Beinahe im Chaos versunken

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Die gefährliche Lage in der Türkei (hier Istanbul) beschäftigt auch viele Türken in Franken. Foto: Becker, dpa
Die gefährliche Lage in der Türkei (hier Istanbul) beschäftigt auch viele Türken in Franken.  Foto: Becker, dpa

Was ein im Frankenwald lebender Türke darüber denkt.

Als der türkischstämmige Ali K. (Name von der Redaktion aus Sicherheitsgründen geändert) am Freitagabend in den Medien zufällig Bilder vom Putsch in seinem Heimatland gesehen hat, war sein Entsetzen groß. Eigentlich hatte er vor, für zwei Tage seine "Kanäle" abzuschalten, um sich ganz auf sein Privatleben konzentrieren zu können.
In Facebook schreibt er. "Wollte mal zwei Tage abschalten. Beinahe ist meine Heimat in Chaos versunken ..." Sofort, so sagt er am Telefon, sei ihm beim Anblick der Bilder klar gewesen, dass es diesmal kein externer Terrorakt war. Denn türkische Soldaten sperrten strategische Punkte wie die Bosporusbrücke, Flughafen oder den türkischen Sender TRT.
Ebenso berichtete man von der Entführung des Generalstabs. Das ganze Geschehen habe ihn erinnert an die Ereignisse von 27. Mai 1960 und 12.
September 1980, als es an diesen Tagen Militärputsche mit vielen Toten in der Türkei gab.
Wenige Minuten, nachdem er die ersten Bilder am Fernsehen gesehen hatte, so Ali, habe er Kontakt mit seinen Verwandten in der Türkei aufgenommen. In diesem Zusammenhang spricht er davon, dass die politischen Ansichten in seiner Familie gespalten sind. Ein Teil vertritt die Politik des türkischen Ministerpräsidenten, Recep Tayyip Erdogan, andere wiederum nicht. Seine Verwandtschaft in der Türkei habe ihm am Telefon berichtet, dass Offiziere die Macht ergreifen wollten. Kurze Zeit später verkündete der Ministerpräsident durch eine Videobotschaft, dass das Volk auf die Straße gehen sollte, um diesen Putschversuch zu verhindern.
Das sei ungewöhnlich, denn eigentlich müsste doch ein Krisenstab für solche Situationen zum Einsatz kommen? "Durch diesen Aufruf von Erdogan konnte man sehen, dass auch ohne eine Botschaft das türkische Volk die Werte der Türkischen Republik nicht verletzen lassen wollte."
Ali K. hat Sorgen um sein Land. Er bedauert die Toten. Er spricht vom Vorgehen der Soldaten auf Bürger, aber auch von gelynchten Soldaten, die ihre Waffen niederlegten, um damit ihre Loyalität zur Heimat zu zeigen und dabei durch Selbstjustiz hingerichtet wurden. "Das ist für mich nicht vertretbar!. Er spricht von Beginn einer "Säuberung" sowohl im Militär als auch in der Justiz. Diesbezüglich hofft er zumindest auf eine demokratische Vorgehensweise.


Für freie Meinungsäußerung

Ali tritt für eine freie Meinungsäußerung ein und dass nur diejenigen bestraft werden sollten, die kriminell handeln.
Für Ali K. steht fest: "Das Volk ist mächtiger denn je!" Der Putschversuch werde das von der Mehrheit des Volkes gewünschte Präsidialsystem bekräftigen. Er jedoch sei nach wie vor für eine laizistische Staatsregierung, für die Wahrung der Werte des Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk. "Erdogan und seine AKP-Partei haben die Türkei in den letzten 14 Jahren auf ein gutes Niveau gebracht", sagt Ali. Die Türkei habe sich wirtschaftlich stabilisiert, erholt und fungiere als wettbewerbsfähiges Industrieland. Die Religion sei der Islam. Allerdings, meint Ali, sollten religiöse Werte nie Bestandteile von politischen Ereignissen und Entscheidungen sein, denn "Religion ist rein und persönlich. Politik dagegen kann schmutzig sein!"
Sein Land sei Deutschland, seine Heimat sei die Türkei. Der 39-Jährige, der im Norden des Landkreises aufwuchs und zurzeit in Kronach wohnt, sieht angesichts der aktuellen Situationen den Frieden in Gefahr.