In Kronachs Partnerstadt Hennebont hat Brunhilde Lorenz "eine zweite Heimat gefunden". Zum 50. Jahrestag des deutsch-französischen Freundschaftsvertrags wirft sie einen Blick auf den Nachbarn im Westen.
Jahrhundertelang bekämpften sich Deutschland und Frankreich. Ein Krieg folgte dem nächsten. Umso bemerkenswerter ist es, dass vor 50 Jahren der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer und der französische Präsident Charles de Gaulles den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag unterzeichnet haben.
1961, also zwei Jahre früher, besuchte die damals 18-jährige Brunhilde Lorenz das erste Mal Frankreich, dem sie schon immer freundschaftlich gesinnt war. "Frankreich war für mich schon immer etwas Besonderes." Damals wie heute ist sie überzeugt, dass Französisch mit Abstand die Sprache mit dem schönsten Wohlklang ist. "Ich wusste schon bald, dass es ein Teil meines Berufslebens wird." So sollte es auch kommen: Von 1969 an arbeitete sie in Kronach als Lehrerin für Französisch und Latein; zuerst am Kaspar-Zeus-Gymnasium und ab 1977 am Frankenwald-Gymnasium.
Ihr Beruf führte sie, wenn auch unregelmäßig, immer wieder nach Frankreich.
Partnerschaft mit Hennebont Seit Hennebont, das im Westen Frankreichs liegt, 1990 Kro nachs Partnerstadt wurde, ist Brunhild Lorenz mindestens einmal im Jahr dort. "Hennebont ist inzwischen zu meiner zweiten Heimat geworden", sagt die 70-Jährige. Im Schuljahr 1990/91 lebte sie gar ein Jahr dort, nachdem sie bereits zahlreiche Schüleraustausche und Partnerschaftskomitees als Übersetzerin begleitet hatte. "Eine französische Kollegin hatte die Idee, dass sie nach Kronach und ich nach Hennebont gehen könnte", erzählt Brunhilde Lorenz. Gesagt getan: "Ich bin sofort integriert worden und gehörte dazu. Das war phänomenal." Heimweh oder gar Probleme hat sie dort nie gehabt - mit einer Ausnahme.
"Ich hätte mein Auto in Frankreich ummelden müssen, weil ich länger als vier Monate da war", erzählt sie. Ihr Glück, dass es keinem Gendarmen aufgefallen ist.
Dass die Franzosen alle Lebefrauen und -männer seien, wie sich Deutsche das französische "savoir vivre" landläufig vorstellen, kann sie nicht bestätigen. "Zumindest in den ländlichen Gebieten sind sie sehr konservativ. Zum Beispiel die Kindererziehung ist sehr streng." Deswegen seien einige französische Jugendliche, die sie im Lauf der Jahre in Kronach betreut hat, bei ihrem Aufenthalt "ein bisschen ausgeflippt". "Ein zwölfjähriges Mädchen wollte gar in die Disco", erzählt Brunhilde Lorenz, was ihr die deutschen Gasteltern aber schnell ausgeredet hätten.
Großer Nationalstolz Anderes, was den Franzosen nachgesagt wird, kann sie bestätigen: "Deutsch können die meisten nicht und Englisch wollen sie nicht sprechen", sagt Brunhilde Lorenz. Auch der Nationalstolz der Grande Nation ist kein Gerücht. "Wenn ein französischer Präsident eine Rede hält, sagt er zum Abschluss ,Vive la France‘. In Deutschland wäre es undenkbar, dass Frau Merkel eine Rede mit den Worten ,Lang lebe Deutschland‘ beendet."
Auch, dass Franzosen gutem Essen nicht abgeneigt sind, sei kein Gerücht. Einem Direktor des Frankenwald-Gymnasiums habe sie einmal Austern mitgebracht. Den Wunsch äußerte der Schulleiter wohl unbedacht, da sich sein Genuss beim Essen der Delikatesse in Grenzen gehalten habe, erzählt Brunhilde Lorenz. Die restlichen Muscheln fanden in anderen Lehrern der Schule allerdings dankbare Abnehmer.
Überhaupt bringt sie, ausgestattet mit Kühlbox und Eis, immer Fisch aus Frankreich mit. "In Deutschland kostet ein Kilo Seeteufel rund 40 Euro. In Hennebont sind es zwischen neun und 13 Euro", erklärt sie. Ihrem Neffen, der Zahnarzt in Nürnberg ist, bringt sie immer Baguette-Mehl mit.
Ob aus ihrer zweiten Heimat nicht ihre erste werden könnte? "Ich habe es mir überlegt, ob ich nach Hennebont ziehe, ich schließe es nicht aus." Maritimes Klima und immer das wohlklingende Französisch in den Ohren. Brunhilde Lorenz dürfte das gefallen. Ihr Neffe wäre wenig begeistert: Schließlich müsste er dann eine andere Quelle für sein Baguette-Mehl finden.