Großer Aufwand
Vier Jahre später sind nun auch die letzten Arbeiten des zweiten Bauabschnitts - für den 150 000 Euro in die Hand genommen wurden - beendet. Dazu zählt auch die Sanierung des Kirchturmkreuzes. Welcher Aufwand alleine für diesen einen Teil der Bauarbeiten nötig war, haben wir auf nachfolgend für Sie zusammengefasst.
1. Der Abbau
Leicht machten es das Kirchturmkreuz und die Kugel den Arbeitern Anfang Juni beim Abbau nicht gerade. Die beiden aus einer dünnen Kupferblechhülle gefertigten Elemente ließen sich nämlich nicht von der eisernen Unterkonstruktion lösen. "Das war alles so in sich verkantet und verrostet, dass wir Kreuz, Kugel und die Stahlkonstruktion in einem Stück heruntertransportieren mussten", sagt Petra Zenkel-Schirmer, die die Restaurierung des Kreuzes übernahm.
An die vier Meter war die Konstruktion groß, die mit einem Lastenaufzug von der Kirchturmspitze heil auf den Boden transportiert werden musste. Ein kraftraubende Aufgabe, wiegt doch allein der Kaiserstiel an die 120 Kilo. "Das stand ja alles aufrecht im Aufzug", erinnert sich Zenkel-Schirmer. "Ein bisschen Schräglage und es wäre was passiert. Das war schon gefährlich. Aber die Männer haben super gehalten, sodass es dann doch gut geklappt hat."
Die Kugel erinnert nicht nur optisch an ein Überraschungsei, sie entpuppte sich auch als solches. In deren Innern tauchte eine Dokumentenrolle auf. "Ein kurzer Bericht erzählt von der letzten im Jahr 1970 durchgeführten Sanierung der Kirche", sagt Wündisch. Am Kreuz und an der Kugel waren Reparaturstellen erkennbar. Wahrscheinlich die Folgen eines 1945 erfolgten Granatenbeschusses. "Außerdem war zu erkennen, dass das Kreuz ,Unseeligen‘ als Zielscheibe für ihr Kleinkalibergewehr gedient haben muss."
2. Die Restaurierung
Von der einstmals angebrachten Öl-Komplettvergoldung hatten die Jahrzehnte nicht mehr viel übrig gelassen. Wer die letzten Reste entdecken wollte, musste schon sehr genau hinsehen. Sichtbar war lediglich noch die gelbe Grundierung. "Der Kupferblechkörper wurde über die Jahrzehnte immer wieder ,geflickt‘, angestückelt, ausgebessert und repariert", erzählt Restauratorin Petra Zenkel-Schirmer. An einigen Stellen habe der Korrosionsfraß das Blech geschwächt und auf eine Stärke von teilweise nur noch 0,12 Millimetern reduziert.
Der Neukenrother Schlosser Reinhard Wachter musste in seiner Werkstatt also äußerst vorsichtig vorgehen, um das Kreuz auszudellen. Dafür öffnete er es an den Kleeblattkanten, die allerdings besonders stark beschädigt waren. Erst in der Werkstatt ließen sich Kreuz und Kugel vom Kaiserstil befreien. Während es reichte, dass Mitglieder der Kirchengemeinde die 3,80 Meter langen Metallstange reinigen und abbürsten, war für den später sichtbaren Teil schon mehr Aufwand nötig.
In ihrem Atelier in der Oberen Stadt grundierten Zenkel-Schirmer und ihr Mann Franz Schirmer das Metall zunächst mit Rostgrund. Nachdem sie zweimal eine gelbe Ölfarbe aufgetragen hatte, konnte die Restauratorin mit dem Vergolden beginnen. "Dabei kommt es auf die Konsistenz der Ölfarbe an, die als Kleber fungiert", erklärt sie. "Wenn es zu nass ist, sinkt mir das Gold ein, ist es zu trocken, hält es nicht. Da muss man den richtigen Zeitpunkt treffen. Das ist immer eine heikle Geschichte."
