Das Berufliche Schulzentrum Kronach informierte über die Duale Berufsausbildung "Industriekaufmann/-frau mit Fachhochschulreife".
Die Fachkräftesicherung ist die größte Herausforderung der Wirtschaft in der Zukunft. Schon jetzt haben immer mehr insbesondere mittelständische Unternehmen (auch im Landkreis Kronach) Probleme, Fachkräfte für offenen Stellen zu finden.
Die Zahl der qualifizierten Bewerber geht zurück - zum Einem demografisch bedingt. Zum Anderen nimmt der Wunsch der Schulabgänger mit Mittlerer Reife zu, sich auf dem zweiten Bildungsweg weiter zu qualifizieren. Damit gehen sie dem Arbeitsmarkt als Auszubildende oft verloren.
"Wir brauchen nicht darauf zu warten, dass jemand in die Region kommt und uns hilft. Wir müssen das selbst machen - mit der uns eigenen Kreativität und unserer zupackenden Art. Das ist die Basis, um die Zukunft positiv zu beeinflussen", zeigte sich Schuldirektor Rudi Schirmer bei einer Info-Veranstaltung in der Lorenz-Kaim-Schule sicher.
Dem Negativtrend entgegenwirken Um dem Negativtrend entgegenzuwirken, bietet die staatliche Berufsschule regionalen Betrieben in Oberfranken seit diesem Schuljahr einen neuen Ausbildungszweig an: Die Duale Berufsausbildung zum Industriekaufmann/-frau mit Fachhochschulreife in drei Jahren.
Dass es sich beim doppelqualifizierenden Bildungsangebot um eine effektive und zudem sehr wirtschaftliche Form der Personalgewinnung handele, zeigten die Erfahrungen im Bereich Metalltechnik. Hier gebe es das Angebot schon seit etwa zehn Jahren. "In dieser Zeit sind vielleicht fünf bis acht Schüler vorzeitig ausgeschieden. Alle anderen haben das durchgezogen, weil sie eine hohe Motivation haben", freute er sich.
Studienrat Stefan König stellte das neue Bildungsangebot vor.
Im Rahmen einer zweieinhalbjährigen Berufsausbildung zum Industriekaufmann/zur Industriekauffrau mit speziellem Unterricht an der Berufsschule und einem anschließenden halben Jahr Vollzeitunterricht an der Fachoberschule erwerben hier die Schüler das Wissen für die Fachhochschulreife.
"Der Blockunterricht an der Berufsschule, der die Vermittlung von kaufmännischen Lerninhalten zum Ziel hat, wird an der Fachoberschule in den Fächern Deutsch, Mathematik, Englisch und dem Profilfach (BWR) vertieft. In diesen Fächern schreiben die Schüler dann auch ihr Fachabitur", informierte der Studienrat.
Größerer Wissenszuwachs Die Vorteile lägen klar auf der Hand. Mit diesem Bildungsgang verkürze sich der herkömmliche Weg - Ausbildung und Besuch der Fachoberschule/Berufsoberschule getrennt und nacheinander angeordnet - um mindestens ein Jahr.
"Für die Betriebe ist dieser Ausbildungsgang ebenfalls sehr interessant, da die Schüler durch die anspruchsvolleren Unterrichtsinhalte einen erheblich größeren Wissenszuwachs erwerben können. Dieser Wissenszuwachs hat auch eine sehr positive Wirkung auf die Abschlussergebnisse", zeigt sich König sicher.
Die DBFH-Teilnehmer in anderen Berufen zeigten bisher sowohl in der Berufsabschlussprüfung als auch beim Erwerb der Fachhochschulreife überdurchschnittliche Leistungen. Voraussetzungen für diesen Bildungsgang seien - neben einem Ausbildungsvertrag zum Industriekaufmann/zur Industriekauffrau mit einer Vertragslaufzeit von 2,5 Jahren - ein sehr guter oder guter mittlerer Schulabschluss, ein hohes Maß an Leistungsbereitschaft sowie -fähigkeit als auch Eigeninitiative und Teamfähigkeit.
Der Unterricht wechselt mit der Ausbildung im Betrieb und vertieft durch FOS-Lerninhalte zur Vorbereitung auf die
Fachhochschulreife. Danach schließt sich ein halbes Jahr an der Fachoberschule Kulmbach an und endet mit dem Fachabitur.
Impulsreferat Bei der Info-Veranstaltung gab Werner Kotschenreuther einen Erfahrungsbericht in Form eines Impulsreferats. Oberfranken brauche sein Licht nicht unter den Scheffel zu stellen, habe es doch ein ganzes Paket an sehr guten Standortfaktoren, sagte er.
