Was Bäume über Menschen verraten

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Die Besucher des Baumhoroskopweges lernen viel über die Baumarten und ihr Holz. So ist der Zürgelbaum vor dem Friedhof eigentlich in Südeuropa angesiedelt, mag Trockenheit und Wärme ...
Daniela Röllinger
Die Tafeln informieren über den Baum, sein Holz, die Geschichte und das Horokop – Grundlage ist das keltische Baumhoroskop.
Daniela Röllinger
Am Landschaftssee wird auf einer großen Tafel erklärt, was es mit dem Baumhoroskopweg auf sich hat. Es geht um die Bedeutung der Bäume, ihre Verwendung, Nutzung und historische Entwicklung ...
Daniela Röllinger

Wissenswertes und Mystisches: Auf dem Baumhoroskopweg in Seinsheim können Besucher viel lernen - über Bäume und sich selbst

Der genaue Blick lohnt doppelt: Was ist das für ein Baum am Eingang des Seinsheimer Friedhofes? Der Zürgelbaum ist in Südeuropa beheimatet, liebt Wärme und Trockenheit. In Zeiten des Klimawandels nicht uninteressant. Aber er ist auch Teil des Baumhoroskopwegs, der durch den Ort zum Landschaftssee führt. Ein Besuch dort ist unterhaltsam und lehrreich zugleich: Der Besucher erfährt viel über Bäume, ihr Holz und ihr Wesen – und über das eigene gleich mit.

„20 Bäume und noch einer – das ist Deiner.“ Gästeführerin Lydia Fischer, in Seinsheim für die Tourist-Information zuständig, hat sich schon überlegt, wie sie beim Gästeführertag den Baumhoroskopweg vorstellt. Schließlich sollte dieser Tag im Rahmen des Jubiläums „20 Jahre Weinparadies“ im Mai in Seinsheim begangen werden. 21 Bäume gehören zum Baumhoroskopweg – und genau einer davon gehört quasi zu jedem Betrachter, wie bei den Sternzeichen, nur eben angelehnt an das keltische Baumhoroskop.

Führungen sind derzeit abgesagt

Der Gästeführertag ist, wie so vieles in Corona-Zeiten, abgesagt. Führungen gibt es derzeit nicht. Trotzdem kann man den Weg natürlich jederzeit alleine oder mit der Familie erkunden – und dabei zum Beispiel den Zürgelbaum kennenlernen. Bis zu 25 Meter wird er hoch, blüht zwischen Juni und Juli, trägt Kirschen ähnliche Früchte, deren Fruchtfleisch essbar ist. Sein Holz ist zwar fest, doch zugleich elastisch. „Für Werkzeuge und zum Schnitzen gut geeignet“, steht auf der Infotafel neben dem Baum.

Der Text und die Bilder auf dieser und allen anderen Tafeln stammen von Reinhard Hemmeter, die Gestaltung von Ursula Deiss-Hemmeter. „Als der Landschaftssee errichtet wurde, gab es einen Arbeitskreis“, erinnert sich Reinhard Hemmeter. Ein Mitglied habe damals vorgeschlagen, einen Baumlehrpfad in Anlehnung an das keltische Baumhoroskop anzulegen. Die Idee kam gut an – es war die Geburtsstunde für den Seinsheimer Baumhoroskopweg.

Reinhard Hemmeter erklärte sich bereit, die Idee umzusetzen, informierte sich, las, recherchierte, trug Informationen zusammen, erstellte die Texte für die Infotafeln – zwei große am Landschaftssee und im Ort, eine kleine an jedem der 21 Bäume – und zeichnete die Bilder darauf. Da geht es um den Baum selbst, sein Holz und dessen Eigenschaften, die Verwertung beispielsweise im Bau. Es geht um Historisches und medizinische Aspekte. Und eben um die Frage, welche Eigenschaften dem Baum und auch dem Menschen dem keltischen Baumhoroskop zufolge zugeschrieben werden.

Den Weg gibt es seit 17 Jahren

„Jeder Baum hat ein Zeitfenster“, erklärt Reinhard Hemmeter. Manche Bäume gelten für zwei Zeiträume, einer für drei, vier Bäume nur für einen Tag. Die Eiche für den 21. März, die Birke für den 24. Juni, die Eibe für den 23. September und die Buche für den 22. Dezember – das sind die Tage, an denen sich die Jahreszeiten ändern. Sich so intensiv mit den Bäumen zu befassen, habe zwar viel Zeit gekostet, aber er habe dabei sehr viel gelernt, erzählt der Umweltschutzingenieur.

