Wo 100 Blumen blühen

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Erst die Berührung verrät: Diese Sonnenblume ist nicht echt.
Foto: Robert Wagner
Im „Showroom“ von H. Andreas entwickelt sich durch die vielen künstlichen Pflanzen und Früchte eine ganz eigenartige Atmosphäre.
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Die Saison für diese Pfingstrosen ist das ganze Jahr.
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Die Firma H. Andreas importiert Kunstblumen aus China – und exportiert sie weltweit.

Rosen, Tulpen, Lilien, aber auch Kakteen, Orchideen und Efeu. Mitten im großen, Licht durchflutenden Raum steht ein Orangenbaum. Im „Showroom“ der Wiesentheider Firma H. Andreas fühlt man sich wie in einem botanischen Garten. Nur dass die hohe Luftfeuchtigkeit fehlt. Und der Geruch feuchter Erde, der Duft unzähliger Blüten.

Die Farbenpracht täuscht das Auge. Die Illusion ist fast perfekt. Denn alle Pflanzen hier sind künstlich. Hergestellt werden sie in China. „Zu hundert Prozent“, sagt Dieter Nixdorf, seit 2001 Geschäftsführer der Firma. Rund 300 Container importieren die Wiesentheider aus dem Land der Mitte. Kein anderes Land könne Kunstblumen in vergleichbarer Qualität liefern.

In minutiöser Handarbeit werden die Blüten einzeln gesteckt. „Die Arbeiter haben unendliche Geduld – ich könnte das nicht“, ist Nixdorf beeindruckt. Sein Alltag ist eher hektisch. Im Gespräch wirkt er energisch, fast getrieben. Seit er die Firma 2001 aus der Insolvenz übernahm, habe sich das Geschäft noch einmal beschleunigt und der Wettbewerb verschärft. Regelungen und Gesetze sind hinzu gekommen, die Steuerlast mache der Firma zu schaffen, erzählt der Geschäftsführer. Unterstützung seitens der Politik fehle. An Wachstum und zusätzliche Investitionen sei nicht zu denken.

So läuft das Geschäft weiter, wie es bereits seit vielen Jahre erfolgreich läuft: Als Zwischenhändler kaufen die Wiesentheider Blumen, Pflanzen und Dekorationen bei etwa 20 verschiedenen Fabriken in China ein. Regelmäßig sei man mit Entwicklern und Designern vor Ort, um mit dortigen Kollegen neue Produkte zu entwickeln. Das geht von kleineren Anpassungen in Farbe und Form bis hin zu völlig neuen Blüten- und Gesteckvarianten. Man müsse sich den Wünschen der Kunden anpassen. Auch wenn die Zeit, in der kulturelle Unterschiede und jährliche Moden die Produktliste prägten, vorbei sei. „Dieses Jahr haben wir vielleicht den besten Katalog, denn wir je hatten“, sagt Nixdorf stolz.

Aus diesem können sich die rund 4500 Kunden weltweit bedienen. Aktiv an die Kunden herangetragen werden die Kunstpflanzen kaum noch. Im Jahr 2013 musste die Firma umstrukturieren und fast die Hälfte der Vertreter entlassen. „Sonst hätten wir heute große Probleme.

“ Sowieso basiert der Erfolg der Wiesentheider vor allem auf Bestandskunden. „Einmal Andreas, immer Andreas“, sagt Nixdorf. In seiner Zeit habe man nur einen Großkunden verloren.

Einen Großteil der Ware liefert die Firma nach Deutschland. Der Export läuft vor allem in die südlichen Nachbarländer – Österreich, Italien und die Schweiz. Besondere Maßnahmen müssen dafür nicht getroffen werden. „Der Transport nach Italien läuft prinzipiell genauso wie nach Bottrop.“ Einzig beim Handel in die Schweiz sind andere Bestimmungen zu beachten. Problematisch seien hingegen die steigenden Transportkosten.

Umso erstaunlicher, dass auf der Liste der Kunden auch solche aus dem mittleren Osten, aus Afrika und Indien stehen – wenn auch zahlenmäßig deutlich in der Minderheit.

Werden tatsächlich Waren per Schiff nach Deutschland geschickt, um sie dann von hier nach Indien zu liefern? „Ja, die Kunden in Indien kämen gar nicht an die großen Lieferanten in China ran“, erklärt Nixdorf.

Auch da zeige sich die Bedeutung persönlicher Kontakte. Persönliche Erfahrung mit seinen Geschäftspartnern zu haben, sich ein Vertrauen erarbeitet zu haben, das sei auch heute, in einer digitalisierten Welt, noch von unschätzbaren Wert.

Besonders zeigt sich das in China. „Die Mentalität ist da eine ganz andere“, weiß Nixdorf. „Das wichtigste für die Geschäftspartner dort ist, nicht ihr Gesicht zu verlieren.“ Vorsicht sei stets angebracht. Ein falsches Wort und man könne seinen lang erarbeiten Kontakt verlieren. „Das musste sich auch erst lernen“, gibt Dieter Nixdorf zu.

Eine eigenartige Mischung. Denn in der internationalen Wahrnehmung ist der „chinesische Drache“ Symbol für Energie, Power und grenzenloses Wachstum. Im persönlichen Umgang hingegen seien Sensibilität und Zurückhaltung zentrale Werte.

Für Dieter Nixdorf sind die Chinesen hervorragende Geschäftspartner. Er hat Parallelen zwischen der deutschen und chinesischen Unternehmenskultur ausgemacht. In beiden Ländern sei man zuverlässig und ehrlich.

Viel hängt für die Firma H. Andreas von ihren chinesischen Lieferanten ab. Und so beobachtet Dieter Nixdorf mit Sorge die Entwicklung im Reich der Mitte. Wachstum, Zinsniveau, Investitionen – alle wirtschaftlichen Kennzahlen entwickeln sich ungünstig. Dabei seien die Zahlen sicher noch geschönt: „Meine chinesischen Bekannten berichten Schlimmes.“

Hinzu kommt ein schlechterer Wechselkurs: Da der Euro an Wert verliert, müssen die Europäer mehr für chinesische Importe zahlen. Zwar würde dadurch auch der Export angekurbelt – allerdings nur in die Länder außerhalb des Euroraums. Da die Wiesentheider aber vor allem im europäischen Ausland tätig sind, nützt ihnen das wenig. Ein Sonderfall ist Rußland: Hier hatten die Wiesentheider sogar einen Agenten – wie in einigen wenigen anderen Ländern auch. „Durch die politische Situation, und damit den niedrigen Rubel, geht dar gar nichts mehr“, sagt Nixdorf.

Der Geschäftsführer schaut auch deshalb eher pessimistisch in die Zukunft. In einem tendenziell schrumpfenden Markt gehe es darum, den Konkurrenten Marktanteile wegzunehmen. Auch politisch habe er wenig Hoffnung. Eine blühende Zukunft? Die sieht Dieter Nixdorf trotz der vielen Pflanzen und Blüten im Wiesentheider Firmengelände nicht auf sich zu kommen.