Kein trockenes Thema

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Szenografien heißen die großen Scherenschnitte, die die Sahara-Ausstellung zum Leben erwecken sollen.
Foto: Robert Wagner
Szenografien heißen die großen Scherenschnitte, die die Sahara-Ausstellung zum Leben erwecken sollen.
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Dr. Erhard Schulz zeigt ein nordafrikanisches Gefäß. In Raum Kitzingen wurden ähnliche Gefäße aus Ton gefunden.
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Dr. Erhard Schulz konzipierte die Ausstellung. Viel Herzblut floss mit ein.
Foto: Robert Wagner
Bis zur Eröffnung bleibt viel zu tun. Momentan ist alles noch ziemlich chaotisch.
Foto: Robert Wagner

Eine Ausstellung über die Sahara überrascht mit interessanten Verbindungen zur Kitzinger Geschichte.

Ein Rundgang durch das Kitzinger Stadtmuseum gleicht im Moment einem Hindernislauf. Leere Vitrinen stehen im Gang, Exponate liegen auf Tischen, Teppiche stapeln sich übereinander. An manchen Stellen kann man hingegen schon erahnen, wie viel Mühe sich die Mitarbeiter mit ihrer neuen Ausstellung geben. Gut zwei Jahre läuft die Planung bereits. Das Ziel: Den Menschen in Kitzingen die Sahara näher bringen.

Auf den ersten Blick überrascht das Thema – die Nordafrikanische Wüste ist weit weg und hat scheinbar wenig mit den Kitzinger Weinbergen gemein. Doch der erste Eindruck täuscht. Auf den zweiten Blick gibt es viele Anknüpfungspunkte und überraschende Parallelen.

Das beginnt beim Wasser. „Kitzingen ist ja die Sahelzone Deutschlands“, sagt Museumsleiterin Stephanie Falkenstein scherzhaft. Doch es steckt auch ein Körnchen Wahrheit darin. Tatsächlich war und ist Wasser auch auf der Fränkischen Trockenplatte ein Problem. Und nicht umsonst ist Kitzingen der heißeste Ort in Deutschland.

Parallelen zeigen sich dabei an überraschender Stelle: Die nomadischen Bewohner der Sahara transportieren Wasser in gebundenen Gefäßen. Im Raum Kitzingen wurden indes uralte Tongefäße gefunden – mit verblüffenden Ähnlichkeiten zu den geflochtenen Pendants aus Nordafrika. Sogar die Maserung erinnert an die Vorbilder. Kein Wunder, denn: „Woher kamen die europäischen Einwanderer vor zig tausend Jahren?“, fragt Falkenstein und liefert die Antwort gleich mit: „Aus Afrika.

“ In Kitzingen hängen jetzt beide Stücke nebeneinander.

Die Ausstellung widmet sich aber auch der jüngeren Geschichte – und auch da gibt es spannende Zusammenhänge. „Kitzingen war im 18. Jahrhundert Teil des globalen Dreieckhandels“, erzählt Dr. Erhard Schulz, der große Teile der Ausstellung konzipiert und die großflächigen Illustrationen selbst gemalt hat. Damals wurden unter anderem auch Sklaven in die USA transportiert, exotische Produkte wie Kakao, Zucker und Kaffee kamen über die Sahara nach Europa. Und eben auch nach Kitzingen. „Der Handel machte damals viele Kitzinger Handelsfamilien reich“, erklärt Falkenstein. „So reich, dass sogar die Würzburger sich über die Dekadenz der Kitzinger beschwerten.“ Doch Reichtum und Not, Luxus und Bankrott, lagen nah beieinander. „Wenn nur eins der Handelsschiffe unterging, bedeutete das oft den finanziellen Ruin.“

Auch wenn vielen Menschen die Sahara heute fremd vorkommt – bis heute gibt es enge Verknüpfungen mit der unwirtlichen Region. Heute jedoch meist mit negativer Konotation. Die Sahara ist wichtige Handelsroute für Waffen, Drogen und Menschen. „Die Methoden heute unterscheiden sich kaum von denen damals“, erklärt Schulz. In der brutalen Umwelt ist es bis in die Moderne nötig, auf traditionelle Wege der Orientierung zurückzugreifen.

Die Menschen, die aus Ländern wie Äthiopien oder Eritrea nach Europa und auch in den Landkreis flüchten, müssen durch die trostlose Wüste. Viele von ihnen sterben auf dem Weg. Die riesige, staubtrockene Region ist bis heute sehr gefährlich. Und nicht nur die Natur macht den Menschen zu schaffen. Verbrecherbanden, Terrorismus und Bürgerkriege machen die Sahara zu einem der unsichersten Orte der Welt. Auch das ist Thema der Kitzinger Ausstellung.

Erhard Schulz hat sich jahrelang, zusammen mit anderen Forschern deutscher und nordafrikanischer Universitäten, wissenschaftlich mit der Sahara beschäftigt. „Nur über solche langen Kontakte kann man solche tollen Exponate überhaupt bekommen“, erklärt Schulz. Doch seit gut zehn Jahren wurde die Situation immer kritischer. „Es gibt da eine Art Zäsur.“ Die Region sei fast gänzlich vom Rest der Welt abgeschlossen. Selbst in der Medizin werde – aufgrund mangelnder Alternativen – wieder auf die traditionellen Mittel zurückgegriffen.

Um die Sahara in ihrer Vielschichtigkeit darstellen zu können, haben sich die Organisatoren etwas Neues überlegt. „Erstmals werden beide Etagen des Museums für eine Ausstellung umgebaut“, sagt Falkenstein. In dem zusätzlichen Raum gibt es bis Ende des Jahres auch sogenannte Szenografien zu sehen – maßstabsgetreue Scherenschnitte von Tieren, Menschen und Gegenständen. „Wir wollten die Ausstellung lebendiger machen“, erklärt die Museumsleiterin.

Nur mit Texten und Vitrinen können man ein so großes Thema kaum spannend darstellen. Deshalb gibt es darüber hinaus auch noch weitere Veranstaltungen, beispielsweise Filmvorführungen im „Roxy“.

Ab dem 4. Juni ist es dann soweit: Die Ausstellung „Sahara – Ein Résumé“ öffnet die Tore. Mit dabei: Tiffany Kemp, die die Eröffnung musikalisch begleitet. Bis dahin müssen Stephanie Falkenstein, Erhard Schulz und ihre Helfer jedoch noch viel tun, damit die ersten Besucher nicht nur über Kisten und Ausstellungsstücke stolpern, sondern tatsächlich etwas erfahren über diese faszinierende Region und ihre überraschenden Verbindungen zur Kitzinger Geschichte.

Ausstellung „Sahara – ein Résumé“ vom 4. Juni bis 31. Dezember im Städtischen Museum Kitzingen.