Man könne mit der drei mal zwei Meter großen Plane allerdings keine komplette Einsatzstelle vor fremden Blicken schützen, aber das sei auch nicht die Aufgabe der Feuerwehr. „Wir Feuerwehren müssen uns auf unser Kerngeschäft konzentrieren: retten, löschen, bergen, schützen.“
Alles andere ist eher Sache der Polizei. Björn Schmitt, Polizeioberkommissar und Pressesprecher des Polizeipräsidiums Unterfranken, macht klar: „Aus polizeilicher Sicht müssen die Persönlichkeitsrechte von Unfallbeteiligten und -opfern immer im Vordergrund stehen.“ Dennoch: Im Ernstfall zählt auch für die Polizei zuallererst die Einsatzbewältigung. Schmitt appelliert deshalb an alle, die einen Unfall beobachten: „Jeder Verkehrsteilnehmer sollte sich im Unglücksfall emphatisch zeigen und sich selbst in die Lage der Betroffenen hineinversetzen.“
Bei manchen Einsätzen sei die Polizei schon gezielt gegen Gaffer vorgegangen, die zum Beispiel bei einem Verkehrsunfall im Vorbeifahren schwer verletzte oder gar getötete Personen gefilmt oder fotografiert haben. „Dieses verwerfliche und auch nicht mit Neugierde zu entschuldigende Verhalten wurde unterbunden.“
Wie kommt es eigentlich zu diesem „verwerflichen Verhalten“? Inwieweit hat die Sensationsgier zugenommen? Markus Ungerer, Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Kitzingen, findet, die Situation habe sich in den letzten Jahren nicht wirklich drastisch verändert. „Gaffer gab es schon immer. Es liegt wohl in der Natur des Menschen, sehen zu wollen, was passiert ist.“ Manchmal stehen die Zuschauer weit weg und stören nicht, manchmal kommen sie aber auch zu nahe und behindern die Rettungsdienste. „Manchmal sind sie einsichtig, manchmal nicht. Die Sensationslust ist, glaube ich, nicht wirklich anders als früher.“
Was sich jedoch geändert hat: „Die Menschen wollen immer weniger durch Notfälle anderer in ihrem Leben eingeschränkt werden, Egoismus und Gleichgültigkeit haben zugenommen. Verständnis und Empathie verringern sich.“ Die wohl einschneidendste Veränderung liege im wahrsten Sinne des Wortes auf der Hand: „Früher ist nicht jeder mit einem Fotoapparat herumgelaufen. Heutzutage hat jeder eine Kamera dabei, in Form des Smartphones. Ein Foto ist schnell gemacht und dank Internetanbindung noch schneller an andere Personen gesendet.“ Oder in sozialen Medien gepostet. „Das Mitteilungsbedürfnis ist oft größer und schneller als der Gedanke über die Folgen des Postings.“
Heutzutage sei es leicht möglich, dass ein Bild schon „um die Welt geht“, noch bevor die Angehörigen eines Unfallopfers informiert werden konnten. Von Persönlichkeitsrechten und der verschärften Rechtslage hätten viele Menschen einfach keine Ahnung.
Um das zu ändern, fordert der Geiselwinder Bürgermeister und Feuerwehrmann Ernst Nickel, dass jeder, der Rettungsarbeiten behindert, rigoros zur Kasse gebeten werden soll: „Es geht alles nur über den Geldbeutel. Wenn Leute Mitmenschen filmen oder sich so saudumm hinstellen, dass kein Rettungsdienst durch die Rettungsgasse fahren kann, dann müssten eine Geldstrafe und ein Fahrverbot her!“
Polizeisprecher Björn Schmitt betont, dass man auch als ganz normaler Bürger helfen kann: Zivilcourage zeigen, Gaffern die Meinung sagen. Aber natürlich so, dass man selbst nicht auch noch zur Behinderung an der Unfallstelle wird. Schmitt empfiehlt, Bildmaterial in sozialen Medien nicht kommentarlos hinzunehmen, sondern sich an den Absender zu wenden und ihn zu fragen: Muss das sein, dass du so etwas postest? Würdest du wollen, dass andere von dir solche Bilder zeigen? „Wenn keiner mehr solche Szenen sehen will, sinkt der Reiz, sie zu filmen.“
INFO: Berthold Diem hat die Sichtschutzwände bei einem Würzburger Unternehmen fertigen lassen: „Eine einzelne Plane ist schon für weit unter 100 Euro zu haben.“ Bei Abnahme mehrerer Exemplare gibt es entsprechend gestaffelte Preise. Diem selbst hat bis dato die Feuerwehren Kitzingen, Hettstadt, Waldbrunn, Helmstadt und Waldbüttelbrunn mit mobilem Sichtschutz ausgerüstet. Wer es ihm gleichtun möchte, ist sehr willkommen: Potenzielle Sponsoren können das vorhandene Motiv gerne kostenlos verwenden. Bei Fragen können sich Interessenten per Mail an Berthold Diem wenden: teamdiem@t-online.de