„Das Schlimmste ist, dass man Dinge tolerieren muss, die man normalerweise nie tolerieren würde.“ Immer wieder treiben Sicherheitskräfte die Flüchtlinge an. Schreien, schubsen, manche schlagen: „Ein paar Meter vor mir lehnte sich eine Frau aus einem Bus, rief nach ihrem Mann. Plötzlich rannte ein Polizist auf sie los, schlug ihr mit voller Wucht gegen den Oberkörper, trieb sie zurück. Und du stehst daneben und kannst nichts machen.“
Denn die Sicherheitskräfte bestimmen, was passiert. Wenn sich die Helfer beschweren, dann dürfen sie nicht mehr helfen. So wie in Dobova: „Bevor wir ankamen, gab es einen Streit zwischen Helfern und Polizisten. Daraufhin durfte kein Volunteer mehr zu den Flüchtlingen auf den Bahnsteig. Wir standen vor einem Zaun – und die Menschen, die unsere Hilfe brauchten, dahinter.“ Bilder wie diese wecken böse Erinnerungen: Lange Reihen von Menschen, die bei Dunkelheit durch enge Metallschleusen getrieben werden „wie Vieh“. Allgegenwärtige Not und Krankheit. „Einige von uns fühlten sich an Fotos aus KZs erinnert.“
Doch nicht nur in den Balkanländern machten die Helfer schlechte Erfahrungen. Auch in den illegalen Lagern in Frankreich, in Calais und Dünkirchen, waren die Bedingungen furchtbar. „Die Menschen leben in ihrer eigenen Scheiße.“ Für 2500 Menschen gab es zehn Dixi-Klos. Regelmäßig räume die Polizei die Lager, reiße alles ab. Offizielle Hilfe vom Staat gibt es kaum – alles läuft ehrenamtlich. „Mitten in Europa.“ Ludwig schüttelt den Kopf.
Zum Zeitpunkt ihres ersten Hilfskonvois war noch nicht sicher, ob es sich um ein einmaliges Projekt handelt. Nach ihrer Rückkehr war schnell klar: „Es geht weiter. Es muss weitergehen.“ Das Projekt soll zum Verein werden. Bei ihrer Arbeit sind Christian Ludwig und seine Mitorganisatorinnen Julie Michelle Brustmann und Vera Hoxha auf Hilfe angewiesen. Auf Spenden, auf Leute, die mit anpacken.
„Für mich geht es aber vor allem darum, zu zeigen, dass hinter jeder Zahl, jedem gesichtslosen Flüchtling, ein Mensch steht“, betont Ludwig. Er erinnert sich noch einmal an jenen Februarabend in Chios, als Bashal starb. Am Strand saß eine Frau etwas abseits und weinte. Ludwig gab ihr etwas zu trinken. Plötzlich umarmte sie ihn. „Wir saßen da, eng umschlungen und weinten beide“, erzählt Ludwig mit stockender Stimme. „In diesem Moment waren wir nicht Flüchtling und Helfer, wir waren einfach zwei Menschen, die einander Halt gaben.“
Termin & Infos
„Einfach machen – Einblicke in die Mobile Flüchtlingshilfe“ am Mittwoch, 20. April, in der Alten Posthalle, Bahnhofsplatz 2, Würzburg. Christian Ludwig erzählt von seinen Erfahrungen als Helfer in Slowenien, Kroatien, Griechenland und Frankreich, zeigt Bilder von seiner Arbeit und lädt zum offenen Dialog ein. Der Eintritt ist frei. Einlass ist um 19.30 Uhr, Beginn um 20 Uhr. Weitere Infos: www.facebook.com/ MobileFluechtlingshilfe/
Kommentar Probleme über „Probleme“
Merkels bester Mann heißt Recep Tayyip Erdogan, hat wenig bis gar keinen Humor und ist Präsident der türkischen Republik. Durch seinen Flüchtlingsdeal mit der EU hat er politischen Druck seitens der Öffentlichkeit von der Bundesregierung genommen. Frei nach dem Motto: „Aus den Augen, aus dem Sinn.“ Außerdem hat er mit seiner Klage gegen Jan Böhmermann den Fokus der Medien verschoben.
Doch das „Problem“ ist nicht gelöst. Es erreicht uns nur nicht mehr. Das „Problem“, das sind die Abertausenden, ja Millionen Menschen, die von Krieg, Terror und Armut aus ihren Heimatländern vertrieben werden. Und das wirkliche Problem – diesmal ohne Anführungszeichen – sind Krieg, Terror und Armut. Doch dieses Problem interessiert im Moment nur Wenige.
Wir haben im Moment ja andere „Probleme“. Zum Beispiel, dass jener Recep Tayyip Erdogan die Satiresendung extra3 nicht lustig findet. Und auch über Jan Böhmermann nicht lachen kann. Sicher, darüber kann man sich aufregen. Dass es tatsächlich noch einen Paragraphen in der deutschen Rechtssprechung gibt, der es möglicht macht, einen Satiriker anzuklagen, weil er ein ausländisches Staatsoberhaupt beleidigt hat, ist ziemlicher Blödsinn. Aber muss so etwas tagelang die Nachrichten bestimmen?
Wir Deutschen haben bewiesen, dass wir für Menschen in Not da sein können. Dass uns das Leid anderer Menschen nicht egal ist. Noch immer müssen viele Menschen aus ihrer Heimat fliehen, noch immer leiden sie auf der Flucht, sterben auf dem Weg. Noch immer gibt es viele Menschen, die Hilfe brauchen. Jetzt ist es Zeit zu zeigen, dass die Hilfsbereitschaft der Deutschen mehr war, als ein Strohfeuer der Menschlichkeit. Und dass wir unterscheiden können, zwischen Problemen in Anführungszeichen und wirklichen Problemen.
- ist dieser Artikel, der bereits vor drei Tagen von dieser Zeitung veröffentlicht wurde. - Auch das gebetsmühlenartige Wiederholen der rührseeligen Aussagen und der Elend suggerierenden Bilder, machen ihn nicht wirklich interessanter!
In der heutigen Printausgabe der Kitzinger, wurde der Artikel schon wieder werbewirksam auf die Titelseite gesetzt. Um den Menschen in Deutschland, die sich immer noch nicht einreden lassen wollen, das sie am Krieg in Syrien schuld sind und für das Kentern der Nussschalenboote auf dem Meer die Verantwortung tragen, wurde der immergleiche Weckruf sogar noch einmal unter der Rubrik <Politik> wiederholt....!
Dieser Versuch der Einflussnahme und der, jedem Leser, der noch nicht sein komplettes Leben der Flüchtlingshilfe verschrieben hat, ein schlechtes Gewissens einreden zu wollen, fällt langsam auch dem letzten Leser auf!
MfG