Entstanden ist der Weg im Jahr 2003. Noch immer merkt man Hemmeter an, wie sehr ihm das Projekt am Herzen liegt. Wer den Weg abläuft, profitiert nun von diesem Wissen, und wird zugleich gut unterhalten. Auch wenn das Wort Baumhoroskop häufig erst mal Skepsis hervorruft, wie Lydia Fischer immer wieder erlebt. Ein Horoskop hat etwas Mystisches, damit kann nicht jeder etwas anfangen. „Aber wenn die Leute den Weg mal gegangen sind, sind sie total begeistert“, erzählt die Gästeführerin.

Sie rät, sich die Tafeln in einer Gruppe anzuschauen – selbst jetzt ist das ja mit der Familie oder zu zweit, mit dem gebührenden Abstand, durchaus möglich. „Bist du wie ich?“ steht auf jeder Tafel unter dem Horoskop-Text – eine Frage, die zum Nachdenken und oft auch zum Lachen anregt. So pickt sich Lydia Fischer bei ihren Führungen einen Freiwilligen aus der Gruppe für „seinen“ Baum heraus, „jemanden, der Spaß versteht“, wie sie sagt. Sie liest vor, welche Eigenschaften dem Baum und damit auch dem Menschen zugeschrieben werden.

Wissen wird vermittelt

„Oft schüttelt derjenige dann den Kopf – und alle anderen in der Gruppe nicken“, erzählt sie lachend. Geht es weiter zu den nächsten Bäumen, stellen die Leute dann meist fest, dass „ihr Baum“ letztendlich doch der passende war. „80 Prozent sagen später: Das bin wirklich ich, das trifft zu“, so die Gästeführerin.

Wichtig ist Lydia Fischer und Reinhard Hemmeter, dass es sich nicht nur um einen Horoskopweg handelt, sondern auch um einen Baumlehrpfad. Die Walnuss, die Kiefer, die Weide, Erle, die Pappel... wo wachsen sie, wie alt und wie hoch werden sie, welche Eigenschaften hat ihr Holz und wie wird es verwendet? Man lernt die Bäume kennen, nicht nur den eigenen, sondern auch den des Partners, der Kinder, der Enkel und Freunde. So setzt man sich auf unterhaltsame Art mit Bäumen auseinander, so wird Wissen vermittelt.

Viele Menschen seien sich der Bedeutung der Bäume und des Holzes gar nicht mehr bewusst, findet Lydia Fischer. Sie versorgen uns mit Sauerstoff, sind wichtiger Teil des Wasserkreislaufes, spenden Schatten, sind Lebensraum für viele Tiere. Ihr Holz ist wichtiges Baumaterial – vom Hausbau bis zum Besenstiel – und versorgt uns mit Wärme. Der Baumlehrpfad rufe das in Erinnerung, man komme ins Nachdenken. „Da werden Denkanstöße geliefert.“ Vielleicht auch über sich selbst. Darüber, ob man nun ist wie der Zürgelbaum vor dem Friedhof, der für die vom 9. bis zum 18. Februar und vom 14. bis zum 23. August Geborenen steht. Ein Mensch, der gern auf andere zugeht und Schönes zu schätzen weiß, der geborene Optimist, mit Begabungen und Wissen auf vielen Gebieten, gepaart mit Fleiß und Führungsqualitäten. Manchmal aber auch ungeduldig und überreizt – und letztendlich doch eine empfindsame Seele, die sich Ruhe und Frieden wünscht. Erkennen Sie sich wieder?

Baumlehrpfad

Der Seinsheimer Baumlehrpfad mit Baumhoroskop ist ein 1,8 Kilometer langer Rundwanderweg durch den historischen Ortskern und um den Landschaftssee. Er führt an 21 Bäumen mit Thementafeln vorbei, die erste steht an der Linde am Rathaus. Eine Infobroschüre mit Wanderkarte gibt es im Rathaus. Wenn das geschlossen ist bei Lydia Fischer, Tel. 09332/590966.