Freihandelsabkommen: Fluch oder Segen?

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Klaus Petter bereitet alles für die Unterschriftenaktion gegen Ceta am Samstag vor.
Foto: Robert Wagner
Klaus Petter bereitet alles für die Unterschriftenaktion gegen Ceta am Samstag vor.
Foto: Robert Wagner

In Europa wird über Freihandelsabkommen wie CETA und TTIP gestritten. Im Landkreis Kitzingen auch. Nun formt sich Widerstand. Ein Volksbegehren soll CETA verhindern.

In was für einer Welt werden unsere Kinder einmal leben? Diese Frage treibt sowohl Klaus Petter als auch Kurt Treumann um. Für beide steht die Zukunft der nächsten Generationen auf dem Spiel. Einig sind sich die zwei Männer trotzdem nicht. Im Gegenteil: Beim Thema CETA vertreten sie ziemlich konträre Ansichten. Und beide haben Argumente.

Laut Klaus Petter vom Bund Naturschutz in Bayern (BN) drohen durch CETA, TTIP und andere Freihandelsabkommen tiefe Einschnitte in der Gesellschaft – weit über die Wirtschaft hinaus. Ökologische und soziale Errungenschaften stünden auf dem Spiel. Die hohen Sicherheitsstandards in der Produktion könnten auf ein Mindestmaß zurückgefahren werden, die Staaten politische Gestaltungskraft einbüßen. „CETA ist ein Abkommen für Konzerne – nicht für die Menschen“, sagt Klaus Petter. Der Vorsitzende der Ortsgruppe Mainstockheim hält das ganze Freihandelsabkommen mit Kanada für undemokratisch. „Da wird im finsteren Kämmerlein unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt.“ Dabei müsse ein so einschneidendes Abkommen doch breit diskutiert werden.

Kurt Treumann verweist hingegen auf die enorme wirtschaftliche Bedeutung solcher Freihandelsabkommen. Der Bereichsleiter Internationales der Industrie- und Handelskammer in Würzburg (IHK) sieht Deutschland und die EU einem enormen internationalen Druck ausgesetzt. Für die Aufrechterhaltung unseres Wohlstands gibt es keine Garantie. Es gibt einfach Länder mit einer hohen wirtschaftlichen Dynamik.“ Ein Ausruhen auf dem Status Quo sei deshalb unmöglich, strategische Partnerschaften absolut notwendig. Sonst würden die Bundesrepublik und die anderen europäischen Staaten schon mittelfristig langsam nach „hinten durchgereicht“. Bei sinkendem Wohlstand könne eine Sozial-, Umwelt- und Bildungspolitik in ihrer jetzigen Ausprägung aber nicht mehr aufrecht erhalten werden.

„Denn woher kommt das Geld dafür, wenn nicht von prosperierenden Unternehmen?“ Gleichwohl dürften Abkommen wie TTIP und CETA nicht um jeden Preis durchgeboxt werden, sondern müssten ausgewogen sein.

Zunächst erscheinen beide Standpunkte ziemlich abstrakt. Was hat CETA mit den Menschen in Kitzingen, Iphofen und Wiesentheid zu tun? An diesem Punkt sind sich Petter und Treumann einig: sehr viel. Gewissermaßen steht CETA stellvertretend für den großen Bruder TTIP, dem Freinhandelsabkommen mit der USA. Und beide könnten wiederum eine Blaupause sein für ein Abkommen mit China, meint Treumann. Ein genauerer Blick lohnt sich also.

Pro: Wachstum stärken

Der Export ist für Deutschland immens wichtig – auch im mainfränkischen Gebiet profitieren die Unternehmen vom globalen Markt. „Die Exportquote ist bei uns auf über 40 Prozent gestiegen“, erzählt Treumann. „Jeder bei uns ist im Prinzip an irgendeiner Stelle vom Export abhängig. Selbst der Bibliothekar in der Universität.“ Gerade für die mittelständischen Unternehmen sei der Abbau von Handelshemmnissen und die Harmonisierung von Standards von entscheidender Bedeutung. Das erscheint einleuchtend: In großen Konzernen kümmern sich ganze Abteilungen um die Einhaltung internationaler Regelungen. In kleineren Unternehmen fehlt dafür einfach das Personal und die Zeit. Komplexe Regeln und Gesetze werden für sie oftmals zur unüberwindbaren Hürde. Doch gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen prägen unsere Region.

