„Ob AC/DC oder Ernst Mosch: Hauptsache ist, dass Musik gut gemacht ist“ - Dirigent Jürgen Bermanseder und Karl Graf zu Castell-Rüdenhausen präsentieren ihre Blasmusik-CD
Aus einer Männerfreundschaft entsteht Musik: Der langjährigen Verbundenheit zwischen Jürgen Bermanseder und Karl Graf zu Castell-Rüdenhausen ist es zu verdanken, dass Bermanseder – früher die rechte Hand von Ernst Mosch – den „Casteller Silvanerwalzer“ komponierte. Nun hat Graf Karl, den seine Musikerfreunde Karli nennen, eine CD herausgebracht, auf der nicht nur jener Walzer, sondern 13 Blasmusik-Specials mit viel lokalem Bezug zu hören sind. Dirigiert werden die Profi-Musiker, die sich eigens für die CD „Die Fränkisch-Böhmischen“ im Studio zusammenfanden, von Jürgen Bermanseder. Er hat auch für Laien-Musikkapellen Tipps parat, wie sie gut durch die auftrittsarme Coronazeit kommen.
Was ist das Schönste in Ihrem Leben – Blasmusik?Jürgen Bermanseder: Blasmusik macht nur einen Teil meines Lebens aus. Kochen, Reisen, Lesen, Kunst: Es gibt auch ein Leben neben der Musik. Mein Professor in Amsterdam lehrte mich, dass es nur zwei Arten von Musik gibt: gut gemachte und schlecht gemachte. Auf der Bühne spielen wir von Ernst Mosch bis hin zu AC/DC eine Vielzahl von Stilen. Privat höre ich fast nur Klassik, aber auch Jazz, von Gregorianik über die Klassiker und Romantiker bis hin zur Moderne. Ich bin begeistert von Luciano Berio oder auch Krystof Penderecki. Manchmal, wenn ich ein Werk nicht so prickelnd finde, ist es vom musikalischen Aufbau kompositorisch doch sehr interessant.
Was bedeutet Ihnen Musik generell?Bermanseder: Blasmusik ist faszinierend, wenn sie gut gemacht ist und gut intoniert. Jeden Ton musst du quasi neu formen und neu intonieren: Ein C in C-Dur ist zum Beispiel nicht Dasselbe wie ein C in einer anderen Tonart. Ist ein Klavier gestimmt und ich drücke auf C, stimmt der Ton. Das ist bei Blasinstrumenten, aber auch vielen anderen Instrumenten nicht der Fall. Oder wie mein Freund und Kollege Bob Ross in seinen Programmen mit „Blechschaden“ – das sind die Blechbläser der Münchner Philharmoniker – immer meint: Was ist der Unterschied zwischen einer Geige und einer Waschmaschine? Die Waschmaschine vibriert gleichmäßig – und es kommt etwas Sauberes raus.
Vor einigen Jahren gab es den Blasmusik-und-Tracht-Trend auch bei jungen Leuten. Was ist davon übrig geblieben?Bermanseder: Sehr viel, Blasmusik und Tracht ist bei der Jugend immer noch „in“, wobei ich in puncto Tracht das Traditionelle doch bevorzuge. Ich war zum Jubiläum der Tegernseer Tanzlmusi eingeladen: ein ganzes Zelt mit jungen Musikanten aus dem Allgäu, aus Oberbayern, Tirol und Südtirol. Alle trugen traditionelle Trachten. Hier zeigt sich der Unterschied zwischen dem Norden und Süden der Republik. Im Süden ist die Jugend noch viel mehr der Tradition verhaftet. Die Tracht wird dort gelebt und verkommt nicht zu einem Show-Kleidungsstück. Spätestens am Sonntag wird dort die Tracht angezogen – aus Tradition und nicht für die Touristen. Übrigens: Im Bereich der Blasmusik war meist die Jugend vorherrschend! Die meisten Fans bei Ernst Mosch waren Musikvereine mit einem nicht unerheblichen Prozentsatz junger Musiker.
Auf Karlis CD sind mit dem Casteller Silvanerwalzer oder der Frühschoppen-Polka auch Lieder, die Sie für spezielle Anlässe geschrieben haben. Mit welcher Absicht ?Bermanseder: Die Nummern, die ich für Karli und das Haus Castell komponiert habe, sind aus Freundschaft entstanden, etwa anlässlich des 350-jährigen Jubiläums der Silvaner-Rebe in Franken. Karlis Frühschoppen-Polka habe ich zum Dank dafür geschrieben, dass Karli im Sommer immer wundervolle Frühschoppen veranstaltet, mit gutem Essen, interessanten Gesprächen und Menschen sowie hervorragender Musik. Ich war aber nicht der einzige Komponist der CD-Lieder: Franz Gerstbrein sowie Leo und Hubert Meixner („Cuba Boarische“) haben auch komponiert. Außerordentlich gut gefallen mir „Die Sterne strahlen“ sowie „Tuba Cappricio“ oder auch „Böhmische Freuden“. Momentan sind Werke von meinen Kollegen und Freunden Herbert Pixner, Freek Mestrini und Leo Meixner in der Pipeline.
Was sind generell Ihre Lieblingsstücke?Bermanseder: Auf Karlis CD bezogen: „Amiras 6er Polka“. Diese hat meine Enkelin Amira mit mir zusammen komponiert, sie war damals erst sechs Jahre alt. Für mich bedeutet es einen großen Erfolg, dass eine der größten Drehorgelfirmen in den Niederlanden Lizenzrechte zur Vervielfältigung von „Amiras 6er Polka“ erworben hat. Jedes Wochenende lassen nun einige hundert Drehorgeln in den Fußgängerzonen von ganz Holland unsere Polka erklingen. Ansonsten gibt es viele Top-Werke, die ich liebe: „Tu solus qui facis mirabilia“ von Josquin des Prez, Mozarts Prager und Linzer Sinfonie oder auch das 1. Klavierkonzert von Johannes Brahms.
Welchen Tipp haben Sie für Blaskapellen, um einigermaßen gut durch die Pandemie zu kommen? Bernmanseder: Nicht aufgeben, stellt euch Corona entgegen! Ich habe mit meinen Vereinen ein Orchester-Coaching während des Lockdowns veranstaltet, jede Woche gab es neue Aufgaben, Tipps und Tricks zur Weiterbildung, es wurden Video-Challenges produziert, Titel zum Mitspielen per Playback, um zuhause zum Üben zu motivieren, und vieles andere mehr. Es gibt viel, was man tun kann. Das Wichtigste ist, immer im Auge zu behalten: nicht aufgeben! Den Proben- und Terminplan so aufstellen, als könne nächstes Jahr alles, was man sich vornimmt, auch so stattfinden. Sonst wird man verrückt!