Die Stimme ist nicht selbstverständlich

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Ute Fischer-Petersohn Foto: van
Ute Fischer-Petersohn  Foto: van
Daniel Leistner Foto: van
Daniel Leistner  Foto: van
 

Ute Fischer-Petersohn singt, Daniel Leistner spricht auf der Bühne. Ohne Stimme könnten sie das nicht machen. Der Tag der Stimme erinnert daran, dass sie nicht selbstverständlich ist. In einer Audiodatei können Sie Tipps zu Stimmübungen und eine kurze Gesangseinlage von Fischer-Petersohn hören.

Ute Fischer-Petersohn atmet tief ein und legt dabei den Kopf in den Nacken. Es ist ganz still. Sekunden verstreichen. Plötzlich richtet sie ihren Blick wieder nach vorne. Die 45-Jährige zieht ihre Mundwinkel nach oben, ihre Lippen formen ein "i". Klänge strömen schlagartig aus ihrer Kehle. Laut, sanft und mit einem leichten Vibrieren singt sie die Melodie des Liedes "Evening rise, spirit come".

Die Erzieherin kann sich beim Singen so richtig entspannen. "Es macht den Kopf frei. Das ist wie beim Sport. Es ist etwas für die Seele" , erklärt sie. Zum Singen braucht man eine Stimme, doch die ist nicht immer selbstverständlich. Diese Woche fand deshalb auch der Welttag der Stimme statt, um daran zu erinnern.

Und tatsächlich war Ute Fischer-Petersohn schon einmal an einem Punkt, an dem ihr die Laute nicht mehr so leicht über die Lippen kamen. Vor einigen Jahren musste sie sich viel räuspern. "Ich hatte wenig Kraft in der Stimme. Bei manchen Tönen ist sie auch gekippt." Das machte ihr Sorgen, sie nahm Logopädie-Stunden, um ihre Stimme zu trainieren.

Schon als Kind viel gesungen

Schon als Kind hat Ute Fischer-Petersohn viel gesungen. Heute wirkt sie in einer geistlichen Band mit, tritt zudem zusammen mit einer Freundin im Duett auf. In ihrer Freizeit singt sie gerne Liebeslieder. Einfache Texte mit viel Gefühl. Das ist ihr auch wichtig, wenn sie andere Menschen singen hört. Nicht jeder muss singen können, um Melodien zu trällern, findet sie. Gerade Kinder können ihre Fantasie ausleben, ohne dass jeder Ton stimmen muss. "Diese Freiheit ist doch etwas Tolles", schwärmt sie.

Doch es gibt Stimmen, die sind besser als andere. "Eine Stimme ist gut, wenn sie mein Herz berührt, wenn sie durch und durchgeht. Es bringt nichts, wenn der Sänger alle Töne trifft, aber mich nicht berührt. Er muss tierischen Spaß beim Singen haben."

Sprechen statt singen

Daniel Leistner hat es eher mit dem Sprechen als mit dem Singen. Professionelles Singen stresst mich", verrät der Intendant der Faust-Festspiele. Er spricht von einer hohen Kunstform. "Ein Schauspieler muss nicht so präzise sein", erklärt Daniel Leistner. "Das Talent der Schauspieler ist es, dass sie verschiedene Rollen spielen können. Das bedeutet aber auch, dass sie unterschiedliche Stimmen haben müssen. Dabei geht es aber nur um Nuancen. Keiner verstellt im Theater seine Stimme komplett", weiß Daniel Leistner.

Für eines seiner Stücke im Sommer muss er in drei Rollen schlüpfen. Er übt solange, bis er textsicher ist und allen drei Charakteren eine eigene Stimm-Nuance verpasst hat. Durcheinander kommt er dabei nicht. "Übt man das lange genug, kann man gar nicht anders." Der Charakter der Figur gibt schon einiges vor. Ein Schurke ist anders zu sprechen als ein alter Mann. "Man muss völlig variieren."

