Patrick Schneiders langer Anlauf zum Deutschen Meister über 400 Meter

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Patrick Schneider (rechts) läuft bei den deutschen Hallen-Meisterschaften in der Leichtathletik in Leipzig beim 400-Meter-Finale der Männer als Erster ins Ziel.
Martin Schutt, dpa
Patrick Schneider mit 18 Jahren: Damals spielte er Fußball beim TSV Geiselwind.
Andreas Stöckinger

Patrick Schneider wächst im Steigerwald zwischen Geiselwind und Ebrach auf. Fußball spielt er mal beim TSV Abtswind. Heute ist der 29-Jährige in der Leichtathletik erfolgreich.

Am vergangenen Sonntag wurde Patrick Schneider Deutscher Meister im 400-Meter-Lauf in der Halle. Der für den TV Wattenscheid startende Langsprinter siegte in 46,44 Sekunden und qualifizierte sich damit für die Hallen-Weltmeisterschaften im März in Belgrad.

Der 29-Jährige ist ein Spätstarter mit ungewöhnlicher Karriere und Geschichte. Er begann erst 2014 mit 21 so richtig mit der Leichtathletik, nur drei Monate später wurde er Süddeutscher Meister der U 23 über 400 Meter.

Schneider wuchs in einer Pflegefamilie in der Nähe von Geiselwind auf. Noch mit 21 Jahren spielte er Fußball, erst beim TSV Geiselwind, später unter anderem beim TSV Abtswind , ehe er richtig Anlauf in der Leichtathletik nahm.

Olympia verletzt verpasst

Am Montag nach den Meisterschaften saß Patrick Schneider im Zug, um von Nürnberg, wo seine Freundin wohnt, nach Frankfurt zu fahren. Dort trainiert und arbeitet er unter der Woche. Sein erster Meistertitel freue ihn, auch wenn er nicht ganz überraschend gewesen sei, bekannte er. Zum Kreis der nationalen Topläufer auf dieser Strecke gehört er seit geraumer Zeit. Im Vorjahr kostete ihn ein Anriss der Achillessehne die Olympia-Teilnahme in Tokio .

Nach seinem Sieg in Leipzig gingen etliche Glückwünsche auf dem Handy ein, auch aus seiner früheren Heimat. Einer kam von Christoph Mix, dem Manager vom TSV Abtswind , wo Schneider 2012 für kurze Zeit sein fußballerisches Glück versuchte. "Da freut man sich. Wir hatten zuletzt weniger Kontakt, aber Christoph war schon immer ein Unterstützer von mir."

Mix verfolgte Schneiders Weg über den Kontakt zu dessen Pflegefamilie: "Patrick war damals schon eine Rakete, manchmal war er schneller als der Ball. Er hat einige Tore geschossen, war aber nicht der filigrane Techniker", erinnert sich Mix.

Beim Fußball der Flügelflitzer

Der frisch gebackene Deutsche Meister gibt zu: "Am Ball war ich nicht der Begabteste. Ich spielte meistens außen, da bekam ich oft Steilpässe und habe die anderen dann überlaufen." Die Bundesliga verfolgt der BVB-Fan zwar, die Ergebnisse seiner früheren Vereine aber nicht mehr regelmäßig. "Ich weiß aber, dass Abtswind in der Bayernliga spielt."

Mit neun Jahren kam Schneider zu einer Pflegefamilie – nach Kleinbirkach, ein 30-Einwohner-Weiler im Steigerwald zwischen Geiselwind und Ebrach. Die Pflegefamilie betrieb dort einen Pferdehof, zum Fußballtraining wurde Patrick nach Geiselwind gefahren. Dort kickte er in der Jugend des TSV, später bei den Männern, ehe es ihn nach Abtswind zog.

Das mit der Leichtathletik hatte Schneider schon länger im Kopf: "Ich wusste, dass ich schnell bin. Deswegen wollte ich mich einmal mit Leichtathleten messen, weil ich mir zu der Zeit nicht vorstellen konnte, dass es jemanden gibt, der schneller ist als ich." Er meldete sich beim für ihn nächstgelegenen Verein mit einer Leichtathletikabteilung, dem TSV Burghaslach, an: "Ich war 21, habe dort teilweise mit Kindern trainiert, oft vor dem Fußball. Nach nur drei Monaten wurde ich Süddeutscher Meister, dann ging ich zur LAC Quelle Fürth."

Von da an startete Schneider richtig durch. Bei den deutschen Meisterschaften 2017 in Erfurt und 2018 in Nürnberg sprintete er über 400 Meter jeweils auf Platz zwei. Er qualifizierte sich damit für die EM im gleichen Jahr in Berlin, sein persönlicher Höhepunkt bisher. Dort lief er, wie 2016 in Amsterdam, für die deutsche 400-Meter-Staffel.

Leistungssport nebenbei

Schneider arbeitet seit zehn Jahren bei einem großen Sportartikelhersteller. Im September hat er ein Fernstudium begonnen. "Von 700 Euro Förderung durch die Sporthilfe kann ich nicht leben. Ich brauche aber auch etwas für die Birne." Den Leistungssport betreibe er quasi nebenbei, bis zu 20 Stunden trainiere er pro Woche.

Kontakt zu seinen Pflegeeltern in Geiselwind hat er regelmäßig. Sein "Pflegeopa" Horst Hundertmark hält große Stücke auf ihn. "Patrick gehört zu unserer Familie, ich habe ihn immer gefördert. Er kommt auch mal vorbei und hilft mir, wenn ich Probleme mit dem Computer habe." Zuletzt beim deutschen Meistertitel in Leipzig war Hundertmarks Tochter Stefanie natürlich vor Ort live dabei, um Patrick die Daumen zu drücken.

Im vergangenen Jahr zwang ihn die Achillessehne zu einer langen Pause. Erst im Herbst war der 29-Jährige wieder fit. Zuletzt trainierte er für die 800-Meter-Distanz, die er künftig angehen möchte. "Das ist langfristig mein Ziel." In diesem Sommer steht die EM in München an, dazu locken die Olympischen Spiele 2024 in Paris.