Anfang Oktober 2016 wurde der Fliesenhändler Dietmar Müller in seinem Haus in Redwitz überfallen und ausgeraubt. Nun stehen die Täter vor Gericht.
Mehr als fünf Stunden war die Verhandlung bereits alt, als Richter Christoph Gillot erstmals leicht genervt schien - zu oft widersprachen sich die Aussagen der beiden Hauptangeklagten. "Das Interessante ist, dass wir zwei verschiedene Geschichten haben. Das Gericht stellt sich nun die Frage: Wem glauben wir?", sagte Gillot in Richtung eines 23-jährigen syrischen Asylbewerbers, der zum Tatzeitpunkt in Lichtenfels wohnte. "Ihr Mitangeklagter sagt, sie wären voll mit dabei, sie hingegen sagen, sie sind da mit reingeschlittert. Warum sollen wir ihnen glauben und nicht ihm?"
Drei Verhandlungstage
Die Antwort auf die Frage, welche Version dem Gericht nun am plausibelsten erscheint, dürfte sich noch eine Weile hinziehen. Denn der Montag bildete lediglich den Auftakt des auf drei Verhandlungstage angesetzten Prozesses gegen den 23-Jährigen, einen 24 Jahre alten Syrer, der ebenfalls als Asylbewerber in Redwitz lebte, sowie eine 53-Jährige aus Roth. Weiter geht es am 4. und 9. Oktober (jeweils 9 Uhr), wenn vor dem Amtsgericht Kronach weitere Zeugen vernommen werden sollen.
Dann soll weiter ergründet werden, wer welche Schuld am Überfall auf die Redwitzer Wohnung des aus Kronach stammenden Fliesenhändlers Dietmar Müller hat.
Laut Staatsanwalt Daniel Heppt verschaffte sich der inzwischen 24-jährige Angeklagte am 10. Oktober des vergangenen Jahres bereits am Nachmittag Zutritt zum Schlafzimmer von Müllers Wohnung. Das Gebäude kannte er gut, da er als Aushilfe bei Müller beschäftigt war. Als der Inhaber des Geschäfts gegen 22 Uhr vom Erdgeschoss ins im Obergeschoss gelegene Schlafzimmer ging, stieß in der 24-Jährige die Zimmertür - hinter der er gewartet hatte - in den Rücken des damals 67-Jährigen und sprühte diesem Reizgas ins Gesicht.
Anschließend rang er ihn zu Boden, drückte ihm einen Elektroschocker in den Rücken, fesselte ihn an Händen und Füßen und verklebte ihm die Augen mit Klebeband. Das wollten ihm im Laufe der Verhandlung übrigens beide Angeklagte wieder abgenommen haben, bevor sie das Haus verließen. Nur eine der Aussagen, die nicht übereinstimmen.
Innenfach aufgehebelt
Nachdem Müller gefesselt war, nahm der 24-Jährige dessen Tresorschlüssel an sich. Der 23-jährige Angeklagte soll währenddessen vor dem Gebäude gewartet haben, um Alarm geben zu können. Seinen Helfer rief der der 24-Jährige schließlich in die Wohnung, um Müller zu bewachen. In der Zwischenzeit durchsuchte er das gesamte Anwesen und insbesondere den Tresor nach Wertgegenständen. Zusammen sollen sie zudem ein Innenfach des Tresors aufgehebelt haben.
Insgesamt entwendeten sie so 11 890 Euro, 280 Türkische Lira, 10 200 Keniaschillinge, eine Halskette und eine Armbanduhr im Wert von etwa 2000 Euro. Angeklagt sind die beiden Syrer nun wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Die 53-Jährige muss sich wegen Beihilfe zu schwerem Raub verantworten, da sie den 23-Jährigen auf Wunsch des 24-jährigen Mannes in Redwitz abholte, um ihn zu seiner Wohnung nach Lichtenfels zu fahren.
In Redwitz stoppte eine Polizeistreife das Fahrzeug jedoch auf der B 173 und nahm die beiden Fahrzeuginsassen fest. Die Frau bestritt vor Gericht allerdings, von der Tat gewusst zu haben. Dass sie nicht den 24-Jährigen, sondern den ihr bis dahin nur flüchtig bekannten 23-Jährigen abholen sollte, habe sie erst vor Ort erfahren und sei überrascht gewesen. Sie hatte am Montag die wenigsten Fragen zu beantworten.
Die Anklageliste für den 24-Jährigen könnte sich indes noch um einen Punkt erweitern - um den der Terrorfinanzierung. Die habe im Raum gestanden, sei aber nicht zur Anklage gekommen, erklärte Gillot gleich zu Beginn. "Falls sich etwas ergeben sollte, käme es aber wieder zur Sprache", betonte er.
"Das ist mein Hobby, mein Traum"
In Richtung Terror gingen auch schon einige Fragen, als es zunächst lediglich um die Person ging. Er habe seinen Schulabschluss in Deutschland machen wollen, um anschließend eine Ausbildung bei Airbus zu beginnen, erklärte der 24-Jährige. "Weshalb wollten Sie denn Flugzeugbauer werden", wollte der Richter wissen. "Das ist mein Hobby, mein Traum, seit ich ein Kind bin. Den wollte ich verwirklichen", übersetzte die Dolmetscherin den 24-Jährigen. Interessiert war das Gericht vor allem deshalb daran, weil bei der Durchsuchung der Wohnung des Mannes Baupläne von Flugzeugen gefunden wurden.
In der ersten Vernehmung durch die Polizei habe er den Beamten erklärt, es seien Pläne, um ein Flugzeug besonders sicher zu machen, sagte ein Polizist, der am Montag als einziger Zeuge vernommen wurde. Weitere sollen an den kommenden beiden Verhandlungstagen folgen.
Mit Hilfe deren Aussagen wird das Gericht wohl auch weiterhin versuchen herauszufinden, was der 24-Jährige mit der Beute vorhatte. Gesprochen habe er im Vorfeld zu Freunden jedenfalls von einer Summe von rund einer Million Euro, die im Tresor liegen soll, sagte Mitangeklagte. Er geht davon aus, dass der 24-Jährige mit der Beute an die syrische Grenze zurückkehren wollte, um dort als Schmuggler zu arbeiten. In der ersten Polizei-Vernehmung habe der 24-Jährige gesagt, er wolle mit dem Geld ins türkisch-syrische Grenzgebiet, um arme Leute zu unterstützen, sagte der Polizist. "Er wollte schon zuvor eine Art Opposition in Syrien gründen, aber das habe nicht funktioniert."
Gefunden wurde auf dem Handy des 23-Jährigen von der Polizei auch ein Terror-Propagandavideo. Das habe ihm der 24-Jährige zugeschickt, erklärte der jüngte Angeklagte.
Reger Drogenkonsum
Wichtig dürfte für den Verlauf des Prozesses auch die Rolle des Drogenkonsums der beiden Männer werden. Der 24-Jährige sprach von sieben Gramm Crystal Meth sowie Haschisch und Marihuana, die er monatlich konsumierte. Etwa zwei Wochen vor der Tat wurde er wegen einer Überdosis ins Krankenhaus eingeliefert. "Er hat mir da gesagt, er wolle nicht in einem Land von Ungläubigen sterben", erzählte der 23-Jährige, der ebenfalls eine Drogen-Vergangenheit hat.
Er gab an, sich 50 Gramm Marihuana pro Monat gekauft zu haben. Auch XTC und Tabletten habe er zu sich genommen. Am Montag wurde daher auch ein Gutachter zu diesem Thema befragt.