Die Staatsanwaltschaft wirft einem 19-Jährigen aus dem Landkreis Kronach versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung vor. Seit Mittwoch muss sich der junge Mann vor der Großen Jugendkammer in Coburg verantworten. Der Prozess wird heute um 9 Uhr fortgesetzt.
Wie es dazu gekommen ist, dass er mit einem Deko-Dolch auf sein Opfer eingestochen hat, war für den 19-Jährigen gestern nicht erklärlich. Warum der junge Mann aus dem Kreis Kronach so klare Aussagen treffen konnte, insgesamt einen so aufgeräumten Eindruck machte, aber gerade den Moment der Tat nicht schlüssig schildern konnte, war hingegen für Richter und Staatsanwaltschaft schleierhaft.
Der 19-Jährige soll im Dezember auf einen Bekannten eingestochen haben, als er diesen mit seiner Ex-Freundin bei einer Party nach dem Geschlechtsverkehr angetroffen hatte. Ein Freund des Angeklagten, der zu diesem Zeitpunkt selbst an der jungen Frau interessiert war, hatte ihm bei einer anderen Feier von den Intimitäten berichtet. Das Opfer hatte bei der Attacke schwere Verletzungen an Leber und Zwerchfell erlitten und schwebte zeitweise sogar in Lebensgefahr.
Niedere Beweggründe Die Staatsanwaltschaft warf dem 19-Jährigen deshalb vor, einen versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung begangen zu haben. Die Tat sei heimtückisch und aus niederen Beweggründen begangen worden, hieß es.
Die Eltern des Angeklagten erklärten, der 19-Jährige sei zu Hause niemals aggressiv geworden. "Er war ein ganz lieber Bub", versicherte die Mutter. Und zur Tatzeit habe er bereits eine neue Freundin gehabt, weshalb er das Tief der Trennung hinter sich gelassen habe. "Er hatte mit seiner vorherigen Freundin abgeschlossen", meinte die Mutter. Ein Eindruck, den Vater und Sohn bestätigten.
Keine Rachegelüste Im Monat vor der Tat hatte sich der Angeklagte von seiner mehrjährigen Freundin getrennt, weil sie ihm untreu gewesen war. Zuvor hatte es bei einer Aussprache mit seinem damaligen Nebenbuhler - das spätere Opfer - allerdings schon einmal eine Rangelei gegeben, bei der er einen (relativ harmlosen) Schlag mit einem Schraubenschlüssel ausgeteilt hatte. Letztlich hat man sich aber doch wieder verständigt. Nach der Trennung hatte der Angeklagte seinen eigenen Angaben zufolge keine Rachegelüste gegenüber seiner "Ex" und dem anderen jungen Mann gehegt.
Trotzdem überstürzten sich in der Tatnacht die Ereignisse. Der Angeklagte war mit zwei Freunden von einer Feier zu einer anderen Party gefahren, wo seine "Ex" mit dem anderen Mann im Bett war. "Ich wollte mit ihnen reden, damit es meinem Freund wieder besser geht", berichtete der 19-Jährige von seinem angeblichen Vorsatz, seinem Kumpel zu helfen. Dieser drohte schließlich, in die gleiche Situation zu geraten wie er selbst zuvor. "Und aus Reden ist Zustechen geworden", quittierte Vorsitzender Richter Gerhard Amend diese Aussage.
Aus Schlag wurde Stich Warum der 19-Jährige anstatt mit dem im Bett liegenden Gegenüber zu sprechen einen Boxschlag in den Bauch austeilen wollte. Warum er den Dolch bei einer anderen Feier eingesteckt hatte und ihn plötzlich in der Hand hielt. Warum er weggegangen ist, das ganze Geschehen nicht bewusst erlebt haben will, all das konnte sich der Angeklagte selbst nicht erklären. "Ich bin weg, weil ich erst einmal klarkommen wollte, realisieren musste, was passiert ist", stellte er bloß fest. Dass der 19-Jährige kein Schlägertyp ist, unterstrich sogar das Opfer selbst. "Ich habe ihm so etwas nicht zugetraut. Er ist Streit eher aus dem Weg gegangen. Ich habe ihn nie schlagen sehen", berichtete der damals Niedergestochene vor Gericht, ehe sich der Angeklagte unter Tränen bei ihm entschuldigte.
Die ehemalige Freundin bemerkte hingegen, dass ihr "Ex" in der Endphase ihrer Beziehung sehr wohl eine Wandlung durchgemacht habe, aggressiver aufgetreten sei, geschrien und sie beleidigt habe. Die gleiche Veränderung wollte der 19-Jährige jedoch im umgekehrten Fall auch bei ihr festgestellt haben.
Während beim Angeklagten nach der Festnahme etwa 0,5 Promille Alkohol im Blut (zur Tatzeit geschätzte 0,9) festgestellt wurden, belief sich der Wert bei seinem verliebten Kumpel zur gleichen Zeit auf 1,26 Promille. Deshalb "erinnere ich mich nur noch an Fetzen", behauptete dieser. Das Gericht hegt daran jedoch Zweifel.
Völlig fix und fertig Wie der Freund und weitere Zeugen festhielten, seien er und der Angeklagte wütend zum Tatort gefahren. Auch von Befürchtungen einer Eskalation sei die Rede gewesen. Wie ebenfalls mehrere Zeugen feststellen, sei der sonst so ruhige Angeklagte mit einem Tunnelblick losgezogen und völlig fix und fertig zurückgekehrt. "Er war von sich selber geschockt", beschrieb eine Zeugin sein Auftreten nach der Tat.