Anwohnerbeschwerden und unsinnige Verbote: Soll die fränkische Kultur etwa aussterben?
Autor: Dunja Neupert-Kalb
Franken, Samstag, 04. Juli 2020
Immer mehr Feste, Clubs und Kneipen sterben. Doch daran ist nicht (nur) Corona schuld. Es sind vor allem die Anwohner, die der Innenstadt das Leben austreiben wollen. Das darf die Stadt nicht akzeptieren. Ein Kommentar von Dunja Neupert.
Menschenscharen tummeln sich vor dem Schlenkerla oder auf der Unteren Brücke in Bamberg. Stehen gemütlich beisammen und gönnen sich ein Bier oder ein Glas Wein. Unterhalten sich. Manchmal sicherlich auch zu laut. Manchmal auch mit einem Bier zu viel. Aber: Ein Stehbier vorm Schlenkerla oder auf der Unteren Brücke gehört einfach zu Bamberg dazu.
Touris und Einheimische frönen einem kühlen Stehbier gleichermaßen. Es macht die Stadt lebendig - das gemütliche Beisammensein. Es ist nicht nur das Welterbe Klein Venedig, das jedes Jahr Tausende Touristen aus aller Welt in die schöne Bamberger Altstadt strömen lässt. Es ist ganz sicher auch der Fakt, dass hier was los ist. Man nicht, wie in vielen anderen Kleinstädten, das Gefühl hat, dass nach 18 Uhr die Bürgersteige hochgeklappt werden. An lauen Frühlings- und Sommerabenden verweilen die Leute nicht nur auf den zahlreichen Bierkellern - nein, auch das Brückenbier sowie das Stehbier, was traditionell vor dem Schlenkerla in der Sandstraße zu sich genommen wird, sind seit Jahren fester Bestandteil der Bamberger Kultur.
Allgemeinverfügung erlassen: Kein Stehbier mehr nach acht
Und nun soll damit also Schluss sein? Weil sich einige Menschen nicht an Regeln halten können? Und Anwohner der - auch über Bamberg hinaus bekannten -Sandstraße offenbar wollen, dass die fränkische Bierkultur ausstirbt? Unbegreiflich! Am Donnerstag (2. Juli 2020) ergriffen Bambergers Bürgermeister eine ungewöhnliche Maßnahme: An Wochenenden und vor Feiertagen gilt ab sofort ein Verbot des Straßenverkaufs von alkoholischen Getränken. Dabei hatten sich viele Gastronomen mit ihrem Straßenverkauf ein lukratives Standbein aufgebaut. Sowieso schon gebeutelt von der Corona-bedingten, wochenlangen Schließung ihrer Lokale, konnten sie sich so zum Teil aus der finanziellen Krise retten.
Spätestens seit der Lockerung der Kontaktbeschränkungen konnte man im Sandgebiet Zustände wie bei der traditionellen Sandkerwa beobachten. Dicht an dicht standen Hunderte Menschen auf einem Fleck. Dabei ist dichtes Gedränge freilich nicht gerade förderlich angesichts der aktuellen Situation. Abstands- und Hygienemaßnahmen lassen sich so nicht einhalten. Doch braucht es wirklich ein Außer-Haus-Verkaufs-Verbot? Müssen jetzt wieder die Wirte unter den Beschränkungen leiden und ihren Verkauf einstellen?
Es muss eine andere Lösung her!
Anzeigen wegen Ruhestörung als neues Hobby?
Corona-Beschränkungen und Abstandsregeln sind jedoch nicht die einzige Gefahr für das kulturelle Leben. Dass sich in der jüngsten Vergangenheit Beschwerden von Anwohnern häufen, ist dramatisch. Bambergs Oberbürgermeister spricht im Zusammenhang mit der neuen Allgemeinverfügung davon, dass es erhebliche Ruhestörungen an den Hot-Spots der Innenstadt gebe.
Freilich wäre es schön, wenn die Nachtschwärmer zum Teil leiser wären, wenn sie durch die Straßen ziehen. Doch von Ruhestörung kann man nur sprechen, wenn entsprechende Beschwerden vorliegen. Und das geschieht offenbar immer häufiger. Bewohner des Sandgebiets fühlen sich also zunehmend gestört? Hatten sie sich etwa an die "Zwangs-Ruhe" des Corona-Lockdowns gewöhnt und wollen jetzt, dass es dauerhaft verboten bleibt, auszugehen? Es ist absurd.