Wiesentheid Jeden Nachmittag treffen sie sich bei einem frisch gebrühten Kaffee. Manfred Eisenmann und seine Hildegard, genannt Hilla, halten diese Tradition seit vielen Jahren hoch.
Obwohl sie beide in Rente sind, geht doch jeder seinem eigenen Tagwerk nach – gegen 15 Uhr aber kommen sie im Wohnzimmer zusammen, setzen sich nebeneinander auf die Couch und erzählen von den Ereignissen des Tages. Eines Tages bat Hilla ihren Mann, ihr einfach mal zuzuhören. Sie las ihm ein Märchen vor, das sie selbst geschrieben hatte. Manfred lauschte gebannt. Danach sagte er nachdenklich: „Des g'höret gedruckt.“ Es war der Start für das Märchenbuch „Zauberhafter Märchengarten“, das vor wenigen Tagen erschienen ist.
Frage: Wenn jemand mit 78 Jahren sein erstes Buch veröffentlicht, ist das schon ungewöhnlich. Wie kam das? Hilla Eisenmann:
Wissen Sie, wir haben vier Kinder und acht Enkel. Ihnen allen habe ich immer gern vorgelesen. Oder ihnen noch lieber frei erfundene Geschichten erzählt, in die ich manchmal Begebenheiten von früher eingeflochten habe. Oft haben auch Blumen eine Rolle gespielt.
Blumen? Welche denn?
Eisenmann: Gänseblümchen, Schlüsselblumen, Rittersporn, Vergissmeinnicht, Stiefmütterchen – ganz alltägliche Blumen, die man aber trotzdem leicht übersieht. Als Kind habe ich einmal ein Märchen über die blaue Wegwarte gelesen. Das hat mich so stark beeindruckt, dass ich nie, wirklich niemals, an einer Wegwarte vorbeigehe, ohne an dieses Märchen – und damit auch an meine Kindheit – zu denken. Sollte das auch nur einem Kind mit meinen Märchen so gehen, wäre das das Schönste, was mir passieren kann.
Sie haben also früher gern vorgelesen und erzählt. Aber wann haben Sie angefangen, selbst Märchen zu erfinden und aufzuschreiben?
Eisenmann: Als unsere Enkel in dem Alter waren, in dem sie Geschichten hören wollten. Jedes Jahr habe ich unseren großen Enkelkindern etwas gemalt und eine Geschichte dazu geschrieben. Vor ein paar Jahren habe ich dann angefangen, ganze Märchen zu erfinden und dazu passende Bilder zu malen.
Sie malen also auch gerne?
Eisenmann: Ja, das hat sich so ergeben. Ich wollte die jeweilige Blume malen, die jede Erzählung einrahmt, außerdem einige Szenenbilder.
Haben Sie dafür reelle Motive gewählt?
Eisenmann: Ja, zum Beispiel habe ich den früheren Wiesentheider Schlosshof, den Marienplatz und das Rathaus verewigt, außerdem historische Szenen aus Prichsenstadt und Rüdenhausen.
Haben Sie damals schon daran gedacht, ihre Gedanken und Bilder als Buch herauszugeben?
Eisenmann: Nein. Das kam erst durch meinen Mann und meine Kinder, die mir Mut gemacht und gesagt haben: Veröffentliche das doch! Außerdem wurde ich damals richtig schwer krank und während der anschließenden Kur meinte meine Ärztin nach dem Studium meiner Krankenakte: „Der liebe Gott muss noch etwas vorhaben mit Ihnen, sonst wären Sie nicht mehr da.“ Daraufhin bin ich mutig geworden.
Mutig geworden?
Eisenmann: Ja! Früher hätte ich mir niemals etwas Besonderes zugetraut. Als einfaches Wiesentheider Mädchen, das Schneiderin gelernt hat, ein Buch zu schreiben – da wäre ich gar nicht drauf gekommen. Der Zuspruch von allen Seiten hat nun im Rentenalter sein Übriges getan. Wenn nicht jetzt, wann dann?