Der 15-Jährige Stipendiat Rauf Aliyev über eine besondere Auszeichnung und über Schicksalsschläge in seinem Leben.
Ich bin zum Gespräch mit Rauf Aliyev verabredet. Der 15-Jährige ist einer von 50 Schülern, die in diesem Jahr in das Programm „Talent im Land Bayern“ aufgenommen wurden. Auf dem sonnendurchfluteten Schulhof des Armin-Knab-Gymnasiums treffe ich mich mit dem jungen Stipendiaten. Er will mir von dem schweren Weg erzählen, den er und seine Familie gehen mussten.
Mir begegnet ein sehr höflicher, erwachsen wirkender Jugendlicher. Ein Eindruck, den auch seine Schulleiterin Margit Hofmann bestätigt: „Rauf ist schon sehr reif.“ Roter Pullunder, darunter ein gestreiftes Hemd, gepflegte Haare. Der Teenager strahlt eine gewisse Ernsthaftigkeit aus. Während unseres Gesprächs sitzt er aufrecht, er überlegt sich jedes Wort.
„Man lernt so viele interessante Menschen kennen.“
Rauf Aliyev über das Stipendium-Programm
Rauf erklärt mir die Hintergründe des Programms. Dass das Stipendium zunächst nur für Jugendliche mit Migrationshintergrund gedacht war, nun aber auch für Deutsche geöffnet wurde. Dass es darum geht, begabte Kinder zu unterstützen, die aus finanziell schwierigen Verhältnissen kommen. 100 Euro bekommt er im Monat, dazu weitere Leistungen. „Man darf sich beispielsweise einen Computer kaufen“, sagt er. Wichtiger war ihm aber etwas anderes: „Man lernt da so viele interessante Menschen kennen. Jugendliche mit tollen Begabungen und schweren Geschichten.“ Ich frage ihn, ob eine besondere Bekanntschaft dabei war? Er überlegt: „Sind nicht alle Menschen besonders?“
Geboren in Aserbaidschan, kommt Rauf im Alter von acht Jahren mit Mutter, Vater und seinen beiden Geschwistern nach Deutschland. „Ich konnte kein Deutsch, nur 'Hallo'“, erzählt Rauf. Heute hört man nicht einmal einen Anflug von Dialekt. Familie Aliyev ist der Arbeit gefolgt. Der Vater hatte einen Job in Hof, 2014 zog die Familie nach Mainsondheim um. „Hier ist es deutlich wärmer“, sagt Rauf lächelnd. Der Abschied aus Hof fiel ihm dennoch schwer – schwerer vielleicht als aus Aserbaidschan, an das er sich wenig erinnert. „In Hof kannte ich mich aus, hatte Freunde“, sagt der Jugendliche.
Der Vater erkrankte an Krebs, verlor nach langer Zeit den Kampf. Ab 2015 musste sich die Familie ohne ihn durchschlagen. Zu der Tragik kommen finanzielle Probleme. „Die Ausbildung meiner Mutter wird hier nicht anerkannt“, erzählt Rauf. Sie stammt aus der Ukraine und muss nun plötzlich alleine drei Kinder versorgen. Das Geld wird knapp.
Keine leichte Situation, weiß auch Schulleiterin Hofman. Sie lobt nicht nur Rauf, sondern auch den älteren Bruder und die jüngere Schwester: „Alle drei haben eine hohe Sozialkompetenz, sind beliebt.“ Das zeigt sich auch daran, dass Rauf, obwohl erst vor eineinhalb Jahren zur Klasse gestoßen, Klassensprecher ist. „Vielleicht versuche ich auch, Schulsprecher zu werden“, verrät er.
Eine Zukunft in der Politik kann er sich gut vorstellen. Noch einmal bestätigt wurde er vor kurzem beim Jugendkreistag. Thema damals unter anderem: die (fehlende) Beteiligung der Jugend an der Lokalpolitik. Er will aber auch Chemie oder Medizin studieren, möchte irgendwann Menschen helfen, die an schweren Krankheiten erkranken. Wie sein Vater.