"Nicht aufgeben, weitermachen"

2 Min
Stipendiat Rauf Aliyev (Dritter v. l.) inmitten seiner Klassenkameraden am Armin-Knab-Gymnasium.
Foto: Robert Wagner

Der 15-Jährige Stipendiat Rauf Aliyev über eine besondere Auszeichnung und über Schicksalsschläge in seinem Leben.

Ich bin zum Gespräch mit Rauf Aliyev verabredet. Der 15-Jährige ist einer von 50 Schülern, die in diesem Jahr in das Programm „Talent im Land Bayern“ aufgenommen wurden. Auf dem sonnendurchfluteten Schulhof des Armin-Knab-Gymnasiums treffe ich mich mit dem jungen Stipendiaten. Er will mir von dem schweren Weg erzählen, den er und seine Familie gehen mussten.

Mir begegnet ein sehr höflicher, erwachsen wirkender Jugendlicher. Ein Eindruck, den auch seine Schulleiterin Margit Hofmann bestätigt: „Rauf ist schon sehr reif.“ Roter Pullunder, darunter ein gestreiftes Hemd, gepflegte Haare. Der Teenager strahlt eine gewisse Ernsthaftigkeit aus. Während unseres Gesprächs sitzt er aufrecht, er überlegt sich jedes Wort.

„Man lernt so viele interessante Menschen kennen.“
Rauf Aliyev über das Stipendium-Programm

Rauf erklärt mir die Hintergründe des Programms. Dass das Stipendium zunächst nur für Jugendliche mit Migrationshintergrund gedacht war, nun aber auch für Deutsche geöffnet wurde. Dass es darum geht, begabte Kinder zu unterstützen, die aus finanziell schwierigen Verhältnissen kommen. 100 Euro bekommt er im Monat, dazu weitere Leistungen. „Man darf sich beispielsweise einen Computer kaufen“, sagt er. Wichtiger war ihm aber etwas anderes: „Man lernt da so viele interessante Menschen kennen. Jugendliche mit tollen Begabungen und schweren Geschichten.“ Ich frage ihn, ob eine besondere Bekanntschaft dabei war? Er überlegt: „Sind nicht alle Menschen besonders?“

Geboren in Aserbaidschan, kommt Rauf im Alter von acht Jahren mit Mutter, Vater und seinen beiden Geschwistern nach Deutschland. „Ich konnte kein Deutsch, nur 'Hallo'“, erzählt Rauf. Heute hört man nicht einmal einen Anflug von Dialekt. Familie Aliyev ist der Arbeit gefolgt. Der Vater hatte einen Job in Hof, 2014 zog die Familie nach Mainsondheim um. „Hier ist es deutlich wärmer“, sagt Rauf lächelnd. Der Abschied aus Hof fiel ihm dennoch schwer – schwerer vielleicht als aus Aserbaidschan, an das er sich wenig erinnert. „In Hof kannte ich mich aus, hatte Freunde“, sagt der Jugendliche.

Der Vater erkrankte an Krebs, verlor nach langer Zeit den Kampf. Ab 2015 musste sich die Familie ohne ihn durchschlagen. Zu der Tragik kommen finanzielle Probleme. „Die Ausbildung meiner Mutter wird hier nicht anerkannt“, erzählt Rauf. Sie stammt aus der Ukraine und muss nun plötzlich alleine drei Kinder versorgen. Das Geld wird knapp.

Keine leichte Situation, weiß auch Schulleiterin Hofman. Sie lobt nicht nur Rauf, sondern auch den älteren Bruder und die jüngere Schwester: „Alle drei haben eine hohe Sozialkompetenz, sind beliebt.“ Das zeigt sich auch daran, dass Rauf, obwohl erst vor eineinhalb Jahren zur Klasse gestoßen, Klassensprecher ist. „Vielleicht versuche ich auch, Schulsprecher zu werden“, verrät er.

Eine Zukunft in der Politik kann er sich gut vorstellen. Noch einmal bestätigt wurde er vor kurzem beim Jugendkreistag. Thema damals unter anderem: die (fehlende) Beteiligung der Jugend an der Lokalpolitik. Er will aber auch Chemie oder Medizin studieren, möchte irgendwann Menschen helfen, die an schweren Krankheiten erkranken. Wie sein Vater.

„Integration kommt nicht zu dir – du musst dich selbst integrieren.“
Rauf Aliyev, kam mit Acht nach Deutschland

Immer wieder kommt Rauf auf sein Motto zurück: „Nicht aufgeben, weitermachen.“ Das habe ihm sein Vater beigebracht. Das hat ihm geholfen. Damals, als er nach Deutschland kam, als er wieder umziehen musste. Als der Vater lange krank war und schließlich starb. Und auch heute, wo es „nur“ um schulische Erfolge geht.

Rauf ist selbstbewusst und ehrgeizig. Er möchte seiner Mutter helfen. Finanziell, aber auch moralisch. Ich frage ihn, was er über die vielen Menschen denkt, die jetzt nach Deutschland flüchten müssen. „Integration ist wichtig“, sagt er. „Aber Integration kommt nicht zu dir, du musst dich selbst integrieren.“

Rauf ist das auf jeden Fall gelungen. Das zeigt nicht nur sein Stipendium. 2010 war er oberfränkischer Schachmeister. „Rauf ist vielseitig talentiert. Egal was er macht, er wird sicher einen tollen Weg gehen“, sagt Margit Hofmann.