Insgesamt vier Gramm Blattgold (23 ¾ Karat) mit einem Materialwert von etwa 1200 Euro verwendete Zenkel-Schirmer, um das 1,70 Meter große Kreuz und die ungefähr 75 Zentimeter hohe Kugel in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. Abschließend rekonstruierte sie die ehemals vorhandenen schwarzen Linien auf der Vorderseite des Kreuzes.
Interessant: Beim Schlosser gab es neue Erkenntnisse über die Vergangenheit des Kreuzes. Weil die Stahlunterkonstruktion aus metrischem Material besteht, das noch feuergeschweißt wurde, stand fest, dass es aus den 1920er-Jahren stammen muss.
3. Der Aufbau
Im 19. August war es soweit. Gerade einmal zwei Monate nachdem das Kreuz abgebaut wurde, durfte es auch schon wieder zurück an Spitze der Marienkirche. Der Aufbau gestaltete sich dabei deutlich leichter, als der Abbau. Nun konnten das Kreuz, die Kugel und der Kaiserstuhl separat transportiert werden. Letzteren hatten Zimmerleute und Dachdecker bereits wieder eingesetzt, die Kreuz-Kugel-Kombination musste nur noch aufgesteckt werden. Dass beides bis auf den Millimeter genau passte, sorgte nicht nur bei Zenkel-Schirmer für Erleichterung. "Wir hatten ja nur die zeichnerischen Maße der anderen Gewerke", sagt sie. "Aber am Ende hat alles richtig gut gepasst. Es ist ja förmlich runtergeflutscht."
Nachdem beim Abbau Informationen über die letzte Kreuz-Restaurierung in den 70er-Jahren zum Vorschein kamen, wollte die Gemeinde nun ihrerseits späteren Generationen Informationen hinterlassen. 33 Zentimeter lang und sechs Zentimeter im Durchmesser sind die Kupfer-Hüllen, die als Zeitkapseln fungieren und in die Kugel gesteckt wurden. In ihnen lagern Informationen über die Kirchengemeinde. Sowohl schriftlich als auch digital auf einem USB-Stick.
Doch ob der überhaupt noch ausgelesen werden kann, wenn das Kreuz das nächste Mal abgenommen wird? Womöglich ist diese Technologie dann so veraltet, wie schon jetzt die Diskette. Die letzte Kreuz-Restaurierung ist schließlich schon 50 Jahre her. Und Zenkel-Schirmer geht davon aus, dass ihre Vergoldung deutlich länger halten wird.
Zwei Bauabschnitte und noch mehr Maßnahmen
1. Bauabschnitt
(Beginn September 2014):
• Austausch aller schadhaften Balkenlagen der Decken- und Dachkonstruktion des Langhauses.
• Austausch aller schadhaften Balkenlagen der Giebelbereiche des Langhauses.
• Austausch der schadhaften Balkenlagen im Fußbereich des Kirchturms.
• Neueindeckung des Langhauses mit Biberschwanz (halbrunder Dachziegel).
• Ausbesserung der schadhaften Stellen in der Schiefereindeckung des Kirchturmes
• Erneuerung der Regenrinnen und Mauerabdeckungen.
• Erneuerung der Schallläden zur Glockenstube.
• Taubenschutzmaßnahmen an den Turmmaueröffnungen.
• Austausch des elektrisch/ mechanischen Uhrwerks gegen elektronische Uhrwerke.
• Erneuerung der Uhrzifferblätter.
• Ausbesserung der Trittstufen der rechten Treppe zur ersten und zweiten Empore
2. Bauabschnitt
(Beginn April 2019):
• Beseitigung weiterer Schäden an der Balkenkonstruktion des Turmhelmes.
• Neueindeckung des Turmhelmes mit Schiefer in Altdeutscher Deckung.
• Sanierung des Kirchturmkreuzes mit Kugel.
• Neueindeckung des Sakristeidaches mit Biberschwanz , sowie neuer Dachrinne und Verblechung.