Blitzmarathon: Ein Zeichen an die Raser

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Auf der Suche nach Temposündern: Harald Hufnagel beobachtet den Verkehr auf der B 8 bei Biebelried.
Fotos: Robert Wagner
Mit der Laserpistole misst Günther Reimann die Geschwindigkeit.
Robert Wagner
Mit der Laserpistole misst Günther Reimann die Geschwindigkeit.
Robert Wagner

Trotz kritischer Stimmen und einiger Bundesländer, die sich nicht beteiligen - der Kitzinger Polizist Harald Hufnagel verteidigt den europaweiten Blitzertag.

Im Fadenkreuz ist ein schwarzer Kombi. „Auf das Nummernschild zielen“, sagt Günther Reimann von der Polizeiinspektion Kitzingen. „Abdrücken.“ Dann sollte eigentlich die Geschwindigkeit angezeigt werden. Eigentlich. Im Display leuchten drei Fragezeichen auf. Eine Laserpistole zu bedienen ist schwerer als gedacht.

Auf der B 8 beim Kreuz Biebelried nähert sich schon das nächste Auto. Ein weißer Audi. Neuer Versuch: Die Messung klappt, 67 km/h. Deutlich weniger als die erlaubten 80 km/h. Aber selbst wenn er zu schnell gewesen wäre – die Messergebnisse zählen nur, wenn ein am Gerät ausgebildeter Polizist am Drücker ist.

„Vor kurzem hatten wir einen mit 201 km/h in einer 80er-Zone.“
Harald Hufnagel, zuständig für Kitzingen

Der Audifahrer ist keine Ausnahme: Am Donnerstag, 21. April – dem Tag des großen Blitzmarathons 2016 – lassen es die meisten Autofahrer gemächlich angehen.

Schon am Morgen auf der zweispurigen B 8 von Würzburg nach Kitzingen fällt auf: Wo sich sonst Fahrer mit über 120 km/h auf der linken Spur drängen, herrscht Gelassenheit. Trotz dichtem Verkehr bleibt die linke der zwei Spuren meist frei. „Wer sich heute blitzen lässt, ist wirklich selbst schuld“, sagt auch Harald Hufnagel, der für den gesamten Bereich Verkehr in Kitzingen verantwortlich ist.

Die Polizei hat im Vorfeld die Messstellen bekannt gegeben, in allen Medien wurde vom Blitzmarathon berichtet. 1800 Polizisten sind in Bayern laut Innenministerium an 1600 möglichen Messstellen im Einsatz. Gerade notorische Raser werden sich an diesem Tag hüten, mit Bleifuß zu fahren. Im Gegensatz zu anderen Tagen: „Vor kurzem hatten wir einen mit 201 km/h in einer 80er-Zone“, erzählt Hufnagel kopfschüttelnd.

Macht so ein Aktionstag überhaupt Sinn? „Er ist absolut sinnvoll“, versichert Hufnagel. Ziel sei es, das Bewusstsein für die Geschwindigkeit zu schärfen. „Überhöhte und nicht angepasste Geschwindigkeit ist eine Hauptursache für Unfälle.“ Tatsächlich ist laut Statistischem Bundesamt jeder vierte tödliche Unfall auf überhöhte Geschwindigkeit zurückzuführen. In Bayern starben allein vergangenes Jahr 177 Menschen. Wenn dieser Zusammenhang bei einigen wieder in die Köpfe komme, dann habe sich der Tag schon gelohnt.

An der Wirksamkeit der Aktion wird jedoch bundesweit gezweifelt. Nur noch neun Bundesländer beteiligen sich am europaweiten Blitzmarathon. Einzig in Bayern wird tatsächlich noch 24 Stunden geblitzt. In allen anderen Ländern packen die Beamten schon um 22 Uhr ihre Geräte ein – acht Stunden vor den bayerischen Kollegen. Die Begründung: Der Nutzen rechtfertige den Aufwand nicht.

