Vom Traubenkern zum Öl

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Das Aussieben des Tresters zu fast reinen Traubenkernen ist in der Herstellung des Traubenkernöls die anstrengendste Arbeit. Hannes und Toni Schwanfelder packen kräftig mit an. Fotos: Caroline Münch
Caroline Münch
Nach dem Sieben werden die Traubenkerne in einem Silo mit doppeltem Boden getrocknet.
Caroline Münch
Die getrockneten Traubenkerne werden am Scheunenboden gelagert.
Caroline Münch
Das fertige Produkt: Traubenkernöl, made in Abtswind.
Foto: Schwanfelder

Ein altes Handwerk lebt wieder auf: Familie Schwanfelder stellt mit eigens hergestellten Maschinen Traubenkernöl her – als einziger Familienbetrieb in Bayern.

Mainfranken befindet sich mitten in der Weinlese. Das bedeutet normalerweise: Die Trauben werden geerntet und zu Wein weiterverarbeitet. Doch es geht auch anders, wie die Familie Schwanfelder aus Abtswind beweist. Im unterfränkischen Familienbetrieb werden verschiedene Öle erzeugt – unter anderem Traubenkernöl.

Ursprünglich hatten die drei Brüder Hans, Thomas und Herbert die Idee, aus selbst angebautem Raps und Sonnenblumen Öl für ihre Fahrzeuge zu gewinnen. „Doch dafür hätten wir zu viel investieren müssen“, erinnert sich Herbert Schwanfelder. „Außerdem ist das Öl zu schade für die Maschinen“.

Also hat sich die Familie umentschieden. Seit 2007 erzeugen die drei Brüder in Handarbeit Speiseöle. Aus ihrem denkmalgeschützten Anwesen, ehemals ein Bauernhof, ist nach aufwendigen Renovierungsarbeiten eine moderne Produktionsstätte für Ölkernprodukte geworden. Dort erlernen sie altes Handwerk wieder neu. „Vor zehn Jahren wusste ja keiner mehr etwas vom Traubenkernöl, geschweige denn von der Herstellung“, sagt Herbert Schwanfelder.

Welche Rebsorten? Egal

Der Produktionsprozess beginnt damit, dass die Familie den Trester der Winzer bekommt, also anfallende Rückstände, die bei der Herstellung von Wein entstehen. „Es ist egal, welche Rebsorten wir geliefert bekommen“, erklärt Herbert Schwanfelder. „Nur Öl aus Rotweinkernen schmeckt ganz anders, das ist dann etwas härter und rauer, nicht so weich wie bei den Weißweinkernen.“ Die Ernte beginnt meistens mit Bacchus, gefolgt von Müller-Thurgau, Silvaner und Riesling.

Den Trester bezieht die Familie immer von unterschiedlichen Winzern aus der Region. Mal von der GWF aus Repperndorf, mal aus Iphofen. Dieses Jahr ist Castell dran. Dort liegen am Fuß des Weinbergs schon mehrere große Haufen Trester, sie sehen von Weitem fast aus wie Komposthaufen. Der Geruch nach Frucht und Wein steigt in die Nase. Der Trester dampft noch, ist ganz frisch, was für die Schwanfelders enorm wichtig ist. Sie wollen den Grundstoff sofort verarbeiten, bevor die Gärung beginnt. „Das muss alles ganz schnell gehen, deshalb fahren wir die Siebmaschine bis hoch an den Weinberg“, erklärt Schwanfelder.

Körperlich anstrengende Arbeit

Mit Kopfhörern in den Ohren stehen die Söhne der Schwanfelders, Hannes und Toni, auf den Tresterhaufen, lockern diese mit einem Rechen auf und sinken fast darin ein. Anschließend wird der Trester auf einer Art Förderband hochgefahren und wird dabei durchgesiebt, sodass am Ende nur noch die Kerne, frei von Stielen, Kämmen und Fruchtresten, vom Band in grüne Behälter fallen. Das Sieben ist körperlich die anstrengendste Arbeit im Herstellungsprozess des Öls.

Die Gerätschaften dafür hat die Familie aus verschiedenen Teilen selbst zusammengebaut, anfängliche Hindernisse haben die Brüder nicht davon abgehalten, ihren Traum zu verwirklichen. „Als wir loslegten, wussten wir ja gar nicht, wie so etwas funktioniert“, erinnert sich Herbert Schwanfelder. „Da kann man nicht einfach mal zur BayWa fahren und sagen, wir brauchen mal eine Siebmaschine für Trester.“ Das Erfinden der Geräte war mit viel Geschick, Geduld und Tüfteln verbunden. Das Sieb und die Förderbänder haben die drei auf verschiedenen Bau-Messen, zum Beispiel in München, entdeckt. Das Sieb wird normalerweise für Steine und Erde benutzt. „Das haben wir dann in Edelstahlausführung bauen lassen“, erinnert sich Herbert Schwanfelder stolz. Was ihnen beim Zusammenbau und der Einstellung der einzelnen Arbeitsgeräte geholfen hat: Die drei Brüder haben Erfahrungen im Bereich Elektrotechnik sowie Verfahrens- und Kellereitechnik.

