Jedes Jahr findet ein internationales Gipfeltreffen von Weltklasse-Gitarristen in Reichenberg statt. Und jedes Jahr könnte es das letzte sein. Gibt es noch ein 11. Mal?
Reinhold Deinhardt schwebt auf Wolke 7, als das Jubiläumskonzert läuft: Im 10. Jahr Guitar Masters hat er ein Best-of-Programm auf die Bühne gezaubert, das seine Erwartungen und die des Publikums vollkommen erfüllt. Alle Weltklasse-Gitarristen der vergangenen Masters-Jahre sind seinem Ruf gefolgt.
Mit Coryell fing alles an
Alle bis auf einen: Larry Coryell, die amerikanische Jazzrock-Legende , ist 2017 gestorben. Er war ein wesentlicher Grund, warum der gitarrenbegeisterte Deinhardt 2008 das erste Masters veranstaltet. Coryell und andere Gitarrengötter der Jazz-, Fingerpicking- und Bossa-Nova-Szene sollen in Deutschland zusammen auftreten. Nicht irgendwo, sondern in Reichenberg. Davon träumt Deinhardt.
Aber um die Stars der Szene für den Würzburger Vorort zu interessieren, braucht es ein Zugpferd. Und ausgerechnet Coryell, der mit allen Jazz-Größen dieser Welt gespielt hat, lässt sich von ihm einspannen. Jahr für Jahr fliegt der Texaner ein. Um mit dem Meister spielen zu dürfen, machen auch andere Spitzenmusiker einen Abstecher nach Reichenberg – manche, weil sie sowieso in Europa auf Tournee sind; andere buchen den Direktflug von Südamerika oder Japan nach Frankfurt und zurück.
Der Lohn der Musiker
Ihr Lohn: ein Aufeinandertreffen von Talenten, wie man sie selten an einem Abend findet. Und so bilden sich immer wieder neue Konstellationen von Kollegen, die einander kennen, aber noch nie miteinander gespielt haben. Solche einmaligen Gelegenheiten lässt sich das gitarrenliebende Publikum nicht entgehen: Die 400 Mann fassende Wolffskeelhalle mag robusten Charme haben, aber dass man die Musiker an der Garderobe oder an der Theke ansprechen kann, macht ihren besonderen Reiz aus. Und nah dran am Bühnengeschehen ist man allemal, wenn man rechtzeitig kommt und sich einen vorderen Platz ergattert.
Dort kann man während eines Auftritts die berühmte Stecknadel fallen hören, jedenfalls in den ruhigen Passagen, denn die Zuhörer, meist im gesetzten Alter, lauschen hoch konzentriert, wenn die Musiker ihr Können entfalten. Wenn dann ein Stück zu Ende ist, bricht sich lauthals Begeisterung Bahn. Dieser Rhythmus – nur unterbrochen durch kurze Umbaupausen – hält fünf Stunden lang an, manchmal auch sechs. Das hängt von der Spielfreude der Musiker in den wechselnden Konstellationen ab. Und die ist in Reichenberg meistens groß. „It's a pleasure“ klingt dort nicht wie eine Plattitüde, sondern wie ein Bekenntnis und ein Dankeschön.
Auf vielen Festivals unterwegs
Wie bekommt Reinhold Deinhardt das zustande? Der Endfünfziger ist seit Jahrzehnten auf Gitarrenfestivals in vielen Ländern unterwegs und hört sich seine Künstler an. Erstes Kriterium für die Auswahl ist sein persönlicher Geschmack. Das zweite: ein populäres Zugpferd fürs Publikum zu finden. Das dritte: Er will Musiker auf die Bühne bringen, die noch nicht miteinander gespielt haben, so dass Neues entsteht.
Deinhardt plant einen Guitar-Masters-Abend akribisch: Wer kann mit wem? Welche Nummern sollten dabei sein? Was trifft den Publikumsgeschmack? Welche Wechsel müssen wann kommen? Sein Konzert folgt einer strengen Dramaturgie. Das geht so weit, dass er den Musikern schon mal „Anregungen“ gibt, was sie spielen sollen. Normalerweise mögen das die Künstler nicht so sehr, doch „dem Reinhold“ verzeihen sie viel. Wohl, weil sie spüren, dass in Reichenberg jemand mit so viel Sachverstand, Gefühl und Engagement bei der Sache ist, dass sie ihm kaum einen Wunsch abschlagen. Das erklärt, warum sie immer wieder Stücke „für Reinhold“ spielen.