„Viele Fahrer haben sich wieder bewusst Gedanken über ihre Geschwindigkeit gemacht und waren langsamer unterwegs“, sagte hingegen der bayerische Innen- und Verkehrsminister, Joachim Herrmann, im Hinblick auf den letztjährigen Blitzmarathon.

Viele Autofahrer verdächtigen die Beamten der „Abzocke“. Ein Vorwurf, den die Polizisten von sich weisen: „Wir positionieren uns so, dass wir von einem aufmerksamen Autofahrer gesehen werden“, erklärt Günther Reimann. Es werde möglichst erst 200 Meter nach einem Begrenzungsschild geblitzt.

Es gehe darum, Präsenz zu zeigen und präventiv tätig zu sein. Die Autofahrer sollen nicht das Gefühl bekommen, dass es „sichere“ Raserstrecken gibt. „Es geht leider nicht anders“, bedauert Hufnagel. Man könne nicht allein auf das Verantwortungsbewusstsein der Fahrer vertrauen. „Bei manchen Menschen setzt am Steuer einfach der Verstand aus.

“ Aus seiner Erfahrung wirken Blitzer erzieherisch. Zumindest mittelfristig erinnerten sich die Fahrer an die Blitzer, führen in der Folge vorsichtiger – zumindest eine Zeit lang. „Lasermessungen sind dabei besonders wirkungsvoll“, erklärt Hufnagel. Der Temposünder wird direkt rausgezogen und mit seinem Vergehen konfrontiert. Das wirke mehr und besser als ein unscharfes Foto, das erst einige Wochen später im Briefkasten liegt.

Mindestens einmal täglich sind die Beamten der Polizeiinspektion deshalb mit ihrem Lasergerät im Landkreis unterwegs. Dazu kommen noch Kontrollen der Verkehrspolizei Biebelried. Besonders an Unfallschwerpunkten stehen die Blitzer regelmäßig. Bei der statistischen Auswertung der Unfälle im Landkreis – über 2000 waren es im Jahr 2015 – werden solche Punkte identifiziert. Zeigt sich ein Zusammenhang mit hoher Geschwindigkeit können Tempolimits eingeführt oder verschärft werden. So ist es beispielsweise auf der B 8 nahe der Autobahnauffahrt geschehen. Seitdem ging die Zahl der Schwerverletzten auf der Strecke zurück.

„Die Zahl der tödlichen Unfälle geht in Kitzingen zurück.“
Harald Hufnagel über die Verkehrsentwicklung

Auch insgesamt ist Harald Hufnagel einigermaßen zufrieden mit der Situation im Landkreis: „Die Zahl der tödlichen Unfälle geht in Kitzingen zurück.“ Was für diese Entwicklung letztlich verantwortlich sei, lasse sich nicht so ohne weiteres feststellen: Sicherere Autos, bessere Straßenverhältnisse oder „unsere Arbeit als Polizei“, es sind mehrere Faktoren denkbar.

Verständnis fehlt Harald Hufnagel indes nicht nur für die Raser. Auch die vielen Autofahrer, die die entgegenkommenden Autos per Lichthupe warnen, ärgern ihn. „Niemand will, dass er durch Raser gefährdet wird. Dennoch sind viele Menschen der Meinung, andere warnen zu müssen. “ Insgesamt zeige sich ein seltsames Verhältnis der Menschen zu ihren Autos und den Gefahren des Straßenverkehrs. „Ein tödlicher Autounfall wird öffentlich mehr oder weniger hingenommen.“ Anders sehe es bei Flugzeugunglücken oder gar Morden aus. Dabei ist das Ergebnis überall gleich: Menschen sterben.

Und was das heißt, weiß Harald Hufnagel genau: Schon öfters musste er Angehörigen mitteilen, dass ein geliebter Mensch auf der Straße gestorben ist. „Das ist schlimmer als der Unfallort selbst“, erzählt der Beamte. „Das sind Erinnerungen, die man nicht vergisst.“