Vor 50 Jahren, am 4. September 1965, wurden das erste Mal live im Fernsehen die Lottozahlen gezogen. Marita Oppelt arbeitet seit 45 Jahren auf der anderen Seite des Glücks: Sie nimmt Lottoscheine und Lebensgeschichten entgegen.
35, 36, 21, 13, 45, 46, Zusatzzahl 1 - das waren die ersten Lottozahlen, die live im Fernsehen gezogen wurden. Das war am 4. September 1965.
Heute, genau 50 Jahre später, steht Marita Oppelt in ihrer kleinen Lotto-Annahmestelle bei Edeka im Kronacher Industriegebiet und packt ein paar Glückslose ein. Papierscheine, 500, 200, 100 Euro, aneinander gebunden, baumeln von der Decke. An der Wand hinter der Kasse hängt eine Urkunde: "Kompetenz-Zertifikat für Marita Oppelt" steht darauf.
Einiges hat sich geändert
Ab und zu belegt sie einen Deko-Kurs an der Lotto-Akademie in Nürnberg. Die Papierscheine waren ihre eigene Idee. An Weihnachten stellt sie schon mal einen Riesenteddy vor den Stand. Mehrmals im Jahr schickt die Bezirksstelle Test-Käufer, oft Siebzehneinhalb-Jährige.
Wer die Ausweiskontrolle versäumt, bekommt eine Abmahnung und eine Geldstrafe, wer die Kontrolle ernst nimmt, bekommt ein Zertifikat.
Oppelt ist 61 Jahre alt, groß, trägt Brille, hat kurzes braunes Haar. Sie ist selbstständig, hat zwei Angestellte. Den Stand bei Edeka hat sie seit fünf Jahren, seit 45 Jahren ist sie im Lottogeschäft tätig. Sie kennt genau einen Millionengewinner.
Es war noch zu DM-Zeiten, als er kam und ihr erzählte, er wäre der Millionengewinner und er sage das nur ihr und sonst niemandem. "Ich war total unglücklich", sagt Oppelt. Ihr einziger Trost sei gewesen, dass der Mann kein Kronacher war. Sie will es nicht wissen - und wenn sie es doch erfährt, hat sie eine Schweigepflicht. Egal, wie hoch der Betrag ist. Gewinne bis 2500 Euro sieht sie an ihrem Bildschirm, alles andere läuft über die Lotto-Bayern-Zentrale in München.
Es gibt diejenigen, die mit der Louis-Vuitton-Tasche kommen und diejenigen, die nach Bier riechen und ihr die 1,25 Euro für ein Spiel auf den Tresen zittern. Es gibt, sagt sie, vielleicht zwei oder drei Leute, denen sie einen Gewinn nicht unbedingt gönnen würde.
Früher, sagt sie, haben die meisten Betriebe Tippgemeinschaften gehabt, heute gibt es noch eine Tippgemeinschaft an ihrer Annahmestelle. Vielleicht sei der Zusammenhalt nicht mehr so groß, vielleicht würden die Jüngeren eher auf das Geld achten oder eben gleich online spielen. Sicher ist, der typische Lottospieler, der auf Papier seine Kreuze setzt, wird immer älter. Für die meisten ist es da schon mehr Gewohnheit als die Chance auf einen Millionengewinn."Irgendwas muss man ja treiben", sagt Josef Hempfling, Lotto-Spieler der ersten Stunde, als er den Schein bei Oppelt abgibt.
Der Job an der Lottotheke war nie ihr Traumberuf.
Lieber wäre sie Krankenschwester geworden. Die Arbeit macht ihr trotzdem Spaß. Auch deswegen, weil sie - zumindest was das Psychologische betrifft - gar nicht so weit von der Krankenschwester entfernt ist. "Ich begleite Menschen", sagt sie. Manchmal bis in den Tod. Die Frau, sagt Oppelt, kam seit Jahren, irgendwann erkrankte sie an Leukämie. Eines Tages kam sie, um sich zu verabschieden. Ihr Mann, sagt Oppelt, komme noch heute.
Oder der 95-Jährige, dessen Frau vor fünf Jahren gestorben ist. Oppelt hat die Trauer erlebt und sieht jetzt, wie er langsam wieder aufblüht. "An den werd' ich mich immer erinnern", sagt sie. Die blauen Augen, die charmante Art, wie er immer ihre Hand nimmt. Das Wesen des Glückspiels bringt es wohl mit sich, dass die meisten Menschen gut gelaunt sind, wenn sie an Marita Oppelts Theke kommen. "Die Leute freuen sich auch über einen Gewinn von elf Euro", sagt sie.
1300 Lotto-Scheine nimmt sie im Schnitt pro Woche an. Die stärksten Tage sind Freitag und Samstag. Kurz vor Weihnachten oder wenn der Jackpot an die 20 Millionen Marke herankommt, dann seien es auch mal mehr. "Zufallsspieler", nennt Oppelt das. An die Zahlen von früher reicht es aber auch da nicht heran. Als Oppelt vor gut 40 Jahren ihre Ausbildung in dem kleinen Leder- und Kurzwarenladen damals am Bahnhof begann, "da standen die Leute am Samstag auch mal quer über die Straße bis zum NKD".
Seit 45 Jahren ist Oppelt in einer Tippgemeinschaft. Sie sind zu sechst, alle noch von ihrer ersten Arbeitsstelle. Als sie vor Jahren einmal fünf Richtige hatten, bekam jeder 500 Mark.
Auf welche Zahlen sie seit 45 Jahren tippt? Marita Oppelt überlegt, dann lacht sie und sagt: "Das weiß ich eigentlich gar nicht."
Zahlen und Fakten rund ums Lottospielen
Die Anfänge Im 15. Jahrhundert beginnt die Geschichte des Lotto in Genua mit der Wahl der Ratsmitglieder. Die geheime Wahl entwickelte sich immer mehr zu einer Wettangelegenheit, bei der auf die einzelnen Mitglieder getippt wurde. Schließlich ersetzte man die Namen durch Zahlen und das erste Lotto "5 aus 90" war geboren.
Heute (Stand 2013) spielen in Deutschland über 40 Prozent der Menschen Lotto (2011 waren es noch über die Hälfte der Menschen).
Das Geld Den mit 45,4 Millionen Euro größten Jackpot in der deutschen Lottogeschichte teilten sich am 5. Dezember 2007 drei Spieler.
Den mit 37, 7 Millionen Euro höchsten Einzelgewinn erzielte 2006 ein Spieler aus Nordrhein-Westfalen. Der zweithöchste Einzelgewinn (31,7 Millionen) ging 2009 nach Bayern.
Die Zahlen Am 10. April 1999 wurden die Zahlen 2, 3, 4, 5, 6 und 26 gezogen. Es gewannen 38 008 Spieler mit fünf richtigen Zahlen jeweils 194 Euro.
Die Gewinner Die höchste Anzahl der Gewinner für 6 Richtige waren 222 Gewinner am 23. Januar 1988 mit einem Gewinn von 84 803 DM (umgerechnet etwa 43 359 Euro) - alle Gewinner hatten die beiden Drillinge 24, 25, 26 und 30, 31, 32 getippt.