Der Kampf um die "besten Köpfe" wird härter. Kreative Lösungen werden notwendig sein, da ist sich der Fachmann auf den Gebieten des Personalmanagements sowie der Demografie-Entwicklung sicher.
Oberfranken brauche sein Licht nicht unter den Scheffel zu stellen, habe es doch ein ganzes Paket an sehr guten Standortfaktoren.
So gebe es hier beispielsweise die zweithöchste Industriedichte und die größte Brauereidichte der Welt, die zwei attraktivsten Hochschulstandorte Deutschlands und mehr Beschäftigte im Kunststoffsektor als Dänemark.
"Oberfranken muss Selbstbewusstsein ausstrahlen" "Oberfranken ist nicht irgendein peripherer Raum. Wir können uns durchaus mit anderen Regionen messen, die deutlich mehr Selbstbewusstsein ausstrahlen. Unsere Region zählt keineswegs zu den Verliererregionen", ermunterte er. Die Beschäftigten-Entwicklung zeige im Vergleich von 2005 bis jetzt ein Plus von 40.000 Beschäftigt mehr. Um diese Zahl sei der Arbeitsmarkt entlastet worden.
Der Bevölkerungsrückgang in Oberfranken sei nicht auf die Abwanderung, sondern auf den Sterbeüberschuss zurückzuführen. Das Problem sei die Veralterung der Bevölkerung.
"Wir hatten 2013 bereits eine Lücke von 17.000 beruflich qualifizierten Fachkräften. 2021 wird diese nach aller Voraussicht bei 29.000 liegen", informierte Kotschenreuther.
Die demografische Entwicklung fordere für Oberfranken aktuell 312.000 Fachkräfte, davon seien 295.000 auf dem Arbeitsmarkt verfügbar.
"Das ist erst der Anfang des Fachkräftemangels. Es wird noch viel schlimmer und er trifft auf ganz Bayern zu. Der Wettkampf um die Mitarbeiter wird sich verschärfen", prognostizierte er. Die großen Firmen wie Siemens, Audi oder BMW wüssten, wie sie darauf reagieren müssten, aber die kleinen?
Deutlich zurück gegangen seien die Hauptschulabschlüsse, während man es jetzt deutlich häufiger mit höheren Bildungsabschlüssen zu tun habe. Der Fachkräftemangel betreffe keineswegs nur die Pflege, das Handwerk oder die sogenannten MINT-Berufe.
Vielmehr sei es ein flächendeckendes Problem. Die Herausforderung sei dabei, die Zielvorstellung der Jugendlichen mit dem tatsächlichen Bedarf in Einklang zu bringen.
Die Top 10-Engpassberufe in 2020 würden überraschenderweise von Berufen in der Unternehmensführung und Organisation angeführt, aber auch im Bereich Textil- und Lederberufen, in der Rohstoffgewinnung und Keramikverarbeitung, Elektrotechnik und Metallerzeugung sowie Fahrzeugführer.
"Wir müssen neu denken" "Wir müssen neu denken und neue Felder entdecken. Wer sagt, dass unsere Auszubildende aus der Region kommen müssen, warum nicht aus Valencia?", fragte er.
Wenn wir begriffen, dass wir - zum beiderseitigen Nutzen - in der EU zusammen aus einem Arbeitsmarkt schöpfen könnten, beginne vielleicht eine neue Zeit.
Fazit sei, dass die Unternehmen zu Bewerbern um knappe Fachkräfte würden und ihr Angebot bedarfsgerecht erweitern müssten. "Es handelt sich nicht um eine temporäres konjunkturelles Problem, sondern um ein einen langfristigen strukturellen Effekt. Das wird so bleiben", verdeutlichte er. Die klassische duale Ausbildung gerate durch eine Verlegung zu Formen akademischer Ausbildung zunehmend unter Druck.
Das Spektrum betrieblicher Ausbildung sollte über die klassische duale Ausbildung hinaus erweitert werden, um auch zukünftig interessante Bewerber ansprechen zu können. Die strikte Trennung zwischen betrieblicher und akademischer Ausbildung solle zu Gunsten einer chancenbietenden Kombinationsmöglichkeit aufgehoben werden.
"Das DBFH ist eine Chance", zeigt er sich sicher. Es spreche leistungsstarke motivierte Bewerber mit Mittlerem Abschluss an, die Chancenvielfalt im Bildungssystem bleibe erhalten und die Ausbildung werde nicht mehr als Sackgasse empfunden. Bei entsprechender Förderung würden die Kandidaten auch emotional an das Unternehmen gebunden.