Auch ferngesehen in dieser Woche? Auf die Enthüllung des Abends beim FC Bayern gewartet? Uli Hoeneß war angekündigt, doch dann passierte Sonderbares.
Dienstag hatte die ARD mal wieder eine Sternstunde. Zur besten Sendezeit lief im ersten Programm das Pokalspiel des FC Bayern München und des VfL Wolfsburg. Ein ödes, langweiliges, einschläferndes Stück Fußball. Der FC Bayern unter Carlo Ancelotti, das erinnert an die Schlange Kaa im „Dschungelbuch“, die dem Menschenkind Mogli bloß in die Augen sehen musste, damit es in Tiefschlaf verfiel. Sagte nicht Uli Hoeneß später, der Trainer sei dieser Tage der Unaufgeregteste im ganzen Verein?
Wobei wir beim Thema wären. Es muss um die zwanzigste Minute gewesen sein, im Spiel war gerade mal wieder wenig los, da verwies der Reporter zum ersten Mal darauf, dass eben jener Hoeneß später im Studio sein werde und er gespannt sei, was dieser sonst so eloquente Präsident zur Personalie des Abends zu sagen habe: dem Abschied Philipp Lahms am Saisonende beim FC Bayern.
Es waren zu dieser Zeit noch etwa siebzig Minuten zu spielen – und ohne den wiederholten Hinweis auf Hoeneß hätte ich mir diesen Stuss ganz gewiss nicht bis zum Ende angetan. Ich wette mal, es ging mir nicht als einzigem so.
Wir Journalisten reden da von einem Cliffhanger. Der Leser oder Zuschauer wird mit einer kurzen, knackigen Botschaft neugierig gemacht, um ihn in ein Thema hineinzuziehen, und dann wird er auf später vertröstet.
Etwa so: Ein Mann kann sich im Steilhang nur noch an einem Büschel Gras festhalten und droht, in der nächsten Sekunde abzustürzen. Man sieht, wie die Hand ins Leere greift und . . . – Musik, Abspann, Fortsetzung folgt. Das Publikum wird auf dem Höhepunkt einer Szene im Unklaren gelassen. Wie es weitergeht? Bleib dran, und du wirst es erfahren.
Auf dem Online-Portal dieser und anderer Zeitungen funktioniert das am Besten mit einem inspirierenden Vorspann vor jedem Artikel. Probieren Sie es ruhig mal aus. Gehen Sie zurück auf die Übersicht, lesen Sie den Anreißer, also den Einstiegssatz, und überlegen Sie dann, ob er Sie neugierig gemacht hätte auf den weiteren Inhalt.
Ob Sie sogar bereit gewesen wären, die Bezahlschranke zu überspringen und dafür – sagen wir – 20 Cent zu bezahlen. Wenn ja, hat der Cliffhanger seine Funktion erfüllt.
Was nun das Pokalspiel angeht, so hat die ARD am Dienstagabend zunächst einmal alles richtig gemacht. Das Publikum blieb gefesselt vor dem Fernseher hocken, bis diese Partie endlich abgepfiffen war. Ein letzter Hinweis auf Uli Hoeneß durfte nicht fehlen, und einige Minuten später war es so weit.
Der Präsident kam ins Studio, um den Hals einen rot-weißen Bayern-Schal. Jetzt aber ran an das Thema, dachte ich, doch der Studiomoderator plauderte erst mal eine gefühlte Ewigkeit über das vorherige Nichtereignis. Um die Spannung auf die Spitze zu treiben? Dann, endlich, stellte der Mann die Gretchenfrage: Was es denn mit der Nachricht auf sich habe, dass Lahm am Saisonende aufhören wolle beim FC Bayern?
Hoeneß blieb ganz ruhig, so ruhig wie zuvor sein Trainer während des ganzen Spiels gewesen war. Ja, nun, also . . . da könne er gerade wirklich nichts sagen. Wie bitte? Jetzt wurde ich ungehalten. Soll das heißen, ich habe mir den ganzen Abend und die halbe Nacht um die Ohren geschlagen, um dann – nichts zu erfahren?
Hoeneß setzte sein diabolisches Lächeln auf, das man noch von früher kennt. In diesem Moment war klar: Er wird in dieser Nacht nichts mehr Sachdienliches von sich geben.
Dass Lahm selbst nur kurz darauf aus der Kabine kam und freimütig erzählte, was Hoeneß so hartnäckig zurückzuhalten suchte, war die Ironie in dieser Geschichte und die unfreiwillige Pointe.