Putsch: Zwischen Schock und Stolz

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Aftermath of an attempted coup d'etat in Turkey
Präsident Recep Tayyip Erdogan (rechts) und sein Vorgänger Abdullah Gul tragen die Särge von Erol Olcok und seinem Sohn Abdullah Tayyip Olcok, die beim Putschversuch in Istanbul ums Leben kamen.
Aftermath of an attempted coup d'etat in Turkey
Foto: DPA
Attempted Military Coup in Turkey
Sonntag auf dem Taksim-Platz in Istanbul: Nach den Ereignissen vom Freitag demonstrieren viele Türken.
Attempted Military Coup in Turkey
Foto: Marius Becker (dpa)
Attempted Military Coup in Turkey
Montag, 18. Juli: Ein Polizist eines Sondereinsatzkommandos bewacht die „Attatürk Airforce Acadamy“ in Istanbul.
Attempted Military Coup in Turkey
Foto: Marius Becker (DPA)

In Kitzingen diskutieren die türkischen Mitbürger über den Putschversuch am vergangenen Freitag. Wer waren die Hintermänner? Wie geht es jetzt weiter?

„Es war schlimm, gravierend und unerwartet.“ Yüksel Sari ist der Schock auch am Montagmorgen noch anzuhören. Der Putschversuch in der Türkei, der Aufmarsch des Militärs, die mehr als 250 Toten: All das hat natürlich auch die türkischstämmigen Menschen in Kitzingen in Atem gehalten. In den Dönerläden, auf der Straße und in der Moschee wird diskutiert: Wie konnte es so weit kommen? Und vor allem: Wie geht es weiter?

Sari ist Vorsitzender des Vereins Neue Moschee e.V. in Kitzingen. Wie die allermeisten seiner Landsleute hat er das Wochenende vor dem Fernseher verbracht. Bloß keine neue Entwicklung verpassen, immer auf dem Laufenden bleiben. Der Ausgang des Putschversuches ist ganz in seinem Sinne. Die Demokratie hat gesiegt.

„Wir haben für die Demokratie gekämpft“, erinnert Sari. „Unsere Regierung ist mit 52 Prozent demokratisch gewählt worden.“ Mit einer Diktatur habe die Amtszeit von Präsident Erdogan deshalb auch nichts zu tun. Der Putschversuch sei von einer kleinen Gruppe gestartet worden. Die Mehrheit der Türken habe ganz andere Ziele.

Unterstützer aus dem Ausland?

Und wer sind die Strippenzieher hinter dem Putschversuch? Yüksel Sari legt sich fest: Die Türken alleine könnten so einen Aufstand gar nicht stemmen. Es müsse eine Unterstützung aus dem Ausland gegeben haben. „Die USA und die EU wollen die türkische Regierung schon länger in den Schmutz ziehen“, kritisiert er. Hinter dem Putsch vermutet er den Prediger Fethullah Gülen, der seit 1999 in den USA lebt.

Eine ausländische Macht machen auch die vier Männer verantwortlich, die Montagvormittag vor dem Eingang eines Dönerladens in der Falterstraße stehen. Sie alle stammen aus der Türkei, diskutieren über die Ereignisse vom Wochenende. „Von außen“, sei der Putsch inszeniert wurden. „Das war kein Putsch gegen Erdogan, das war ein Angriff gegen das Volk“, sagt einer der Männer um die 50. Denn wenn es nur um die Regierung Erdogan gegangen wäre, warum habe man dann Flughäfen besetzt, die Bosporus-Brücke gesperrt?

Hunderte Menschen sind gestorben. Wenn sich das Volk nicht gewehrt hätte, dann wären es noch mehr gewesen, fügt einer hinzu. Was man mit den Putschisten machen sollte? Einer der Männer fährt sich mit dem Daumen über den Hals, hebt die Hand in die Höhe. Aufhängen.

Es wird laut, die vier diskutieren kurz auf Türkisch. Die Todesstrafe sei sicher hart, aber wenn sie einmal gebraucht würde, dann doch bei so etwas. Man ist sich einig: Da wollten einige die Macht an sich reißen, ein hehres Ziel hätten sie nicht verfolgt.

Ob der Putschversuch überraschend kam? „Ich warte eigentlich schon seit 10 bis 15 Jahren darauf“, sagt einer der Männer. „Es gab bereits ein paar Tage vorher Warnungen bei Facebook.“ Jedoch nichts genaues, nur das etwas im Busch sei. Die einfachen Soldaten, die sich am Putsch beteiligt hätten, hätten doch teilweise gar nicht gewusst, was vor sich geht. „Man hat ihnen erzählt, es sei eine Übung“, vermutet einer. Die anderen nicken.

Aufräumen ist noch nicht vorbei

Es wird viel spekuliert, es muss viel spekuliert werden: Es fehlen noch Informationen. Wer sind die Hintermänner, wer war beteiligt? „Da hat jeder eine andere Meinung“, sagt einer der Männer und lächelt. Ob nun weitere Unruhen drohen? „Unruhen gibt es doch schon lange“, antwortet er. Sicher sei nur: Das Aufräumen nach dem Freitag, sei noch lange nicht vorbei. „Das wird noch mindestens zwei Jahre dauern.“

Die Macht des Präsidenten Erdogan ist durch die Vorkommnisse des Wochenendes weiter gestärkt worden. Davon ist Yüksel Sari überzeugt. „Die Zukunft wird sicher nicht ruhiger“, prophezeit er. Hoffnungslos ist er deshalb aber nicht. Das türkische Volk stehe in der Not zusammen. „Die Opposition hat zusammen mit der regierenden Partei bis zum Schluss gegen die Putschisten gekämpft“, erinnert er. „Das erfüllt mich mit Stolz.“