Hackenberg
 
Die Grundstücke sind teilweise mit Absperrbändern, Ketten und Zäunen in merkwürdiger Anordnung abgegrenzt. Foto: Sandra Hackenberg
Die Grundstücke sind teilweise mit Absperrbändern, Ketten und Zäunen in merkwürdiger Anordnung abgegrenzt. Foto: Sandra Hackenberg
 
Die Grafik zeigt die Stelle, die Susanne Fischer passieren muss, um von der Hauptstraße zu ihrem Zufahrtsweg zu kommen. Dafür muss sie aber ein privates Nachbargrundstück überqueren, was sie nicht darf.
Die Grafik zeigt die Stelle, die Susanne Fischer passieren muss, um von der Hauptstraße zu ihrem Zufahrtsweg zu kommen. Dafür muss sie aber ein privates Nachbargrundstück überqueren, was sie nicht darf.
 

Susanne Fischer besitzt ein Haus, das sie laut Katasteramt gar nicht erreichen kann. Der Planungsfehler störte über Jahrzehnte niemandem - bis jetzt.

Was bringt ein Eigenheim, wenn es nicht zu erreichen ist? Diese Frage stellt sich Susanne Fischer aus Kaltenbrunn. Dort hat sie vor 18 Jahren ein Haus samt Grundstück in scheinbar idyllischer Lage nahe des Waldes gekauft. Doch mit der Idylle ist es seit geraumer Zeit vorbei.

Rote-weiße Absperrbänder, Ketten und Zäune, die in merkwürdig anmutender Anordnung Grundstücke abgrenzen, deuten schon von weitem auf das hin, was sich in dieser Nachbarschaft abspielt: Die Anwohner haben sich in den vergangenen zwei Jahren komplett zerstritten. Der Grund: Es ist nicht geklärt, wie Susanne Fischer ihr Grundstück von der öffentlichen Straße aus erreichen kann.

Zwar ist die Zufahrt im Grundbucheintrag geregelt. Doch um diesen Weg überhaupt zu erreichen, muss Fischer über das Grundstück ihres Nachbarn Klaus Schneider fahren, das zwischen öffentlicher Straße und Zufahrtsweg spitz zuläuft - und dafür besteht keine Erlaubnis. "Das haben schon die Vorbesitzer so gemacht", erklärt Fischer. "Die Fahrten zum Haus wurden über Jahrzehnte geduldet. Da haben bereits 1972 zwei Notare im Grundbucheintrag einen Fehler gemacht."

Die 50-Jährige ist sich sicher: "Die Baugenehmigung hätte so niemals erteilt werden dürfen." Zwar besagt ein Schriftstück aus dem Mitwitzer Gemeinderat von damals: "Der Bauherr hat ein Geh- und Fahrtrecht über die Grundstücke nachzuweisen." Dieser Nachweis sei jedoch nie erbracht worden.

Die unklare Rechtslage war im Müßweg nie ein Problem, bis zwischen Fischer und ihren direkten Nachbarn, an dessen Grundstück sie vorbeifahren muss, um ihr Haus zu erreichen, ein Streit entbrannte. "Dann fing das an, dass die Zufahrt sukzessive blockiert wurde: unter anderem mit gepflanzten Büschen, Steinen und einem Briefkasten", behauptet die Psychotherapeutin, die alles mit Fotos dokumentiert hat.

Als sie genug hatte, forderte Fischer ihre Nachbarn schriftlich dazu auf, die Zufahrt wieder freizumachen - daraufhin habe sie der Mitwitzer Bürgermeister Hans-Peter Laschka angerufen: "Er hat mir erklärt, dass eine Spitze an meinem Zufahrtsrecht fehlt und Herr Schneider nicht mehr möchte, dass ich über sein Grundstück fahre." Somit müsse ihre Zufahrt verlegt werden.

Alle Beteiligten trafen sich vor Ort, um zu klären, wie die neue Zufahrt aussehen soll "Es wurden mehrere Möglichkeiten angeboten, wie die Zufahrt verlegt werden kann. Aber aus mir unverständlichen Gründen hat Frau Fischer jede davon abgelehnt", sagt Laschka. Mehrmals sei er als Streitschlichter im Müßweg gewesen. "Die Situation ist total verfahren. Jeder zeigt hier jedem seine Grenzen auf." Inzwischen sei er es leid, zwischen den Parteien zu vermitteln. "Ist das der Dank für guten Willen? Frau Fischer soll jetzt sehen, dass sie auf anderem Weg eine Lösung findet."

Alle in Frage kommenden Varianten würden bedeuten, dass die neue Zufahrt durch das Grundstück von Schneider führt. Dem hat er laut eigener Aussage auch selbstlos zugestimmt, "um allen einen Gefallen zu tun. Davon hätte am Ende jeder Vorteile gehabt." Da ihm Fischers Verhalten jedoch mittlerweile gegen den Strich gehe, sei auch er nicht mehr kompromissbereit.

Fischer hingegen behauptet, sie die einzige gewesen, die allen Varianten zugestimmt hätte - vielmehr hätte jedes Mal eine der anderen Parteien Einwände gehabt. Inzwischen möchte aber auch sie nicht mehr, dass die Zufahrt verlegt wird. "Das Problem ist, dass der Müßweg in dem Bereich, in dem die Zufahrt von der Straße aus abgehen soll, als Feld- oder Waldweg gewidmet ist." Wie dieser befahren werden darf, ist laut Fischer, die diesbezüglich die Gesetzeslage studiert hat, unklar: "Ein Feldweg ist nur bedingt befahrbar, ein Waldweg ist - außer in Ausnahmefällen - grundsätzlich verboten zu befahren."

Bedenken wurden abgetan

Diese Bedenken seien vom Bürgermeister jedoch lapidar abgetan worden. Fischer befürchtet, dass sie ihr Grundstück in dem geschilderten Fall gar nicht mehr erreichen kann, wenn sie ihr bestehendes Wegerecht abgibt. "Da hätte es keine Probleme gegeben", glaubt hingegen Schneider zu wissen.

Die Mutter eines erwachsenen Sohnes traut dem Braten jedoch nicht mehr und beharrt auf ihrem bestehenden Recht: "Ich möchte zusätzlich zu meiner Zufahrt ein Recht zur Überfahrt des Grundstücks von Herrn Schneider."

In einer Sache sind sich alle Beteiligten zumindest einig: Mit Gesprächen kann hier keine Einigung mehr herbeigeführt werden. Fischer und Schneiden haben sich inzwischen gegenseitig beklagt. In den nächsten Wochen soll ein Schlichtungsverfahren stattfinden. Kommt es dort ebenfalls zu keiner Einigung, bleibt nur noch der Gang vor Gericht.

Für Fischer ist die momentane Situation mehr als belastend: "Mein Haus kann nicht mit Heizöl beliefert werden. Auch ein Rettungswagen käme hier nicht durch. Ich bekam zwischenzeitlich keine Post mehr und war wochenlang ohne Telefon und Internet, weil der Router nicht geliefert werden konnte", schildert sie und zeigt den Vermerk eines Postboten, dass er ihr Haus nicht erreichen konnte.