„Löw hat nur auf großen Druck gehandelt“
Claus Bidner (Abteilungsleiter des Fußball-Kreisklassisten SpVgg Gülchsheim): Joachim Löw hat im letzten Spiel gegen Frankreich ein bisschen nachjustiert, aber ob wir die Probleme damit in den Griff bekommen – ich weiß nicht. Wir haben nach wie vor keinen richtigen Stürmer, aber der Bundestrainer hat hier angesichts der Schnelligkeit von drei oder vier Spielern andere Optionen.
Den großen Umbruch hat er nicht eingeleitet. Er hätte schon deutlich eher auf die Jungen setzen können und müssen, wenn man wirklich radikal sein und alles auf den Prüfstand stellen will. Ich bin ja auch schon länger im Fußballgeschäft und weiß: Man braucht eine Achse aus erfahrenen Leuten, aber wenn ein Thomas Müller seine Leistung nicht bringt, muss er halt mal auf die Bank, so schwer es ihm auch fällt.
Die Aufstellung zuletzt gegen Frankreich ist unter großem öffentlichen Druck – vielleicht auch aus Teilen der Mannschaft – entstanden. Für mich stellt sich die Frage, ob der Bundestrainer von diesen Veränderungen wirklich überzeugt ist. Ich denke, auf die erste Halbzeit ge-gen Frankreich lässt sich aufbauen. Dazu ist es aber nötig, dass Löw nicht im nächsten Spiel wieder alles rückgängig macht und er weiter auf die Jungen setzt, zum Beispiel einen Kimmich, der sicherlich ein Spieler der Zukunft sein wird.
„Die Dankbarkeit war ein großer Fehler“
Thomas Latteier (Trainer beim Fußball-Bezirksligisten TSV/DJK Wiesentheid): Joachim Löw hätte nach dem WM-Titel vor vier Jahren einen sauberen Schnitt machen und auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn abtreten sollen. Mehr geht doch nicht. Es ist jetzt an der Zeit, in die Nationalelf frischen Wind zu bringen. Ich sehe bisher aber wenig von dem groß angekündigten radikalen Umbruch.
Löw hat in Frankreich unter massivem Druck die Jungen reingeworfen, aber ich denke, er hatte schon Bauchschmerzen, etwa einen Thomas Müller draußen zu lassen. Dabei war Müller einer der vielen altgedienten Spieler, die während der Weltmeisterschaft ihre Leistung nicht abgerufen haben. Der Bundestrainer hat zu lange auf Dankbarkeit vertraut, er hat seinen Weltmeistern einen Bonus eingeräumt – das war ein großer Fehler. Ich bin mir nicht sicher, ob er das schon eingesehen hat.
Wenn man als amtierender Weltmeister bei einer WM eine solche Pleite hinlegt und in einer vergleichsweise leichten Gruppe kein einziges überzeugendes Spiel liefert, muss ich mich als Trainer schon hinterfragen. Aber Löw hat sich die Sache einfach gemacht und auf Zeit gespielt. Er hat zwei Monate vergehen lassen, bis sich die Aufregung gelegt hat, und dann einen Neuanfang beschworen. Leider ist davon wenig zu sehen.
„Der DFB wird sich irgendwie durchschlängeln“
Wolfgang Beischmidt (Trainer beim Fußball-Kreisligisten SV Sickershausen): Ich glaube, ein Wechsel an der Spitze hätte gut getan, nicht weil Joachim Löw ein schlechter Trainer wäre, sondern weil er schon sehr lange da ist. Nach so vielen Jahren wäre ein neuer Impuls sinnvoll. Man tut sich als Trainer schwer, über einen so langen Zeitraum die Spannung hochzuhalten und sich dabei immer wieder neu zu erfinden. Das ist ganz normal in diesem Geschäft.
Mich hat die stellenweise ausgebrochene Begeisterung nach dem jüngsten Spiel in Frankreich etwas überrascht. Diesen personellen Umbruch, der da bejubelt wurde, hätte es viel früher geben müssen, nicht erst auf massiven Druck hin. Der wäre nach dem erfolgreichen Confed-Cup fällig gewesen. Ich bin mir auch nicht sicher, ob eine ordentliche erste Halbzeit wie gegen Frankreich schon als Signal für einen Aufbruch taugt.
Ich vermisse nach wie vor dieses neue, schlüssige Konzept, das nach dem WM-Aus angekündigt war. So gesehen war die jüngste Niederlage, die ja im Endeffekt sogar unglücklich war, eher kontraproduktiv. Mir wäre so eine 0:3-Klatsche wie zuvor gegen die Niederlande lieber gewesen. Ich fürchte nämlich, der DFB wird sich jetzt wieder irgendwie durchschlängeln, statt den dringend nötigen personellen Umbruch voranzutreiben.