Mit dem Klapprad durchs Weinland

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„Ja, er ist mit'm Radl da“ – mit dem Klapprad, um genau zu sein: Der 78-jährige Hamburger Claus Koch startet von Wiesenbronn aus zu seinen Erkundungstouren durch ...
Fotos: Diana Fuchs
Von A bis Z glücklich in Wiesenbronn und Umgebung: Claus Koch schreibt bei jedem Besuch einen Eintrag in Maria Dennerleins Gästebuch.
Diana Fuchs

Der 78-jährige Hamburger Claus Koch erkundet seine „Urlaubsheimat“ mit dem Klapprad. Von Wiesenbronn aus geht er fast täglich auf Tour.

Himmelblaue Augen, eine norddeutsche Schnauze und so gut wie nie ohne Klapprad unterwegs: Wer in diesen Tagen einem Mann begegnet, auf den diese Beschreibung passt, der kann ihn getrost mit „Moin!“ oder auch „Grüß Gott, Herr Koch!“ ansprechen. Die Wahrscheinlichkeit ist zumindest sehr, sehr hoch, dass es sich um Claus Koch handelt, Jahrgang 1939, ein echtes Original aus Hamburg. Allerdings seit 14 Jahren immer öfter zu Gast in Franken, genau gesagt im Wiesenbronner Gästehaus von Maria Dennerlein. Von dort aus startet der abenteuerlustige 78-Jährige tagtäglich seine Erkundungs-Touren durch die Umgebung. Per Klapprad.

Was ihn einst nach Wiesenbronn geführt hat? „Schlimme Zahnschmerzen“, sagt Claus Koch, ohne eine Miene zu verziehen. Dann grinst er aber doch. „Wirklich! Damals war ich beruflich in Franken unterwegs und habe plötzlich Zahnweh gekriegt. In Rüdenhausen habe ich einen Arzt gefunden, der mir geholfen hat. Als ich dann weitergefahren und durch Wiesenbronn gekommen bin, habe ich das Schild gesehen: 'Gästehaus Dennerlein'. So bin ich hier in der Koboldstraße gelandet.“

Maria Dennerlein erinnert sich ebenfalls an die erste Begegnung mit dem Schmerzgeplagten: „Ein kleines Schöpple hat ihm zusätzlich geholfen“, meint sie augenzwinkernd.

Damals war Claus Koch noch als Spielwaren-Händler unterwegs, er kaufte ein für seinen kleinen Laden in der Nähe der Hamburger Uni: „KKK – Kochs Krims-Krams“ hieß das Spielwarengeschäft. Unter anderem auf der Nürnberger Spielwarenmesse war der Norddeutsche regelmäßiger Gast. „An die Arbeit hab ich gern ein bisschen Erholung in Franken drangehängt. Zum Beispiel hab' ich früher mal in einem Markt Einersheimer Gasthaus gewohnt", erzählt der „Hamburger Jung“. „Ich mag eure Art hier.“

Unsere Art? Eigentlich sind wir Franken doch eher als maulfaul und ein bisschen ruppig verschrien, oder? Claus Koch grinst spitzbübisch: „Naja, die Reisetätigkeit hat ja überall zugenommen. Selbst Ihr Franken kommt hin und wieder aus Eurer Heimat raus. Da weicht die rauhe Schale ein bisschen auf.“

Meist schwingt sich Claus Koch, wenn er in Wiesenbronn ist, gleich nach dem Frühstück aufs Rad. Früher ist er auch schon mal Würzburg gestrampelt, heute bleibt er vorwiegend im Landkreis Kitzingen. Von der Vinothek in Sommerach bis zum Fahrradmuseum in Hüttenheim hat er schon die ganze Gegend erkundet. „Er kennt die Radwege in der Region besser als wir“, sagt Maria Dennerlein. „Und wenn er am Nachmittag heimkommt, bringt er immer neue Geschichten mit.“

Man erlebt halt auch einiges, wenn man per Klapprad unterwegs ist und sich auch nicht scheut, sich in einem Gasthaus einfach mal mit an den Stammtisch zu setzen. „Da fällt mir dann immer wieder auf, dass ich im Vergleich eine sehr klare Sprache spreche“, kommentiert Koch süffisant. Doch auch für ihn gilt die alte Weisheit: Wer zuletzt lacht... So gibt der Hamburger zu: „Wenn zwei Fränkinnen sich unterhalten, versteh' ich kaum ein Wort und klapp' schön die Öhrchen zu. Ihr sollt eure Geheimnisse ruhig behalten.“

Apropos Geheimnis: Noch immer ist eine Flaschenpost verschollen, die einst in einer Heckenwirtschaft in Wiesenbronn versiegelt wurde. „Der Eugen ist in den Keller gegangen und mit einem wirklich edlen Tropfen wieder heraufgekommen“, berichtet Claus Koch. „Als der Bocksbeutel leer war, war uns die Flasche zu schade zum Entsorgen und so haben wir eine Flaschenpost gebastelt, die ich später in Hamburg in die Elbe geworfen habe.“ Ob sie jemals jemand findet und sich über den geheimnisvollen Inhalt freut? „Daumen drücken!“

Im Jahr 2004 hat Claus Koch seinen Spielzeugladen in Hamburg für immer geschlossen. Ein Jahr später starb seine Frau. Koch kümmerte sich um seine betagte Mutter. Doch als auch sie 2008 starb, wurde der Rentner zu einem „freien Vogel“, so seine eigene Beschreibung. Sein Credo: Schön in Bewegung bleiben. Am besten per Fahrrad, genau gesagt, per Klapprad. „Wissen Sie“, sagt er, „ich bin schon immer viel Fahrrad gefahren. Und so ein Klapprad mit seinen kleinen Rädern ist halt praktisch und hat den Vorteil, dass man es platzsparend auch mal in den öffentlichen Verkehrsmitteln transportieren kann, in der U-Bahn oder im Zug.“ Das Wort „Zug“ klingt bei Koch norddeutsch-zackig „Zuch“, mit ganz kurzem „u“.

Im „Zuch“ brachte der Hamburger in den Anfangsjahren sein eigenes Klapprad mit nach Franken. „Am Iphöfer Bahnhof ist er immer ausgestiegen und zu uns nach Wiesenbronn geradelt“, erzählt Maria Dennerlein lachend. Doch seit er eines Tages zufällig an einem Garagen-Verkaufsstand in Feuerbach vorbeikam, ist Koch stolzer Besitzer eines weiteren Klapprades, das nun dauerhaft bei Dennerlein stationiert ist.

„In den ersten Jahren hab' ich mir immer Sorgen gemacht, wenn das Rad abends noch nicht da stand“, berichtet Maria Dennerlein, die ihr Gästehaus seit 20 Jahren betreibt. „Inzwischen bleibt der Claus aber normalerweise nicht mehr so lange aus.“ Claus Koch lacht. „Man sieht: Das ist hier schon so etwas wie mein zweites Heim. Die gucken nach mir...“

Gucken tut auch Claus Koch selbst, und zwar „hinter den E-Bikes her“. Immer mehr der motorisierten High-Tech-Maschinen sind auf den Straßen und Radwegen unterwegs. „Egal, wie die Leute auf mein Klapprad stieren, ich schau' denen ohne Neid nach. Mir gefällt mein Klapprad so, wie es ist.“ Und so wird der Hamburger weiter radeln und zu verschiedenen Jahreszeiten immer Neues an seiner „Urlaubsheimat“ entdecken.