Ein Bulle wollte dem sicheren Tod auf dem Kronacher Schlachthof entkommen und hielt die Polizei auf Trab.
Er wollte um jeden Preis leben. Dafür sprang ein Jungbulle am Freitag am Kronacher Schlachthof dem Tod buchstäblich von der Schippe, als er beim Ausladen ausbüxte. Er schwamm durch die Rodach, überquerte Bahngleise und riss Zäune ein. Doch als er auf einer Wiese bei Neuses - wohl zum ersten Mal - den süßen Duft der Freiheit roch, setzte seinem jungen Leben die Munition eines G3-Sturmgewehrs ein Ende.
"Gegen 9 Uhr wurden wir von der Polizei hinzugerufen, weil ein Bulle mitten durch den Ort marschiert ist", beschreibt der Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Neuses, Andreas Höfner, den ungewöhnlichen Einsatz. "Ich bin seit 35 Jahren bei der Feuerwehr, aber sowas ist mir noch nicht passiert."
Fast ins Auto gelaufen
Die Polizei habe das Rind auf die Wiese in Richtung Neuseser Mühle getrieben, während die Feuerwehr sicherstellte, dass es nicht wieder in den Ort zurückläuft, berichtet der Pressesprecher der Kronacher Polizei, Gerhard Anders. Doch jedem sei klar gewesen: "So einen 600-Kilo-Bullen hältst du nicht fest. Der hatte ein ordentliches Kaliber. Einem Kollegen wäre er fast ins Auto gelaufen." Darum hätten alle einen angemessenen Sicherheitsabstand gehalten.
"Um weitere Gefahr abzuwenden, haben wir beschlossen, das Tier zu erschießen", erklärt Anders. "Allerdings ist unsere Munition nicht dafür geeignet." Die Kollegen aus Coburg wurden um Schützenhilfe gebeten, eine halbe Stunde später waren sie da. "Der Bulle hat ganz anständig auf der Wiese gestanden und gewartet, bis er erschossen wurde", erinnert sich Kreisbrandmeister Roland Schedel. Er habe keinen aggressiven Eindruck gemacht.
Anschließend wurde der Jungbulle zurück zum Schlachthof gebracht, wo sein Fleisch, wie vorgesehen, verarbeitet wurde. Der örtliche Metzger, der an diesem Tag zwei Bullen schlachten lassen wollte, habe - entgegen der Richtlinien - eigenmächtig die Tiere ausgeladen. Deshalb hat der Stier laut einer Schlachthof-Mitarbeitern erwischen können. "Das Tier muss innerhalb einer Stunde nach seinem Tod bei uns sein. Dann kann das Fleisch ganz normal verwendet werden."
Doch hätte es angesichts des enormen Lebenswillen des Bullen keine Alternative gegeben? "Das Tier wäre ohnehin der Schlachtung zugeführt worden", argumentiert Anders. Davon abgesehen wisse er gar nicht, welcher Veterinär dafür zuständig ist, in so einem Fall den Bullen zu betäuben.
Doris Rauh ist Vorsitzender des Vereins Rüsselheim, der auf einem Gnadenhof bei Fulda unter anderem Fluchtrinder aufnimmt. Prominenteste Bewohnerin ist Johanna, die 2016 aus einem Schlachthof getürmt ist und drei Wochen Zuflucht im Wald suchte. "Es ist ein Alptraum, wie mit dem Bullen umgegangen wurde", findet Rauh. "Er wollte doch nur leben."
Danke für den einfühlsamen Bericht! Schade, daß man keine andere Lösung gefunden hat als den Bullen zu erschießen. Ich habe Haustiere und weiß durch das enge Zusammenleben, daß die Tiere genau die gleichen Gefühle haben wie wir. Ich kann deshalb kein Fleisch mehr essen. Wenn ich Besuch habe, kaufe ich Fleisch von Hochlandrindern, die wenigstens ein tiergerechtes Leben haben. Und ich hoffe auch auf einen eigenen Schlachthof im Kreis mit genügend Personal, damit die Tiere nicht unnötig leiden müssen. Im Gegensatz zu vielem Steuergeld, das verpulvert wird, ist es mir wert, dafür notfalls etwas mehr Steuern zahlen zu müssen oder einen Aufschlag auf Fleischwaren. Mich gruselt es, wenn ich Berichte lese, daß nicht alle Tiere vor dem Schlachten ausreichend betäubt oder noch lebende Schweine abgebrüht wurden.
Ich finde das überzogen.. Ich bin froh das sich die Polizei überhaupt um sowas kümmert
Wären Menschen zu Schaden gekommen, hätten die Medien sicherlich die Kreuzigung der beteiligten Polizisten gefordert. Für mich ist dieser Artikel bzw. dieser Kommentar dann doch äußerst heuchlerisch.