Den Zeitpunkt des Siebens müssen die drei genau abpassen. Der Trester darf nicht zu feucht sein, damit er am Band nicht anklebt, erklärt Schwanfelder. Die abgesiebten Tresterreste kompostieren dann am Weinberg und dienen dort später als biologischer Dünger.

Ein aufwendiges Hobby

Bei einem einzigen Siebvorgang erarbeitet sich die Familie circa 300 Kilogramm Kerne. Meistens sieben sie im Herbst an vier bis fünf Tagen, immer an den Wochenenden: „Wir machen das ja alles nebenbei, aber wenn die ganze Familie zusammen hilft, geht das gut, auch wenn es ein sehr aufwendiges Hobby ist“, gibt Herbert Schwanfelder zu. Bei der Verarbeitung aller Kerne, Nüsse und besonders der Traubenkerne setzt Familie Schwanfelder auf Handarbeit und ausschließlich auf natürliche und regionale Produkte. „Wir knacken jede Nuss mit der Hand“, berichtet Waltraud Schwanfelder. Bevor das Material in die Maschinen wandert, wird aussortiert. In den großen Betrieben sei das anders, meint sie. „Das merkt man dann auch am Geschmack.“

Vom Enkel bis zur Großmutter helfen alle mit. Nur so gelingt die Herzensangelegenheit der Familie. Etwa 300 Liter Sonnenblumen- oder Rapsöl stellt die Familie pro Jahr her, beim Traubenkernöl sind es 50 bis 80 Liter. „Das Verfahren ist eben sehr aufwendig“, erinnert Herbert Schwanfelder.

Nach dem Sieben werden die Kerne direkt getrocknet in einem Silo bei 25 Grad sowie geringer Luftfeuchtigkeit. Die Kerne liegen auf einem doppelten Boden mit Luftlöchern, in dem sich ein Gebläse, angetrieben durch eine Heizung, befindet. Anschließend werden die Kerne in einer sich drehenden Holzschaufel weiterbearbeitet. Durch den hohen Luftstrom schleudert die Schaufel die leichten Teile der Kerne, also die Beerenhäute, nach hinten weg. Dafür haben die Brüder eine Maschine umfunktioniert, die eigentlich die Spreu vom Weizen trennt.

Tropfen für Tropfen

Das Trocknen nimmt meistens zwei Tage in Anspruch. Bei einer Feuchtigkeit von sieben bis zehn Prozent können die getrockneten Kerne dann eingelagert werden wie Getreide. Was an Öl sofort benötigt wird, läuft gleich vom oberen Scheunenboden in Schläuchen herunter in den Trichter der Schneckenpresse, die die Familie für das Traubenkernöl verwendet. Der Anteil an Öl, der aus den Kernen kommt, ist je nach Ölsorte unterschiedlich. Beim Traubenkernöl verzeichnet die Familie den kleinsten Anteil: zwei bis vier Prozent, das heißt aus 100 Kilogramm Kernen entstehen zwei bis vier Liter Öl. Bei Raps- und Sonnenblumenöl sind es dann schon circa 30 Prozent. Daher läuft das Traubenkernöl auch nicht durch die Schläuche, sondern es fällt nur Tropfen für Tropfen aus der Presse. „Der Geschmack ist dafür aber auch am intensivsten“, betont Herbert Schwanfelder. „Gefolgt von dem des Walnussöls.“

Aus der sogenannten Lochdüse im vorderen Bereich der Presse kommt das Öl heraus – und hinten der sogenannte Presskuchen. Diese Reste werden anschließend gemahlen und zu Traubenkernmehl verarbeitet. „Sehr gesund“, versichert Waltraud Schwanfelder. „Wegen der hohen Werte an Antioxidanzien.“

Seit vier Jahren unterhalten die Schwanfelders auch einen eigenen Gasthof, in dem das Traubenkernöl Verwendung findet. Darum kümmert sich Thomas Schwanfelder. Besonders gut eignet sich das Traubenkernöl zum Beispiel für Gerichte wie Salate, gegrillte Garnelenspieße, gebackenen Ziegenkäse oder Kürbissuppe. „Man kann das Traubenkernöl dann wie ein Gewürz verwenden, weil es so intensiv im Geschmack ist“, betont er. Außerdem werde dem Traubenkernöl eine heilende und Haut pflegende Wirkung nachgesagt. Gründe gibt es also genug für die Familie Schwanfelder, um ein altes Handwerk wieder aufleben zu lassen.