Viele Mediziner im Landkreis Kronach gehen auf die Rente zu und finden keinen Nachfolger für ihre Praxis.
Dimitrios Lazanakis tut genau das, was kaum einer mehr machen will. Der gebürtige Grieche wird sich im Frankenwald als Allgemeinarzt niederlassen. "Ich bin da wohl auch ein Romantiker", erklärt der 39-Jährige.
Mehrere Jahre fand sich kein Nachfolger für den Allgemeinarzt in Wilhelmsthal. Birgit Konrad übernahm sie schließlich - zusätzlich zu ihrer Praxis in Marktrodach. Der Plan: Sobald Dimitrios Lazanakis seine Ausbildung im Sommer kommenden Jahres abgeschlossen hat, wird er die Praxis im Wilhelmsthal übernehmen.
Ein Glücksfall, denn kaum noch junge Ärzte lassen sich in der Region nieder. "Über 40 Prozent der Ärzte im Kreis Kronach kommen in den nächsten vier Jahren ins Rentenalter", sagt Uwe Fleischmann, Vorsitzender des Ärztlichen Kreisverbands. Das Problem ist, dass kaum mehr jemand die Praxen übernehmen möchte.
Man müsse davon ausgehen, dass die meisten nicht mehr besetzt werden können. Die Patienten werden jedoch nicht weniger.
Brief an Gesundheitsminister Das gibt auch der Politik zu denken. Der Kronacher Bürgermeister Wolfgang Beiergrößlein (Freie Wähler) hat vergangene Woche an Marcel Huber geschrieben, den Bayerischen Gesundheitsminister, um ihn auf das Problem in der Region aufmerksam zu machen.
Die Frankenwald-CSU hat zudem am Dienstag einen Vorschlag öffentlich gemacht gemacht. Die Mitglieder wollen, dass der Numerus Clausus in Bayern gelockert wird, sodass auch Abiturienten mit einem schlechteren Schnitt ein Medizinstudium beginnen könnten. Sie sollen sich dann verpflichten, in strukturschwachen Gegenden zu arbeiten.
Dimitrios Lazanakis findet die Idee nicht schlecht. Er ist der Meinung, dass ein guter Arzt nicht unbedingt Klassenbester gewesen sein muss.
"Man muss jedem eine zweite Chance geben." Jedoch befürchtet er, dass das den massiven Ärztemangel, der in den kommenden Jahren droht, nicht allzu sehr lindern kann.
Teilzeit kaum zu realisieren Ansätze dieser Art bewertet Fleischmann positiv, doch auch er ist sich sicher, dass sie nicht die Lösung für das Problem sein werden. "Eigentlich kommt das schon zehn Jahre zu spät." Die Studierenden brauchen alleine für ihre Ausbildung mindestens zehn Jahre. Doch dann sei die Not in der Region schon längst groß, erklärt Fleischmann.
Vor einiger Zeit gab es in Kronach ein Projekt mit Abiturienten, erzählt er. Man wollte den künftigen Medizinstudenten die Region schmackhaft machen. Doch die Resonanz war sehr gering. "In dieser Phase ihres Lebens haben sie dafür wenig übrig.
Die jungen Leute wollen in erster Linie erstmal weg aus der Region."
Die jungen Kollegen wünschen sich eine belebte Umgebung. "Wer die Wahl hat, sucht sich wohl eher eine größere Stadt aus. Die private Lebensqualität steht sehr im Mittelpunkt", sagt Fleischmann.
Die Gesellschaft hat sich verändert Die Gesellschaft habe sich sehr verändert. Früher sei der Hausarzt ein typisch männlicher Beruf gewesen. Doch heute studieren immer mehr Frauen Medizin, schildert Fleischmann. Ein Medizinstudium ist eine langwierige Ausbildung. Oft überschneide sich das dann mit der Familienplanung, schildert er. Teilzeit-Ausbildungen zur Hausärztin sind kaum möglich. Eine Facharztausbildung dauert etwa fünf Jahre. Absolviert jemand das in der doppelten Zeit, sind es ja schon zehn Jahre.
"In anderen Branchen wird über verkürzte Arbeitszeiten gesprochen", erklärt Fleischmann. Doch als niedergelassener Allgemeinarzt müsse man von einer 70-bis 80-Stunden-Woche ausgehen. Das schrecke die jungen Menschen ab. "Sie suchen sich Berufe, in denen die Arbeitsbedingungen angenehmer sind." Beispielsweise in der Verwaltung, in Krankenkassen oder in der Qualitätssicherung.
Hohe Investitionen In Hausarztpraxen käme zudem noch sehr viel Bürokratie hinzu. Außerdem müssten die niedergelassenen Ärzte viel Geld investieren. "Medizinische Geräte kosten schon mal um die 30 .000 Euro", weiß Fleischmann. In Krankenhäusern tragen sie dieses Risiko nicht.
"Wer Karriere machen will, geht ins Krankenhaus", erklärt Lazanakis und bedauert, dass viele seiner jungen Berufskollegen auf das "große" Geld aus sind.
"Sie studieren lange und hart. Dann sagen sie sich: Ich will nun auch etwas davon haben." Viele gingen deshalb auch ins Ausland, nach England oder Skandinavien.
Mehr ausländische Ärzte Der Bedarf an Ärzten hat sich in Deutschland aber nicht verringert. Deshalb werden die freien Stellen immer öfter von ausländischen Ärzten besetzt, schildert Fleischmann die Situation. Lazanakis hat in Bulgarien studiert und lebt seit 2005 in Deutschland. Bewusst hat er sich vor einigen Jahren für ein Leben in Nordbayern entschieden. "Ich nehme hier niemandem den Job weg", erklärt er. Hier wird er gebraucht. Er ist stolz auf die Chance, die er in der Region bekommen hat. Außerdem schätzt er den Charme einer kleineren Stadt wie Kronach.
Oft wird er gefragt, ob er seine Arbeit in Deutschland nur als Zwischenstation sieht.
Der Landkreis Kronach sei für ihn aber eine dauerhafte Lösung. Er hofft, dass seine Frau, die ebenfalls Medizin studiert, eine Praxis in Stockheim übernimmt. Irgendwann wollen sie auch in der Region ein Haus bauen.
Düsterer sieht die Zukunft für die älteren Ärzte aus. "Früher war eine eigene Praxis eine Altersvorsorge. Das hat sich mittlerweile geändert", sagt Fleischmann. "Viele sind froh, wenn sie überhaupt ihre Kartei los werden."
Die Kollegen seien in der Region verwurzelt und wollen ihre Patienten nicht ohne geklärte Nachfolge lassen. "Viele arbeiten dann lieber nochmal drei oder vier Jahre länger."
Patienten stehen an erster Stelle Hausarzt Frank Scheler aus Kronach ist 59 Jahre alt und sieht der Entwicklung mit großer Sorge entgegen.
"Das System muss sich ändern." Doch dass es soweit kommt, hält er nicht für wahrscheinlich. Auch Scheler wird in den nächsten Jahren versuchen, einen Nachfolger zu finden. Doch seine Hoffnung ist gering, denn er sieht, wie schwer es seine Kollegen aus dem Landkreis dabei haben. "Eine Praxis am Bodensee hat da sicher weniger Probleme."
Aber so schwierig die Suche auch sein sollte, für ihn ist sicher, dass er die Praxis nicht an irgendjemanden abgeben würde. Die Verantwortung gegenüber seinen Patienten steht für ihn an erster Stelle.