Die Angst vor sinkenden Standards, beispielsweise in der Lebensmittelbranche oder bei den Umweltauflagen, kann Kurt Treumann zwar grundsätzlich nachvollziehen. Aber: „Nach allem was ich bisher gelesen habe, geht es nicht darum Standards zu senken.“ Vielmehr müsse man die Perspektive umdrehen: Nur wer global eine wichtige ökonomische Rolle spiele, könne internationale Standards bestimmen. Sollte sich die EU durch einen Verzicht auf die Freihandelsabkommen selbst schwächen, könnte diese Macht verloren gehen. Dann müsse man sich globalen Bedingungen anpassen, statt sie zu gestalten.

In diesem Zusammenhang spricht Treumann auch die häufig kritisierten Schiedsgerichte an. Sie erlauben Unternehmen, direkt gegen Handelshemmnisse zu klagen, also auch gegen von der Regierung erlassene Gesetze. „Sicher wäre ein Freihandelsabkommen mit Kanada oder den USA auch ohne Schiedsgerichte denkbar“, gibt Treumann zu. „Aber wenn man beispielsweise an China denkt, wird die positive Wirkung solcher Gerichte klar.“ Sie böten Unternehmen die Möglichkeit, gegen ungerechte Behandlung durch nationale Regierungen aufzubegehren.

Kontra: Standards sichern

Umweltauflagen in der Industrie und Landwirtschaft, der Verzicht auf Gentechnik, das Verbot von Fracking, soziale Standards für Arbeitnehmer – all das sind hart erkämpfte Errungenschaften unserer Gesellschaft. Klaus Petter und seine Kollegen vom BN fürchten, dass sie dem ökonomischen Wachstum geopfert werden könnten. Besonders die Schiedsgerichte sind den Umweltschützern ein Dorn im Auge.

Wie das vonstattengehen könnte, konnte man zuletzt in Uruguay beobachten: Der Tabakhersteller Philipp Morris hatte gegen die strenge Anti-Raucher-Gesetzgebung des südamerikanischen Staates geklagt. Amerikanischen Unternehmen seien so Gewinne verloren gegangen. Die Klage wurde zwar in diesem Fall abgewiesen. Trotzdem: Mit diesem Mechanismus könnten Konzerne gegen unliebsame, aber sozial und ökologisch sinnvolle Gesetze vorgehen. So könnte Fracking und Gentechnik letztlich durch die Hintertür, am Parlament vorbei, doch wieder in Deutschland Fuß fassen.

Auch wenn Klaus Petter nicht grundsätzlich gegen Freihandel ist, fürchtet er doch teils katastrophale Folgen für Mensch und Natur. „Der BN strebt nach einer naturverträglichen Landwirtschaft“, sagt Petter. „Die wird durch CETA und Co ausgehebelt.“ Billige Produkte könnten importiert werden, die hiesige Landwirtschaft noch weiter unter Druck geraten. Die müsse sich dann anpassen. Was heißt: Größere Felder und Äcker, Massentierhaltung, Chemieeinsatz. „Die kleineren Betriebe werden verschwinden.“ Das habe nicht nur ökonomische Folgen. „Die schlimmen Überschwemmungen, die es zuletzt gab, die sind ja hausgemacht.“ Ein einzelnes, großes Maisfeld könne nun einmal weniger Wasser zurückhalten, als mehrere kleinere, von Hecken und Feldrainen durchbrochene Äcker mit verschiedenen Feldfrüchten.

So haben schließlich Klaus Petter und Kurt Treumann eine gute Vorstellung davon, was passieren muss oder eben nicht passieren darf, damit unsere Kinder glücklich aufwachsen können.

Volksbegehren gegen CETA

Die Bayerische Verfassung ermöglicht es den Bürgern, durch Volksbegehren und Volksentscheide direkten Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Beste Beispiele dafür sind das Nichtrauchergesetz und die Abschaffung der Studiengebühren.

In einem ersten Schritt sind dafür 25 000 Unterschriften nötig. Ein Bündnis aus Initiativen, Parteien und Vereinen, darunter auch der BN, versucht diese Unterstützerzahl zu erreichen.

Am Samstag, 17. Juli, soll es deshalb Aktionsstände in Dettelbach, Kitzingen, Iphofen und Wiesentheid geben. Dort können sich Interessierte informieren und Unterstützer ihre Unterschrift abgeben.