In unserer Sprache tauchen immer öfter englische Wörter auf. Was halten Sie davon?
Sturn: Unsere Sprache verarmt dadurch. Nehmen Sie das Wort Ticket. Das kann Fahrkarte, Eintrittskarte, Knöllchen und mehr bedeuten. Wenn ich nur noch Ticket sage, vergebe ich mir die Differenzierung.
Gerade im Berufsleben ist es trotzdem unabdingbar, dass man Englisch als Weltsprache Nummer 1 beherrscht.
Sturn: Es muss aber eine Form von Englisch sein, die überschaubar ist. Sonst laufe ich Gefahr, dass Nicht-Muttersprachler es nicht verstehen. Das Englische hat sich stark auseinanderdividiert, alleine schon zwischen Engländern, Amerikanern und Australiern. Eine gute Lösung ist Globish, ein klares, einfaches Englisch auf der Basis von 1500 Worten, angereichert mit Fachausdrücken. Die Grammatik ist einfach, Ironie und alles, was missverstanden werden kann, ist nicht erlaubt. Mit dem hoch entwickelten Englisch hat das nichts mehr zu tun.
In Stellenanzeigen werden heute Key-Account-Manager gesucht und Sales-Assistents. Es gibt ein Job-Dating, auf das wir uns mit einem Coach vorbereiten können. Nimmt das alles überhand?
Sturn: Statt des Hausmeisters gibt es einen Facility-Manager und das versteht dann keiner mehr. Wir biedern uns an, indem wir alles umbenennen. Statt Abteilungen gibt es in den Firmen Departements. Bei der Tür des Betriebsratsbüros fallen die Tücken der Umbenennung dann auf: Da müsste WC stehen, für works council.
Warum übernehmen wir überall die englischen Bezeichnungen?
Sturn: Das ist, wie schon gesagt, sprachliche Unterwürfigkeit. Das Englische hat den Nimbus, modern und weltoffen zu sein, das Deutsche zweitklassig und rückständig.
Es gibt auch Wörter aus anderen Sprachen, die wir schon seit langem nutzen und es kaum noch bemerken – Portemonnaie, Couch oder Chaiselongue. Sind das noch Fremdwörter?
Sturn: Die deutsche Sprache ist voller Lehen und Fremdwörter. Kiosk kommt zum Beispiel aus dem Türkischen. Das wird gar nicht mehr wahrgenommen. Vieles ist auch noch nicht richtig verarbeitet: Warum schreiben wir Niveau weiterhin so, aber nicht mehr Bureau, sondern Büro? Und gerade das Englische wird überhaupt nicht mehr als Fremdsprache wahrgenommen. Durch die Diskussion in den USA taucht jetzt häufig das Wort Dreamer auf. Wir übersetzen es nicht, auch wenn keiner die Bedeutung versteht.
Wie gehen Sie persönlich mit diesen Worten um? Sprechen Sie Ihre Gesprächspartner darauf an, wenn sie Kids statt Kinder sagen?
Sturn: Es tut mir schon weh, wenn aus Kindern Kids, also Zicklein, werden. Ich akzeptiere das, weil ich nicht der Oberlehrer bin. Aber verstehen kann ich es nicht. Auch warum jeder Künstler das Album mit seinen bekanntesten Titeln „Best of“ nennt, ist mir schleierhaft. Warum nicht „Das Beste“?
Welches deutsche Wort mögen sie besonders? Und warum?
Sturn: In unserem Verein gibt es die Initiative „Wortpate“. Ich habe mich für das Wort „Heilkunst“ eingetragen. Das liegt nahe, weil ich Arzt bin, und ich finde, es ist ein schönes Wort. Es drückt gut aus, worum es geht.
Wie versucht ihr Verein, die deutsche Sprache zu retten?
Sturn: Wir wollen die deutsche Sprache als Kultursprache erhalten und nicht als primitives Etwas. Unsere Sprache ist ein Kulturgut, das viel zu bieten hat. Es gibt eine englische Musikgruppe, die deutsch singt, weil sie findet, dass man so Gefühle besser ausdrücken kann. In unserem Verein sind längst nicht nur Deutsche, wir sind polyglott, die Mitglieder kommen aus über 100 Ländern. Und gerade die Hälfte, die Deutsch nicht als Muttersprache spricht, weiß unsere Sprache viel mehr zu schätzen. Wir Deutschen treten unsere Sprache mit den Füßen. Schauen Sie nur in die Schaufenster. Sale steht da in großen Buchstaben, nur weil es im Englischen Rabatt heißt. Auf Französisch heißt sale dreckig.