Eine lange Drogen- und Alkoholkarriere gipfelte am Weihnachtstag 2014 in eine schwere Körperverletzung. Ein 21-jähriger Kronacher stand deshalb vor der Großen Jugendkammer des Landgerichts.
Im Alter von zwölf Jahren konsumierte der Angeklagte das erste Mal Alkohol. Der Konsum steigerte sich kontinuierlich: Dreimal pro Woche habe er eine Flasche Wodka oder Whiskey getrunken, erzählte der Kronacher. Zwei Jahre später ging es mit den Drogen los: Er habe Cannabis, Gras und Haschisch geraucht, später probierte er Crystal, berauschte sich mit Pilzen, Speed und Kokain und schnupfte Badesalze, die er aus dem Internet bezog. Sogar Fenthanyl-Pflaster habe er gelutscht, sagte der 21-Jährige aus.
Das verschlug dem Vorsitzenden Richter Gerhard Amend fast die Sprache: "Da haben Sie aber Glück, dass Sie heute noch hier sitzen können", sagte er angesichts der vielen Drogentoten durch Fenthanyl. Nicht nur um den regelmäßigen Drogen- und Alkoholkonsum drehte sich die Verhandlung vor der Großen Jugendkammer, auch die zahlreiche Jugendstrafen des Kronachers kamen ausführlich zur Sprache. Das Vorstrafenregister des Angeklagten listete Diebstahl und Körperverletzung auf, für die der Angeklagte teils zu mehrmonatigen Jugendstrafen verurteilt wurde.
Im aktuellen Fall warf die Staatsanwaltschaft dem Kronacher, der zurzeit in der JVA Kronach einsitzt und in Fußfesseln vorgeführt wurde, versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung vor. An Weihnachten 2014 habe der 21-Jährige, der seinen Hauptschulabschluss gemacht hatte und immer wieder arbeitslos war, einen 17-jährigen Maler und Lackierer schwer verletzt. Mit einem gezielten Faustschlag ins Gesicht habe der Angeklagte sein Opfer traktiert, so dass dieser zu Boden ging, so die Anklage. Danach soll der Kronacher mit dem Fuß gegen den Kopf und den Brustkorb seines Opfers getreten haben. Der junge Mann, der nach eigenen Angaben bereits nach dem ersten Schlag ohnmächtig wurde, kann sich an die Gewalttat nicht mehr erinnern.
Schwere Verletzungen Das Opfer erleidet bei dem Vorfall schwere Verletzungen: Ein beidseitiger Unterkieferbruch muss in der Uniklinik Erlangen operiert, Platzwunden an Augenbraue, Wange und Unterlippe genäht werden. Erst nach viereinhalb Monaten ist der Mann, der noch immer unter Taubheitsgefühlen leidet, wieder arbeitsfähig. Ein medizinischer Sachverständiger von der Universität Erlangen erläuterte der Kammer die möglichen Folgen der Tat: "Eine derartige Gewaltanwendung kann bis zum Tod führen", sagte er.
Der Angeklagte gab den Faustschlag und den Tritt gegen den Kopf unumwunden zu. Er habe einen 13-jährigen Freund beschützen wollen, den der 17-Jährige angegangen habe. Er habe nicht gewollt, dass der junge Mann noch einmal aufsteht und ihm nachsetzt. "Ich habe die Sache falsch eingeschätzt", sagte er.
Aufgrund einer Jugendstrafe war der Angeklagte bereits einmal in Therapie und in der Jugendpsychiatrie zur Entgiftung, was jedoch fehlschlug. Auch einen Erziehungsbeistand hatte er. Amend kritisierte die mangelnde Betreuung durch die zuständige Behörde: "Was mich an der ganzen Geschichte traurig macht, ist, dass sich das alles angebahnt hat", sagte er. Konkrete Hilfe sei jedoch nicht gekommen. Gutachter Dr. Cornelis Stadtland sah das ähnlich: "Der Angeklagte hat das bisherige Kontrollsystem unterlaufen", erklärte er, "und das hat er auch bewusst gemacht."
Medizinische Akten diagnostizierten dem Angeklagten eine Epilepsie und ADS. Der Sachverständige fand keine Hinweise auf psychiatrische Erkrankungen. Allerdings bescheinigte Stadtland dem 21-Jährigen Reifeverzögerungen, eine zunehmende dissoziale Entwicklung im Zusammenhang mit seinem Alkohol- und Drogenkonsum und damit einhergehend eine Enthemmung und Gewaltbereitschaft. Als guter Schachspieler habe der Mann eine hohe Intelligenz im Bereich der logischen Denkfähigkeit. Er bejahte den möglichen Erfolg einer Therapie für den Angeklagten, der als Scheidungskind nie eine feste Bezugsperson gehabt habe und verschiedensten Belastungsfaktoren unterworfen gewesen sei: "Allerdings muss auch die Nachsorge in einem strengen, strukturierten Rahmen erfolgen", betonte er.
Das Gericht verurteilte den Angeklagten letztlich nach Jugendstrafrecht wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Der 21-Jährige wandert aber vorerst nicht ins Gefängnis, sondern wurde vom Gericht in eine Entziehungsanstalt eingewiesen.