Am 3. September erreichte die Familie die erlösende Nachricht: Ein Spenderherz war gefunden, eines, das zu seiner Blutgruppe 0 und den Antikörpern passen könnte. Euphorie mischte sich mit der Angst vor der schweren Operation. „Die Überlebensrate liegt bei rund 80 Prozent“, erklärt Prof. Voelker. „Entscheidend ist in der Regel der Zeitpunkt für den Eingriff.“ Für Johannes Koch war er offensichtlich noch nicht gekommen. Ein paar Stunden nach der Nachricht die Ernüchterung: Das Spenderherz passt doch nicht. „Sie können sich nicht vorstellen, was man in solchen Momenten durchmacht“, sagt Johannes Koch. „Mir war klar, dass es das für mich war. Noch einmal konnte ich nicht so lange auf ein Herz warten.“
Was dann geschah, bezeichnet die Familie als Wunder: Drei Tage später weckt ihn ein Arzt um 22 Uhr in seinem Zimmer in der Uniklinik: Fertigmachen zur OP. Ein geeignetes Herz ist gefunden. „Ich dachte erst, der macht einen Spaß mit mir“, erinnert sich der Familienvater. Schnell ruft er seine Frau in Marktsteft an, wenig später liegt er schon im OP-Saal. Um 5 Uhr in der Früh sehen Karin und Tochter Nadja den Eilkurier mit dem Koffer, in dem das Spenderherz transportiert wird, im langen Gang der Uniklinik. „Wir sind in Tränen ausgebrochen“, erinnert sich die Mutter.
Vier Stunden wird Johannes Koch operiert, danach auf die Intensivstation der Klinik gebracht. Zweieinhalb Wochen ist er dort. Für ihn und seine Familie eine Tortur. „Ich habe sehr oft mitbekommen, dass jemand stirbt“, sagt er. Jeden Tag beten seine Angehörigen, dass er überlebt. Vier Tage lang wird Johannes Koch ins künstliche Koma versetzt, von früh um 9 bis abends um 21 Uhr wacht seine Frau am Bett, hält seine Hand, spricht zu ihm.
„Es war ganz komisch“, erinnert sie sich. „Sobald es auf 21 Uhr zuging, wurde er unruhig, seine Hand zuckte.“ „Ich habe im Koma gemerkt, ob jemand da war oder nicht“, bestätigt Johannes Koch.
Vier Monate sind seither ins Land gegangen, Johannes Koch macht große Fortschritte. Weihnachten hat er im Kreise seiner Familie verbracht – „das schönste Geschenk meines Lebens“ –, das Herz schlägt manchmal so stark, dass er regelrecht erschrickt. Sein Blutdruck liegt mittlerweile bei 130 zu 80, die Leistungsfähigkeit des neuen Herzens beträgt schon 60 Prozent. „Ich bin dem Spender unheimlich dankbar“, sagt Johannes Koch. „Und gleichzeitig tut mir natürlich seine Familie unendlich leid.“ 47 Jahre war der Mann, dem Johannes Koch sein Leben verdankt, mehr weiß er nicht über den Spender. „Das will ich auch nicht“, sagt er.
Sein Leben ist auch so aufwühlend genug. Alle ein bis drei Monate eine Biopsie, bei der Gewebe aus dem Herz entnommen wird, alle zwei Wochen muss er zu Nachsorge in die Klinik, jeden Tag schluckt er rund 20 Tabletten und spritzt sich Insulin. Dennoch: Johannes Koch spricht von einer großen Lebensqualität. „Ich bin ein ganz anderer Mensch geworden“, sagt er. „Viel gelassener als früher. Ich bin so froh, hier zu sitzen“, sagt er auf seinem Bett im Wohnzimmer. „Ich könnte ja auch längst auf dem Friedhof liegen.“
Der Marktstefter weiß, dass er ein zweites Leben geschenkt bekommen hat. Und dieses Geschenk will er nutzen. „Ich will wieder laufen lernen, in einem Café sitzen und mich unterhalten“, sagt er und macht eine kurze Pause. „Und vor allem will ich meine Frau endlich auch kirchlich heiraten.“