Stimme macht viel mit

Wer die Stimme viel beansprucht, muss sie trainieren. Man solle sich von der Heiserkeit nicht abschrecken lassen und einfach weiterreden, schlägt Daniel Leistner vor. "Die Stimme gewöhnt sich daran."

Doch nicht jeder hat das Zeug zum Sänger oder Schauspieler. Daniel Leistner beobachtet auch, dass manche Laien zu viel Energie in die Stimme legen, das mache sich dann beim lauten Sprechen bemerkbar. "Es hat nicht jeder eine tragende Stimme." Schauspieler muss man zudem verstehen, wenn sie flüstern. Mit einer piepsigen, "verhuscherten" Stimme kommen sie nicht weit, sagt Daniel Leistner.

Leise, aber auch laute Töne muss ein Schauspieler beherrschen. "Viele Erwachsene können gar nicht richtig schreien." Er erklärt, dass sie das im Laufe ihres Lebens verlernen. Für Kinder ist Schreien ganz selbstverständlich, sie lassen ihre Energie über die Stimme raus. Als Erwachsener ist dies doch eher unüblich. "Sie sind dann sofort heißer oder trauen sich gar nicht."

Gute Stimmen müssen nicht angenehm sein

Eine gute Theater-Stimme muss nicht die angenehmste sein. Es sind gerade die Stimmen, die eher abschrecken und den Menschen in Erinnerung bleiben.

Daniel Leistner hört genau, wann die Stimme passt. Da er überall damit konfrontiert ist, fällt es ihm manchmal schwer, in seiner Freizeit auch mal nicht darauf zu achten. Im Kino gelingt es ihm meistens, obwohl er auch da bewusst oder unbewusst auf Synchronstimmen achtet. Auch in der Werbung. "Stimmen können manipulieren", sagt Daniel Leistner. "Jedes Produkt hat seine passende Stimme." Es sei wie Musik. Die Stimme transportiert viel mit. Das hat Daniel Leistner vor Kurzem selbst erlebt. Er weiß, dass er sich auf seine Stimme verlassen kann, denn durch sie kann er Nähe zu den Menschen aufbauen. Doch in Frankreich konnte er sich nicht verständigen und damit auch nicht mit seiner Stimme punkten. "Da habe ich gemerkt, wie wichtig das Sprechen überhaupt ist."

Ute Fischer-Petersohn und Daniel Leistner stehen auf der Bühne. Beide haben vor ihren Auftritten Lampenfieber. Doch gerade Nervosität schlägt sich auf die Stimme nieder.

Angst vor dem Stimmverlust

Druck und Respekt, alles gut zu machen, lasten schwer. "Man weiß schließlich nicht, ob alles klappt." Seine Kollegen machen zum Teil Lockerungsübungen. Für ihn ist es aber nichts. Er nimmt die Aufregung einfach hin. "Der Anfang ist nie so toll." Die Zuschauer müssen sich auch erst einmal entspannen, und wenn der Schauspieler ruhiger wird, gehe das auch auf die Zuschauer über, erklärt er. Menschen, die viel sprechen oder singen, tragen häufig einen Schal, um den Hals warm zu halten. Auch das macht er nicht. "Beim Freilichttheater darf man nicht zu zimperlich sein." Daniel Leistner hat keine Angst, dass seine Stimme versagt. Ute Fischer-Petersohn hatte aber genau diesen Fall schon einmal. Bei einem Auftritt bekam sie einfach keinen Ton mehr heraus.

Dennoch hat sie Vertrauen in ihre Stimme. "Man muss auch einfach akzeptieren, dass sie sich verändert." Manche hohen Töne gelingen nicht mehr so einfach wie früher. Damit ihre Stimme vor dem Singen geschmeidig ist, macht sie Übungen, die den Mund und die Stimmbänder lockern. Dann fühlt sie sich bereit und lässt ihre Stimme beim Singen leicht vibrieren.