6,1 Prozent der Deutschen sind überschuldet. Die Schuldnerberatung kann helfen.
Immer mehr Menschen in Deutschland sind überschuldet. Ganz sachlich drücken diese wenigen Worte eine Tatsache aus. Die dahinterstehenden Schicksale bleiben außen vor. Wie erschütternd die manchmal sind, weiß Elisabeth Schmitt, Schuldnerberaterin am Landratsamt Kitzingen, aus ihrer täglichen Arbeit.
Innerhalb von zehn Jahren ist der Anteil der hoch verschuldeten Erwachsenen in Deutschland von fünf Prozent auf 6,1 Prozent gestiegen. Das geht aus dem Entwurf des 5. Armuts- und Reichtumsberichtes des Bundessozialministeriums hervor, der Mitte Dezember öffentlich wurde. Viele Menschen stecken in einer Schuldenspirale fest, in die sie aus unterschiedlichsten Gründen geraten sind. So ist es auch mit den Klienten von Elisabeth Schmitt.
„Ein Ehepaar hat gute Erfahrungen mit Krediten gemacht und sie immer geordnet zurückgezahlt“, erzählt die Schuldnerberaterin ihr „Paradebeispiel“. Zwei kleine Kinder, die Mutter arbeitet in Teilzeit. Wegen der Kinder braucht man ein größeres Auto, Möbel für die Kinderzimmer. Ein neues Darlehen kommt hinzu, es bleibt so gut wie kein Geld mehr übrig, um Rücklagen zu bilden. Dann passiert es: Einer der beiden wird arbeitslos. Das Girokonto wird ausgereizt für Darlehen und Miete, die Energierechnungen werden nicht mehr gezahlt. Die Familie steckt in der Schuldenspirale – und die wird beschleunigt durch Dinge, die bei einer normalen Einkommenssituation locker abzufangen wären: eine kaputte Waschmaschine, neue Winterreifen, ein Blechschaden am Auto.
Zu Elisabeth Schmitt kommen die Leute meist erst, wenn sie die Augen nicht länger verschließen können. Wenn die Kündigung der Wohnung droht, der Strom abgestellt werden soll, der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht. Wer zur Beratung erscheint, hat Unterlagen dabei – in einem dicken Ordner, häufig aber auch in einer Tüte oder einem Schuhkarton, völlig ungeordnet. Manche öffnen nicht mal mehr die Briefe. Sie haben den Überblick völlig verloren. „Die sagen dann: Warum soll ich den Brief aufmachen? Ich weiß doch sowieso, was drin steht.“
Die Unterlagen zum Erstgespräch mitzubringen, ist wichtig, denn Elisabeth Schmitt muss sich gemeinsam mit ihren Klienten einen Überblick verschaffen. Sie muss Bescheid wissen über Mahnungen und Kündigungen, Pfändungsprotokolle, Unterhaltstitel, Vollstreckungsbescheide, Lohnabtretungen und mehr. All das steht auf einem Brief, den die Klienten nach der Terminvereinbarung und vor dem ersten Gesprächstermin von Elisabeth Schmitt erhalten. Genauso wie einen Haushaltsplan für die monatlichen Einnahmen und Ausgaben. Wohnungsausgaben wie Energiekosten und Miete müssen eingetragen werden, ebenso Ausgaben für den Lebensunterhalt, Festausgaben wie Fahrtkosten, Mitgliedsbeiträge, Ausgaben für Lotto, GEZ, Haustiere und Urlaub stehen auf der Liste, Versicherungen und natürlich Kredit- und Ratenzahlungen. Dem werden die Einnahmen gegenübergestellt – und häufig bleibt ein dickes Minus übrig.
Es ist oft das erste Mal, dass sich die Leute ihre eigene Situation richtig anschauen. Denn viele haben kein realistisches Bild von ihren Einnahmen und Ausgaben. Diese ordentlich untereinander auf einem Blatt stehen zu sehen, ist für die Betroffenen meist der größte „Aha-Effekt“, so die Erfahrung der langjährigen Beraterin.
Schmitt listet die Ausgaben auf, ohne zu werten. „Darüber zu urteilen, ob jemand zehn Zigaretten raucht oder täglich ins Café geht, das ist nicht mein Job.“ Werden Einsparungen gesucht, spricht sie alle Themen gleichermaßen sachlich an. Schulden kann man für alles machen, sagt Elisabeth Schmitt. „Und die Leute machen das auch.“ Nicht nur für Handyverträge, technische Geräte, Möbel und Kleidung. Auch für Eheringe oder Hochzeitsfotos. Ein großes Thema sind Unterhaltsschulden bei Trennung und Scheidung, Steuerschulden bei ehemals Selbstständigen, natürlich Schulden für Immobilien.