Gute Vorsätze: Warum es (fast) nie klappt

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Modell: Silke Rautenbach erklärt, warum es vielen Menschen so schwer fällt, aus der eigenen Komfortzone herauszukommen.
Foto: Ralf dieter

Alle Jahre wieder: Silvester ist die Zeit der guten Vorsätze. Warum es in der Regel nichts mit deren Umsetzung wird, erklärt Silke Rautenbach, Supervisorin und Coach sowie Heilpraktikerin für Psychotherapie in Iphofen.

Alle Jahre wieder: Silvester ist die Zeit der guten Vorsätze. Warum es in der Regel nichts mit deren Umsetzung wird, erklärt Silke Rautenbach, Supervisorin und Coach sowie Heilpraktikerin für Psychotherapie in Iphofen.

Frage: Warum nehmen wir uns ausgerechnet an Silvester so vieles vor, was eh nicht gelingen kann?

Silke Rautenbach: Das ist leicht erklärt. Die Stimmung ist gut, alle sind voller Tatendrang. Jeder fühlt sich aktiv. Das alte Jahr wird sprichwörtlich abgeknallt, alles auf neu gestellt. Silvester hat etwas mit dem Wunsch nach Veränderungen zu tun. Auf dieser Idee bauen sich die vielen Vorsätze an diesem Tag auf.

Aber es funktioniert fast nie?

Rautenbach: Nein, die meisten geben schon nach wenigen Wochen wieder auf.

Macht es trotzdem Sinn, sich etwas vorzunehmen?

Rautenbach: Selbst wenn man scheitert, ist zumindest die Idee einer Veränderung da gewesen. Und das ist durchaus positiv.

Irgendwann möchte man die guten Vorsätze aber auch in die Tat umsetzen. Welche Voraussetzungen sind nötig, damit das auch klappt?

Rautenbach: Es gibt noch einen kleinen, aber wichtigen Unterschied zwischen Vorsatz und Ziel. Der Vorsatz ist so etwas wie die Idee, eine schlechte Gewohnheit loszuwerden. Das ist wie ein Rucksack auf dem Rücken, den ich nach ein, zwei Wochen wieder abwerfe. Vorsätze sind in der Regel negativ formuliert, so nach dem Motto: Ich will das nicht mehr machen und jenes auch nicht. Ein Ziel ist konkret und genau beschrieben.

Das heißt: Aus Vorsätzen müssen erst einmal Ziele werden.

Rautenbach: Mehr noch: Ich muss ein Ziel definieren, das für mich attraktiv und erreichbar ist. Ein Ziel, das ich umsetzen kann und will.

Und warum fällt uns Menschen das so schwer?

Rautenbach: Weil wir an Gewohnheiten festhalten. Gewohnheiten, die es aus gutem Grund gibt. Aber diese Gründe erforschen wir zu wenig. Es ist nun einmal so: Der Mensch hält sich gerne in seiner eigenen Komfortzone auf. Und neben ihm sitzt der eigene innere Schweinehund, der dafür sorgt, dass sich nichts verändert, denn jede Veränderung ist anstrengend.

Nehmen wir ein konkretes Beispiel: An Silvester wollen viele mit dem Rauchen aufhören.

Rautenbach: Ja, aber sie sind es seit vielen Jahren gewohnt, nach dem Kaffee eine Zigarette zu rauchen. Irgendwann hat es irgendeinen guten Grund gegeben, damit anzufangen. Um wieder aufzuhören bedarf es mehr als eines Vorsatzes, der manchmal auch noch kurz vor Mitternacht beschlossen wird. Da sind Zweifel an der Ernsthaftigkeit berechtigt.

Wie kann die Ernsthaftigkeit denn gesteigert werden?

Rautenbach: Es ist auch immer eine Frage des Leidensdrucks. Will ich, ja muss ich etwas wirklich verändern? Ohne Leidensdruck ist das schwierig.

Soll das heißen, dass ich ohne Anstöße von außen einen Veränderungsprozess nicht wirklich hinbekomme?

Rautenbach: Nein, es geht nicht um Anstöße von außen. Eine wirklich gute Motivation kommt weniger von außen. Die muss aus mir selbst heraus kommen. Das gesetzte Ziel muss für mich attraktiv sein. Nehmen wir das Beispiel Rauchen: Es muss für mich attraktiv sein, mehr Geld übrig zu haben, wieder wandern oder bergsteigen zu können, ohne gleich Atemnot zu bekommen. Das ist attraktiver als aufzuhören, weil es der Partner möchte.

Ohne so einen inneren Drang lässt sich das Ziel nicht erreichen?

Rautenbach: Kaum. Ich muss einen Traum oder eine Vision haben. Und ein Gefühl muss im Spiel sein. Wenn ich keine Freude dabei empfinde, macht es keinen Sinn.

Woher können sich die Freude und die Energie speisen, um solche oft einschneidenden Veränderung einzuleiten?

Rautenbach: Das ist schwer zu beantworten. Das ist bei jedem anders. Eines ist aber gleich: Die Motivation muss von innen kommen. Hinter diesem Prozess steckt die Frage, wie ich mein Leben führen möchte. Will ich alles laufen lassen oder Veränderungen einleiten?

Warum fällt es uns so schwer, Veränderungen einzuleiten?

Rautenbach: Nehmen wir als Beispiel den Wunsch nach mehr Zeit für sich selbst. Als erstes stelle ich mir die Frage, wie mein Ziel aussieht. Ich will mehr Zeit, um Freunde zu treffen, um Bücher zu lesen oder in die Sauna zu gehen. Und wie will ich dieses Ziel erreichen? Indem ich weniger arbeite, meine Tätigkeit im Sportverein reduziere, aus dem Elternbeirat austrete und so weiter und so fort. Der Haken dabei ist oft: Habe ich mein Ziel erreicht, habe ich plötzlich sehr viel Zeit. Dafür fehlt mir aber die Anerkennung, die ich durch meine früheren Tätigkeiten bekommen habe. Und genau da liegt oft der Grund, warum Ziele nicht umgesetzt werden. In diesem Fall, weil die Anerkennung gebraucht wird.

So eine Anerkennung ist doch etwas Positives.

Schon, aber wenn ich nur für die Anerkennung von außen lebe, dann stimmt etwas mit meinem eigenen Selbstwertgefühl nicht. Dann mache ich mich abhängig von der Anerkennung der anderen.

Nehmen Sie sich denn etwas für Silvester vor?

Als Kind habe ich das bestimmt gemacht, aber die vergangenen 20 Jahre nicht mehr. Wenn ich etwas verändern will, dann brauche ich keine Vorsätze, sondern ein Ziel und die Lust darauf, dieses Ziel auch umzusetzen. Das mache ich spontan, das Warten bis Silvester wäre mir zu lang.